Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist nicht nach § 18d Abs 2 AVG (= § 1241d Abs 2 RVO) ausgeschlossen, wenn dem im Hauptberuf rentenversicherungspflichtig beschäftigten Versicherten aufgrund eines bei der Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt erlittenen Unfalls während der vom Unfallversicherungsträger gewährten Heilbehandlung nur das für landwirtschaftliche Unternehmer vorgesehene Übergangsgeld/Verletztengeld zu zahlen ist.

 

Orientierungssatz

Anwendung des § 18d Abs 2 AVG:

1. § 18d Abs 2 AVG will den vom Versicherten vor Eintritt der Notwendigkeit zur Rehabilitation bzw vor Eintritt des Versicherungsfalles von EU/BU erreichten wirtschaftlichen Standort sichern, in dem er den (rentenausschließenden) Anspruch auf Übergangsgeld/Verletztengeld über § 18 AVG (= § 1241 RVO) nach dem Modell der Krankengeldberechnung (§ 182 Abs 4 und 5 RVO) auf grundsätzlich 80 vH des letzten entgangenen "regelmäßigen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens" bemißt. Die Höhe des Übergangsgelds/Verletztengelds beruht mithin auf den Entgelten aus allen Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnissen. Dagegen wird das Übergangsgeld/Verletztengeld der Landwirtschaftlichen BG pauschalierend und generalisierend als angenommener Ausgleich einer Bareinbuße allein aus dem landwirtschaftlichen Bereich errechnet (§ 561 Abs 3 S 1 RVO; seit 1.1.1982 ein Achtel des 360. Teils der nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO maßgebenden Jahresarbeitsverdienstgrenze). Dieser Betrag, der in der Regel auffällig hinter dem aus allen entgeltlichen Verhältnissen errechneten Übergangsgeld/Verletztengeld zurückbleibt, kann gerade nicht die wirtschaftliche Sicherung bewirken, von der § 18d Abs 2 AVG ausgeht, wenn er die zusätzliche Zahlung von Rente wegen BU/EU ausschließt, um eine Überversorgung abzuwenden.

2. Der in § 18d Abs 2 AVG verfügte Ausschluß von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit neben Übergangs- oder Verletztengeld geht nach dem Wortlaut der Norm weiter, als ihr Zweck zu rechtfertigen vermag; ihr Anwendungsbereich ist daher entsprechend einzugrenzen ("teleologische Reduktion/Restriktion").

 

Normenkette

AVG § 18d Abs. 2; RVO § 1241d Abs. 2, §§ 779c, 779d

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.11.1987; Aktenzeichen L 6 An 188/86)

SG Heilbronn (Entscheidung vom 21.11.1985; Aktenzeichen S 5 An 2124/84)

 

Tatbestand

Streitig ist Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) vom 4. März 1982 bis zum 17. Juli 1983.

Der im Jahre 1946 geborene Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer (Nebenerwerbslandwirt) bei der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG) W.          (W.) gegen Unfall versichert. Im November 1979 schied er gesundheitsbedingt aus seinem als Angestellter vollschichtig ausgeübten Hauptberuf als Lacktechniker aus. Anschließend war er arbeitslos und bezog bis zum 31. März 1981 Arbeitslosengeld. Eine ihm auf seinen Antrag vom 4. November 1980 von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte Heilmaßnahme konnte nicht durchgeführt werden, weil er am 2. September 1981 bei der Anfahrt zur Arbeit auf seinem landwirtschaftlich genutzten Grundstück verunglückte und sich drittgradig offene Unterschenkelfrakturen an beiden Beinen zuzog. Deswegen gewährte ihm die BG Betriebs- und Haushaltshilfe sowie vom 2. September 1981 bis zum 17. Juli 1983 Heilbehandlung und Übergangs- bzw Verletztengeld (je Kalendertag ab 2. September 1981 24,-- DM, ab 1. Oktober 1981 27,60 DM, ab 1. Januar 1982 14,69 DM, ab 1. Januar 1983 15,63 DM). Ab 18. Juli 1983 zahlte sie ihm Verletztenrente.

