Verfahrensgang

LSG Bremen (Urteil vom 27.11.1986)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 27. November 1986 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschuß.

Die Klägerin beantragte am 11. April 1983 die Bewilligung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente). Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Oktober 1983 ab. Dagegen erhob die Klägerin Klage. In den Zeiten vom 10. August bis 7. September 1983 und vom 18. September bis 16. Oktober 1984 gewährte ihr die Beklagte medizinische Leistungen zur Rehabilitation. Sie erklärte sich sodann zur Gewährung einer EU-Rente wegen eines am 22. Februar 1983 eingetretenen Versicherungsfalles bereit. Die Klägerin nahm dieses Anerkenntnis an und ihre Klage zurück.

Mit Bescheid vom 20. Februar 1985 bewilligte die Beklagte in Ausführung ihres Anerkenntnisses der Klägerin eine am 17. Oktober 1984 beginnende EU-Rente. Die Gewährung eines Kinderzuschusses für den am 21. April 1967 geborenen und in Schul- bzw Berufsausbildung befindlichen Sohn der Klägerin lehnte die Beklagte ab, weil nicht bereits vor dem 1. Januar 1984 ein Anspruch auf Kinderzuschuß bestanden habe. Mit Bescheid vom 30. Juli 1985 nahm die Beklagte eine Neuberechnung der EU-Rente vor und wandelte diese im Verlaufe des Revisionsverfahrens mit weiterem Bescheid vom 23. Januar 1989 für die Zeit ab 1. Februar 1989 in das Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres um. Zuvor hatte sie im September 1985 für den Zeitraum vom 1. März 1983 bis 16. Oktober 1984 der Klägerin ein nach § 18d Abs 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG; = 1241d Abs 5 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) berechnetes Übergangsgeld (Übg) bewilligt.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Bremen die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20. Februar 1985 verurteilt, der Klägerin einen Kinderzuschuß für ihren Sohn zu ihrer EU-Rente ab 17. Oktober 1984 zu zahlen (Urteil vom 21. Juli 1986). Das Landessozialgericht (LSG) Bremen hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, daß auch der Bescheid vom 30. Juli 1985 im Sinne des Urteils des SG geändert wird (Urteil vom 27. November 1986), und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erhöhung ihrer EU-Rente um einen Kinderzuschuß für ihren Sohn. Der Anspruch scheitere nicht an § 39 Abs 1 Satz 1 AVG idF des Art 2 Nr 16 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S 1532; = HBeglG 1984). Dabei könne offenbleiben, ob der rechtliche Anknüpfungspunkt für den Anspruch der Klägerin direkt in § 39 Abs 1 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung (= aF) oder indirekt in dieser Bestimmung nach Anwendung des § 39 Abs 1 Satz 1 AVG idF des HBeglG 1984 (= nF) liege. Gehe man davon aus, daß für die Rechtsanwendung allein der Zeitpunkt des Beginns des Anspruchs auf Rente maßgebend sei, richte sich der Anspruch der Klägerin auf einen Kinderzuschuß nach § 39 Abs 1 Satz 1 AVG aF, weil sie ab 1. März 1983 einen Anspruch auf EU-Rente gehabt habe. Sehe man in Anlehnung an das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Februar 1986 (BSGE 60, 18 = SozR 2200 § 1262 Nr 33) als entscheidend an, daß die Klägerin die Auszahlung ihrer EU-Rente als solche ab 17. Oktober 1984 habe verlangen können, sei ihre Rente nach § 39 Abs 1 Satz 1 AVG nF um den Kinderzuschuß zu erhöhen, weil sie darauf bereits vor dem 1. Januar 1984 und damit nach § 39 Abs 1 Satz 1 AVG aF einen Anspruch gehabt habe. Erachte man schließlich der Auszahlung der EU-Rente die Auszahlung eines Surrogats für diese Rente gleich, dann habe die Klägerin Anspruch auf Kinderzuschuß nach § 39 Abs 1 Satz 1 AVG aF, weil sie die Auszahlung eines Surrogats für die EU-Rente ab 1. März 1983 habe verlangen können. Die äußere Gleichheit der Berechnung der beiden der Klägerin gewährten Leistungen, nämlich der EU-Rente ab 17. Oktober 1984 und des Übg für die Zeit davor, sei kein ausreichender Grund, um die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 Satz 1 AVG bejahen zu können. Habe nämlich die Klägerin vor dem 17. Oktober 1984 und damit auch vor dem 1. Januar 1984 nur einen Anspruch auf Übg gehabt, dann habe ihr ein Anspruch auf Kinderzuschuß nicht zugestanden. Das treffe jedoch nicht zu. § 18d Abs 2 AVG schließe einen Anspruch auf Rente für die Zeit der Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation und für einen sonstigen Zeitraum, für den Übg, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld zu zahlen sei, nicht allgemein aus. Der Rentenausschluß beziehe sich nur auf die in § 18 AVG angesprochenen Versicherten. Zu diesen gehöre die Klägerin nicht. Daß bei Versicherten wie ihr der Rentenanspruch nicht ausgeschlossen sei, sondern weiterhin bestehe, sei mit den einleitenden Worten des § 18d Abs 5 AVG ausdrücklich gekennzeichnet worden. Bei der so umschriebenen Rechtslage schließe das Gesetz nicht den Rentenanspruch aus, sondern bestimme, daß anstelle der Rente Übg in Höhe der Rente zu zahlen sei. Der weiter bestehende Rentenanspruch sei somit durch ein Surrogat zu erfüllen, das zwar als Übg bezeichnet werde, aber in seiner Berechnung, seinen Bestandteilen und damit in seiner Höhe der Rente gleichstehe. Die Klägerin habe somit vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf EU-Rente, erhöht um den Kinderzuschuß für ihren Sohn, gehabt und die Auszahlung dieses Rentenanspruchs verlangen können, weil dem die ab 1. März 1983 erfolgte Auszahlung des in § 18d Abs 5 AVG vorgesehenen Surrogats gleichkomme.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 18d AVG. Nach der Regelungssystematik der Vorschrift diene das sogen vorgezogene Übg der Verwirklichung des in § 7 Abs 1 des Gesetzes zur Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881; = RehaAnglG) festgelegten Grundsatzes „Rehabilitation vor Rente”. Es solle im Zusammenhang mit Rehabilitationsmaßnahmen an die Stelle der Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), soweit diese noch nicht bewilligt worden sei, treten, um zu verhindern, daß der Rehabilitand sich schon in der Zeit der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme als Rentner fühle. Dieser Zweck werde dadurch erreicht, daß das Übg bereits vom fiktiven Rentenbeginn an zu zahlen sei (§ 18d Abs 1 Satz 1 AVG) und daß der Anspruch auf Rente durch das Übg verdrängt werde (§ 18d Abs 2 AVG). Nach letzterer Vorschrift schließe unter den dort genannten Voraussetzungen jedes Übg den Rentenanspruch aus. Dafür, daß entsprechend der Meinung des LSG der Anspruchsausschluß nur durch ein nach § 18 AVG berechnetes Übg bewirkt werden könne, bestünden keine Anhaltspunkte. Folge man der Auffassung des LSG, daß die Leistung nach § 18d Abs 5 AVG kein Übg, sondern lediglich ein Rentensurrogat sei, wäre ein Rentenausschluß nicht möglich, weil § 18d Abs 2 AVG einzig und allein auf den Anspruch auf Übg, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld abstelle. Nach § 18d Abs 2 AVG idF des RehaAnglG sei ausnahmslos jedem Rehabilitanden und damit auch dem Versicherten, bei dem der Versicherungsfall der BU oder EU gegeben, eine Rente aber noch nicht bewilligt worden sei, anläßlich seiner Teilnahme an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ein Anspruch auf Übg zugesichert gewesen. Nach der Änderung des § 18d Abs 2 AVG dahingehend, daß nicht mehr wie bisher die Teilnahme des Versicherten an einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern nur noch der Anspruch auf Übg, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld den Rentenanspruch ausschließe, hätten einen Anspruch auf Übg anläßlich medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen nur noch Betreute, die unmittelbar vor Beginn der Maßnahme oder in die Maßnahme zurückgegangener Arbeitsunfähigkeit gegen Entgelt versicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien, freiwillig Versicherte, pflichtversicherte Selbständige, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen und Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hätten, sowie arbeitslose Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld gehabt. Bestimmte Versicherte wie zB latent versicherte Hausfrauen hätten anläßlich ihrer Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme keinen Anspruch auf Übg gehabt, so daß ihnen in einschlägigen Fällen auch nicht Übg statt Rente habe gezahlt werden können. Diese sozialpolitisch unerwünschte Folge sei durch die Einfügung des § 18d Abs 5 AVG beseitigt worden. Die amtliche Begründung zu dieser Vorschrift verdeutliche, daß es sich bei der Leistung nach § 18d Abs 5 AVG nicht um eine Rente, sondern um ein Übg handele mit allen seinen Auswirkungen und Konsequenzen, zu denen nicht nur die Anwendung des § 18f AVG, sondern insbesondere auch der Zahlungsbeginn der Leistung vom Zeitpunkt des fiktiven Rentenbeginns (§ 18d Abs 1 Satz 2 AVG) und der Wegfall des Rentenanspruchs (§ 18d Abs 2 AVG) gehörten. Das Gesetz biete keinen Anhalt dafür, daß das Übg von einem nach § 18 oder § 18a AVG zu berechnenden Übg zu unterscheiden sei. Auch diese Bestimmungen seien ebenso wie § 18d Abs 5 AVG sowohl Anspruchs- als auch Berechnungsvorschriften. Das nach § 18d Abs 5 AVG in Höhe der fiktiven Rente berechnete Übg sei kein anderes als dasjenige, welches für die Zeit der eigentlichen Rehabilitationsmaßnahme in Betracht komme, und sei eine die Rehabilitationsmaßnahme begleitende (akzessorische) Leistung, die nicht unter den gleichen Voraussetzungen wie die Rente gewährt werde. § 18d Abs 5 AVG stelle somit nur eine von mehreren im AVG normierten Berechnungsvorschriften für das Übg dar.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 27. November 1986 und des Sozialgerichts Bremen vom 21. Juli 1986 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, der Gesetzgeber habe nur demjenigen Versicherten die Rente während und vor der Heilmaßnahme vorenthalten wollen, der zum Ausgleich einen Anspruch auf Übg habe. Demjenigen, der keinen Anspruch auf Übg habe, müsse bei Vorliegen der Voraussetzungen die Rente mit den entsprechenden Folgen gezahlt werden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin hat – mit der sich aus § 39 Abs 3 und 7 AVG ergebenden zeitlichen Beschränkung – einen Anspruch auf Gewährung eines Kinderzuschusses für ihren am 21. April 1967 geborenen Sohn zu der ihr ab 17. Oktober 1984 gezahlten EU-Rente. Das haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht entschieden.