Nachdem die Beklagte dem Kläger zunächst die Gewährung einer im Januar 1983 beantragten Versichertenrente abgelehnt hatte, bewilligte sie ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit (mtl. 1.267,50 DM), jedoch erst ab 18. Juli 1983, weil nach § 18d Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in den Zeiten, in denen Anspruch auf ein Verletztengeld bestehe, der Rentenanspruch ausgeschlossen sei (streitige Bescheide vom 13. Juni 1983 und vom 25. November 1983, Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1984). Die Zeitrente wurde bis zum 31. Oktober 1987 weitergewährt (Bescheide vom 2. Mai 1984, 5. Februar 1985 und vom 27. März 1986).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Rente schon ab 4. November 1980 abgewiesen (Urteil vom 21. November 1985). Die - zugelassene - Berufung des Klägers hatte Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg -LSG- vom 24. November 1987). Das LSG hat dem Kläger antragsgemäß Rente wegen BU auf Zeit bis 17. Juli 1983 "nach einem am 2. September 1981 eingetretenen Versicherungsfall" zugesprochen und ausgeführt, er habe Anspruch auf Zeitrente wegen BU, obwohl er im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Übergangs- und Verletztengeld gegen die BG gehabt habe. § 18d Abs 2 AVG greife - verfassungskonform ausgelegt - zur Vermeidung von Doppelleistungen nur bei solchen Geldleistungen ein, deren Bemessungsgrundlagen und -maßstäbe im Ausgangspunkt gleichartig seien. Während aber die Renten wegen EU bzw BU Lohnersatzfunktion hätten, gleiche das nach einem fiktiven Jahresarbeitsverdienst berechnete Verletztengeld beim landwirtschaftlichen Unternehmer nur den Einkommensverlust im landwirtschaftlichen Betrieb aus.

Dem tritt die Beklagte mit der - vom LSG zugelassenen - Revision entgegen. Sie meint, nach § 18d Abs 2 AVG schließe der Bezug von Übergangsgeld bzw Verletztengeld generell den Anspruch auf eine Rente wegen BU bzw EU aus. Dabei komme es weder auf den Rechtsgrund für den Anspruch auf das Übergangsgeld bzw Verletztengeld noch auf die Höhe dieser Leistungen an (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1241d Nr 10).

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. bzw 21. November 1985 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht Rente wegen BU - wie nur begehrt - auf Zeit, dh vom 4. März 1982 bis zum 17. Juli 1983 zu.

Nach § 23 Abs 1 AVG idF des Art 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 (BGB) erhält der Versicherte Rente wegen BU, der berufsunfähig ist, wenn die berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Nach den von der Revision nicht angefochtenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Kläger, der die Wartezeit erfüllt hat, wegen der bei dem Unfall am 2. September 1981 erlittenen drittgradig offenen Unterschenkelfraktur an beiden Beinen jedenfalls bis zum 17. Juli 1983 außer Stande, irgendeine Tätigkeit auszuüben. Er konnte also weder seinen rentenversicherungsrechtlich allein maßgeblichen bisherigen Beruf als angestellter Lacktechniker noch eine ihm nach Ausbildung, beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten zumutbare Verweisungstätigkeit verrichten. Dem steht nicht entgegen, daß er landwirtschaftlicher Unternehmer geblieben ist. Ob er überhaupt auf eine selbständige Nebenerwerbstätigkeit im eigenen Unternehmen iS des § 23 Abs 2 AVG verwiesen werden dürfte (vgl BSG SozR 2200 §1246 Nr 80; BSGE 22, 265, 269 = SozR Nr 45 zu § 1246 RVO; BSG Urteil vom 29. Juli 1971 - 12 RJ 26/70), kann hier offenbleiben. Der Kläger war nämlich wegen der Unfallfolgen leistungsunfähig, so daß er seit dem Unfall den landwirtschaftlichen Betrieb, den er nach den vom LSG in Bezug genommenen Akten offenkundig allein bewirtschaftet hatte, nicht mehr unter Einsatz seiner Arbeitskraft fortführen konnte. Seine Stellung als landwirtschaftlicher Unternehmer, die unabhängig von seinem persönlichen Arbeitseinsatz fortbesteht, solange auf das Unternehmen gerichtete Handlungen in seinem Namen vorgenommen werden (BSG SozR 2200 § 1247 Nr 46 mwN), schließt daher - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - nach § 24 Abs 2 Satz 3 AVG nur EU, nicht aber BU aus.

Der Rentenanspruch des Klägers ist - entgegen der Ansicht der Revision - nicht deswegen ausgeschlossen, weil ihm die BG vom 2. September 1981 bis zum 17. Juli 1983 das für landwirtschaftliche Unternehmer vorgesehene Übergangsgeld, seit dem 1. Januar 1982 umbenannt in Verletztengeld (§§ 779c ff der Reichsversicherungsordnung -RVO- durch Art 4 § 1 Nr 17, 18 des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung -AFKG- vom 22. Dezember 1981 - BGBl I S 1497), gezahlt hat. Zwar besteht nach § 18d Abs 2 Satz 1 und 2 AVG (idF des Art II § 6 Nr 2 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 - BGBl I S 1469, zuletzt geändert durch Art 6 § 1 Nr 6 AFKG) während der Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation neben einem Anspruch auf Übergangsgeld kein Anspruch auf Rente wegen BU, es sei denn - was beim Kläger nicht der Fall ist -, daß die Rente bereits vor Beginn der Maßnahme bewilligt war; das gleiche gilt für einen sonstigen Zeitraum, für den Übergangsgeld zu zahlen ist. Die Anfügung der Worte "Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld" mit Wirkung vom 1. Januar 1982 durch Art 6 § 1 Nr 6 AFKG, bei der es sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung an die Änderung der §§ 12, 13 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) gehandelt hat (BSG SozR 2200 § 1241d Nr 10 mit zustimmender Besprechung durch Barkmin in DAngVers 1987, 195 f), hat die Rechtslage nicht geändert. Der Wortlaut der Vorschrift spricht also - wie der Beklagten einzuräumen ist - gegen einen Rentenanspruch des Klägers schon ab Unfall im September 1981.

Indessen greift § 18d Abs 2 AVG nicht ein, weil der Versicherte Nebenerwerbslandwirt ist und lediglich das für landwirtschaftliche Unternehmer vorgesehene Übergangsgeld/Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen kann. Der in § 18d Abs 2 AVG verfügte Ausschluß von Rente wegen BU oder EU neben Übergangs- oder Verletztengeld geht nach dem Wortlaut der Norm weiter, als ihr Zweck zu rechtfertigen vermag; ihr Anwendungsbereich ist daher entsprechend einzugrenzen ("teleologische Reduktion/Restriktion"). Der Rentenausschluß beruht auf dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (§ 7 RehaAnglG - so BSG SozR 2200 § 1241d Nr 10 mN; Zweng/Scherer/Buschmann, Rentenversicherung, 2. Aufl, Stand: August 1987, Anm I zu § 1241d RVO mN); weiter zielt er darauf ab, eine "Übersicherung", d.h. einen übermäßigen Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile durch zweckgleiche Leistungen (sog Doppelleistungen) zu vermeiden (Bley, Sozialrecht, 5. Aufl 1986, S 283; Langenheim, Die Sozialversicherung 1983, 253 ff; Wamser, Mitt LVA Oberfranken 1982, 226 ff; Drong, Wege zur Sozialversicherung 1981, 161 ff, jeweils mwN). Beide Normziele rechtfertigen den Ausschluß des Rentenanspruchs in Fällen der vorliegenden Art aber nicht.