Rechtsgrundlage des von der Klägerin erhobenen Anspruchs auf Kinderzuschuß ist § 39 Abs 1 Satz 1 AVG nF. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Februar 1986 (BSGE 60, 18, 19 ff = SozR 2200 § 1262 Nr 33 S 78 ff) ausgesprochen und eingehend begründet hat, ist § 39 Abs 1 Satz 1 AVG in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung dann anzuwenden, wenn der Berechtigte ungeachtet des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalles eine Auszahlung der ihm zustehenden Rente erst nach dem 31. Dezember 1983 hat beanspruchen können (dem folgend 4a-Senat des BSG in BSG SozR 2200 § 1262 Nr 39 S 96). Das ist bei der Klägerin der Fall. Nach den insoweit bindenden Bescheiden vom 20. Februar und 30. Juli 1985 kann sie eine Auszahlung der ihr bewilligten EU-Rente erst ab 17. Oktober 1984 beanspruchen.

Nach § 39 Abs 1 Satz 1 AVG nF erhöht sich – unter den weiteren positiven und negativen Anspruchsvoraussetzungen des § 39 AVG, die im vorliegenden Fall unter den Beteiligten nicht streitig sind – ua die Rente wegen EU für jedes Kind, für das der Rentenberechtigte vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt hat, um den Kinderzuschuß. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Klägerin hat vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt und diese Leistung auch tatsächlich, wenn auch erst im September 1985 und damit nach dem 31. Dezember 1983, ausgezahlt erhalten.

Der Anspruch auf Kinderzuschuß in der Zeit vor dem 1. Januar 1984 ergibt sich aus der besonderen Regelung des § 18d Abs 5 AVG über die Berechnung des Übg, welches – was durch Gewährung dieser Leistung auch die Beklagte anerkannt hat – der Klägerin seit dem 1. März 1983 zugestanden hat. Nach dieser Vorschrift ist, wenn der Versicherte in den Fällen des § 18d Abs 2 und 4 AVG Anspruch auf Rente hat, weil Anspruch auf Übg nicht besteht, anstelle der Rente Übg in Höhe der Rente zu zahlen. Diese Regelung ist aus sich heraus nicht ohne weiteres verständlich. Ihr Sinngehalt erschließt sich erst aus dem Gesamtzusammenhang mit den anderen Absätzen des § 18d AVG unter Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte dieser Vorschrift.