§ 18d Abs 2 AVG bezweckt, Personen, die durch Maßnahmen zur beruflichen oder medizinischen Rehabilitation in Beruf und Arbeit wiedereingegliedert werden sollen, nicht erst zu Rentnern zu machen und ihnen ggf dann die Rente wieder zu entziehen (vgl schon die Stellungnahme der Bundesregierung zu Nr 25 der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten - Rentenversicherungsgesetz -, BT-Drucks 2437, 2. Wahlperiode). Deshalb soll auch der Ausschluß von Rente eine Beeinträchtigung des Erfolges der Maßnahme durch Schwächung des Interesses des Versicherten an einer ernsthaften Mitarbeit verhindern (vgl BSGE 17, 238, 240 = SozR RVO Nr 1 zu § 1242). In diesem Zusammenhang kommt dem Übergangsgeld/Verletztengeld grundsätzlich eine für den Erfolg der Eingliederung wesentliche Bedeutung zu, indem es den Versicherten "während der Durchführung einer Maßnahme" oder in einem "sonstigen Zeitraum", für den es zu zahlen ist (§ 18d Abs 2 AVG), im wesentlichen das Einkommensniveau gewährleistet, das er wegen der Rehabilitationsbemühungen weder durch Lohn (§ 17 AVG) noch durch eine Lohnersatzleistung (§ 183 Abs 6 RVO, jetzt idF des Art 4 § 1 Nr 1 AFKG, vgl dazu auch die beiden Vorlagebeschlüsse des BSG nach Art 100 Abs 1 des Grundgesetzes vom 9. Dezember 1986, 8 RK 2/85 und 8 RK 24/85) aufrechterhalten kann. Das Übergangsgeld/Verletztengeld soll nämlich während des gesamten Rehabilitationsgeschehens den Behinderten und seine Familienangehörigen dadurch wirtschaftlich sichern, daß er, wenn er wegen Krankheit oder Unfall zeitweise aus dem Erwerbsleben ausscheiden muß, Leistungen zum Lebensunterhalt in Anknüpfung an seine bisherigen Erwerbseinkommen - beginnend ggf mit Lohnfortzahlung und Krankengeld bis zur Wiedereingliederung - im wesentlichen in gleicher Höhe erhält (BR-Drucks 307/72 S 50, 43). Deshalb hat der Gesetzgeber die während einer Rehabilitation zu gewährenden Barleistungen nach dem Modell der Krankengeldberechnung weitgehend angeglichen (§ 13 Abs 2 ff RehaAnglG, § 18 AVG = § 1241 RVO, §§ 561, 568 RVO, § 59 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG). Folgerichtig bewirkt jede Gewährung von Übergangsgeld/Verletztengeld den Rentenausschluß iS von § 18d Abs 2 AVG, unabhängig davon, welcher Rehabilitationsträger es in welcher Höhe zu zahlen hat und ob sich die Rehabilitation nur in der Gewährung von Übergangsgeld erschöpft (BSG SozR 2200 § 1241d Nr 10 mwN). Der Rentenausschluß neben Übergangsgeld ist so nach dem Plan des Gesetzgebers sachlich gerechtfertigt, weil sich die Berechnung des Übergangsgeldes/Verletztengeldes grundsätzlich und regelmäßig auch bei mehreren versicherten Beschäftigungen oder Tätigkeiten an dem wegen der Rehabilitation insgesamt entgangenen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Versicherten ausrichtet und entsprechend hoch - im wesentlichen wie Krankengeld - bemessen ist.

In Fällen der vorliegenden Art wird das dargestellte Normziel mit der in § 18d Abs 2 AVG getroffenen Regelung jedoch ganz offenkundig nicht erreicht. Denn das dem Nebenerwerbslandwirt vom Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gewährte Übergangsgeld/Verletztengeld berücksichtigt nicht den durch eine vollschichtige Tätigkeit im rentenversicherungspflichtigen Hauptberuf des Klägers erzielten Lohn. Es gleicht vielmehr nur pauschalierend und generalisierend, dh ohne Bezug auf die konkreten Einkommensausfälle im Einzelfall, eine angenommene Einbuße an Bareinkünften aus dem - während der Rehabilitation fortbestehenden - landwirtschaftlichen Betrieb aus. Deshalb betrug es nach § 561 Abs 3 Satz 1 RVO (idF des Art II § 1 Nr 2 Buchst b des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - vom 23. Dezember 1976, BGBl I S 3845) je Kalendertag den 450. Teil des für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten nach den §§ 780 ff RVO festgesetzten durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes; seit dem 1. Januar 1982 beläuft es sich grundsätzlich auf ein Achtel des 360. Teils der nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO maßgebenden Jahresarbeitsverdienstgrenze. Anders als in dem von § 18 Abs 2 AVG ins Auge gefaßten Regelfall knüpft die Berechnung des Übergangsgeldes/Verletztengeldes für landwirtschaftliche Unternehmer in der Unfallversicherung somit nicht an die Gesamtheit der Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (vgl § 13 Abs 2 ff RehaAnglG, § 18 AVG = § 1241 und § 561 Abs 1 RVO iVm § 182 Abs 4 und 5 RVO, §§ 561 Abs 3 iVm § 571 RVO) an, wie es der dargestellte Schutzzweck der Norm jedoch voraussetzt. Bei den rentenversicherungspflichtig beschäftigten Nebenerwerbslandwirten, die ihr Einkommen überwiegend aus einem außerlandwirtschaftlichen Hauptberuf erzielen, würde nach dem Gesetzeswortlaut während einer von der Landwirtschaftlichen BG getragenen Rehabilitation nur ein ganz abgegrenzter, für den Versicherten wirtschaftlich untergeordneter Teil der gesundheitlich bedingten Einbußen im Erwerbseinkommen ausgeglichen. Zugleich verdrängte das geringe Übergangsgeld/Verletztengeld der Landwirtschaftlichen BG den durch den Hauptberuf (hier: vollschichtige Tätigkeit als Angestellter) in der Angestelltenversicherung durch Leistung von Pflichtbeiträgen erworbenen Rentenanspruch, obwohl der Versicherte nur zusätzlich als Nebenerwerbslandwirt gearbeitet hat. Eine solche Fallage trifft der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" ganz offenbar nicht.

Ebensowenig liegt bei Nebenerwerbslandwirten durch die gleichzeitige (kumulative) Gewährung von Übergangsgeld/Verletztengeld und Rente wegen Erwerbsminderung eine unerwünschte "Übersicherung" durch Doppelleistungen vor, wie sie § 18d Abs 2 RVO verhindern will (s.o.). Die Leistung der BG gleicht ausschließlich Erwerbseinbußen im Nebenerwerb des Versicherten, also aus einer "Nebenarbeit" neben der angestelltenversicherungspflichtigen Beschäftigung mit voller Beitragsleistung aus. Demgegenüber entschädigt die Versichertenrente, für die der Nebenberuf versicherungsrechtlich keine anspruchsbegründende Bedeutung hat, den Verlust an Erwerbsfähigkeit im Hauptberuf. Zweckverschiedene Leistungen für voneinander eindeutig abgegrenzte wirtschaftliche Nachteile aus zwei unterschiedlichen sozialen Sicherungssystemen für zwei - im Verhältnis von Haupt- und Nebenberuf stehende- versicherte Tätigkeiten können aber keine einander verdrängende Wirkung iS des § 18 Abs 2 AVG haben. Im Gegenteil: Ein Rentenausschluß während der Teilnahme an einer Rehabilitation führte bei dieser Fallgruppe zu einer offensichtlichen und einschneidenden Unterversorgung der Versicherten.

Die Entstehungsgeschichte des § 18d Abs 2 AVG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, der Gesetzgeber habe die besondere Benachteiligung der Nebenerwerbslandwirte durch ungerechtfertigten Ausschluß ihres Anspruchs auf Rente wegen BU oder EU billigend in Kauf genommen. Hiernach ist der Anwendungsbereich der nach ihrem Wortlaut zu weit gefaßten Norm entsprechend in der Weise einzuschränken, daß der aa0 normierte Rentenausschluß die Fallgruppe der Nebenerwerbslandwirte nicht trifft. Der Senat ist dagegen nicht berechtigt, die den Nebenerwerbslandwirten evident nachteilige Gesetzeslage dahin zu korrigieren, daß bei ihnen bei Berechnung von Übergangsgeld/Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung die Entgelte und Einkommen aus allen versicherten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Eine solche positive komplexe Regelung übersteigt die dem Senat zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (SozR 2200 § 1241d Nr 10) ab, der er vielmehr grundsätzlich zustimmt. Der 1. Senat hatte über einen in tatsächlicher Hinsicht wesentlich anders gelagerten Sachverhalt (Rentenausschluß wegen Gewährung von Übergangsgeld nach dem Bundesversorgungsgesetz) zu entscheiden.

Nach alledem kann dem Kläger, der als Nebenerwerbslandwirt nur das für landwirtschaftliche Unternehmer vorgesehene Übergangsgeld/Verletztengeld beanspruchen kann, die Rente wegen BU nicht unter Berufung auf § 18d Abs 2 AVG versagt bleiben. Die angefochtene Entscheidung trifft also zu, so daß die Revision der Beklagten hiergegen als unbegründet zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665589

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