§ 18d AVG in seiner ursprünglichen Fassung (aF) des § 22 Nr 9 RehaAnglG hat lediglich die Absätze 1 bis 3 umfaßt, wovon die Abs 1 und 3 seither nicht geändert worden sind. Nach § 18d Abs 1 AVG wird das Übg von dem Beginn der Maßnahme an gewährt (Satz 1). Ist bereits vor Beginn der Maßnahme Antrag auf Rente wegen BU oder wegen EU oder auf erhöhte Rente wegen BU oder EU nach § 45 Abs 2 Nr 2 AVG gestellt, so beginnt das Übg mit dem Zeitpunkt, von dem an die Rente oder der erhöhte Rentenbetrag zu zahlen gewesen wäre (Satz 2). § 18d Abs 2 AVG aF hat bestimmt, daß während der Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation kein Anspruch auf Rente wegen BU oder wegen EU oder auf erhöhte Rente wegen BU oder EU nach § 45 Abs 2 Nr 2 besteht, es sei denn, daß die Rente oder die Rentenerhöhung bereits vor Beginn der Maßnahme bewilligt war (Satz 1). Das gleiche gilt für einen sonstigen Zeitraum, für den Übg zu zahlen ist (Satz 2). Nach § 18d Abs 3 AVG gilt, wenn der Versicherte berufsunfähig oder erwerbsunfähig und nicht zu erwarten ist, daß die Erwerbsfähigkeit erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, der Antrag auf Rehabilitation als Antrag auf Rente.

§ 18d Abs 2 Satz 1 AVG aF hat bewirkt, daß allein die Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation ohne Rücksicht darauf, ob für die Dauer der Maßnahme Übg zu gewähren ist, zum Ausschluß des Anspruchs auf Versichertenrente geführt hat, soweit diese nicht bereits vor Beginn der Maßnahme bewilligt, dh durch eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers zuerkannt worden war (vgl BSG SozR 2200 § 1241d Nr 4 S 12 und Nr 12 S 38). Das hat bei berufs- oder erwerbsunfähigen Versicherten, die nicht zu den Berechtigten iS des § 18 Abs 1 bis 3 AVG, sondern zu den „sonstigen Betreuten” iS des § 18 Abs 4 AVG idF des RehaAnglG gehört haben, in der Zeit nach der Neufassung des § 18 Abs 4 AVG mit Wirkung vom 1. Juli 1977 durch Art 2 § 2 Nr 6 des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S 1040) zur Folge gehabt, daß ihnen während der Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation nicht mehr ein Anspruch auf Übg, wegen der Ausschlußregelung des § 18d Abs 2 Satz 1 AVG aF aber auch nicht ein Anspruch auf Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit und somit gar keine Geldleistung zugestanden hat. Ua zur Beseitigung dieser Benachteiligung sind durch Art II § 6 Nr 2 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren, vom 18. August 1980 (BGBl I S 1469; = SGB 10) in § 18d Abs 2 Satz 1 AVG aF nach dem Wort „besteht” die Worte „neben einem Anspruch auf Übergangsgeld” eingefügt (auf die abermalige Änderung des § 18d Abs 2 AVG durch Art 6 § 1 Nr 6 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes -AFKG- vom 22. Dezember 1981, BGBl I S 1497, braucht hier nicht eingegangen zu werden; vgl dazu BSG SozR 2200 § 1241d Nr 10 S 34 und Nr 15 S 48) und dem § 18d AVG die seither unveränderten Abs 4 und 5 angefügt worden. Die durch das SGB 10 erfolgten Änderungen des § 18d AVG gehen zurück auf eine Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages (BT-Drucks 8/4022, S 58f) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Sozialgesetzbuchs (SGB), Verwaltungsverfahren (BT-Drucks 8/2034). Zur Begründung ist in dem Ausschußbericht ausgeführt worden, die Änderung in § 1241d Abs 2 RVO stelle klar, daß für die Zeit, in der eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werde, ein Rentenanspruch nur dann verdrängt werde, wenn zugleich ein Anspruch auf Übg bestehe. In Verbindung mit Abs 5 werde sichergestellt, daß der Versicherte, der bereits einen Rentenanspruch erworben habe, während einer Rehabilitationsmaßnahme eine Geldleistung erhalte. § 1241d Abs 5 RVO ermögliche eine den bisher erworbenen Rentenanwartschaften entsprechende Barleistung auch dann, wenn ein Anspruch auf Übg nicht bestehe. Die Regelung solle vermeiden, daß eine Rentenzahlung die Erfolgsaussichten der Rehabilitationsmaßnahme beeinträchtige. Deshalb solle anstelle der Rentenleistung Übg ausgezahlt werden. Dabei seien die Vorschriften für das Übg anzuwenden. Lediglich die Berechnung der Leistung richte sich nach den für die Renten maßgebenden Vorschriften (BT-Drucks 8/4022, S 93).

§ 39 AVG ist eine für die Rentenberechnung maßgebende Vorschrift (BSGE 60, 18, 20 = SozR 2200 § 1262 Nr 33 S 80). Ist daher gemäß § 18d Abs 5 AVG anstelle der Rente Übg in Höhe der Rente zu zahlen, ist bei der Berechnung des Übg eine etwaige Erhöhung der Rente um einen Kinderzuschuß zu berücksichtigen. Dem entspricht die Berechnungsweise in den Mitteilungen der Beklagten vom 4. September 1985. Ist aber eine solche Berechnung für die Zeit vor dem 1. Januar 1984 erfolgt, so hat iS des § 39 Abs 1 Satz 1 AVG nF der Versicherte bereits vor diesem Stichtag einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt. Dieser Anspruch ist in seinem Bestand nicht dadurch berührt worden, daß der Kinderzuschuß nicht unmittelbar als akzessorische Leistung zu einer Rente gewährt, sondern als Berechnungsfaktor bei der Feststellung der Höhe des Übg berücksichtigt worden ist. Letzteres ändert nichts daran, daß die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Kinderzuschusses vorgelegen haben und der Versicherte dessen Zahlung, wenn auch lediglich als Bestandteil des auf der Basis der Rente berechneten Übg, hat verlangen können.

Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß nach dem im Wortlaut des § 39 Abs 1 Satz 1 AVG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers nur eine Rente wegen BU oder wegen EU oder ein Altersruhegeld um den Kinderzuschuß zu erhöhen und somit eine Erhöhung des Übg um einen Kinderzuschuß ausgeschlossen ist. Ist gemäß § 18d Abs 5 AVG ein Übg in Höhe der Rente zu zahlen, wird, falls die Rente um einen Kinderzuschuß zu erhöhen ist, nicht auch das Übg um den Kinderzuschuß erhöht, sondern es nach der in einem ersten Rechenschritt um den Kinderzuschuß erhöhten Rente in einem zweiten Rechenschritt als einheitlicher Betrag berechnet.

Der Hinweis der Beklagten darauf, daß auch das nach § 18d Abs 5 AVG errechnete Übg der Kürzungsregelung des § 18f AVG unterliege, vom Zeitpunkt des fiktiven Rentenbeginns an zu zahlen sei (§ 18d Abs 1 Satz 2 AVG) und zum Wegfall des Rentenanspruchs führe (§ 18d Abs 2 AVG), ist im wesentlichen unzutreffend und kann deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, daß im Falle einer vor dem 1. Januar 1984 erfolgten Berechnung des Übg auf der Grundlage einer um den Kinderzuschuß erhöhten Rente gleichwohl in der Zeit vor dem 1. Januar 1984 ein Anspruch auf Kinderzuschuß nicht bestanden hat. Die Kürzungsregelung des § 18f AVG ist auf das nach § 18d Abs 5 AVG errechnete Übg nicht anzuwenden. Wie das BSG bereits entschieden hat (vgl BSG SozR 2200 § 1241d Nr 13 S 42f), greift die Kürzungsvorschrift bei Bezug von Arbeitseinkommen während des Bezuges von Übg (§ 1241f Abs 1 RVO = § 18f Abs 1 AVG) gegenüber dem bei erfolgloser Rehabilitation garantierten Übg in Höhe der Rente wegen BU oder EU (§ 1241d RVO, § 18d AVG, jeweils Abs 4 Satz 3) nicht ein, weil auch auf die Rente selbst ein während der BU oder EU erzieltes Arbeitsentgelt nicht anrechenbar gewesen wäre. Dasselbe hat für das gemäß § 18d Abs 5 AVG anstelle der Rente gewährte Übg zu gelten. Eine Kürzung des Übg um anderweitige Einkünfte des Versicherten, die auf die Rente selbst nicht angerechnet werden dürfen, würde dem Gebot des § 18d Abs 5 AVG widersprechen, daß das Übg nicht nur „anstelle”, sondern zugleich „in Höhe” der Rente zu gewähren ist. Dieses Übg unterfällt auch nicht der Regelung des § 18d Abs 1 Satz 2 AVG über den fiktiven Rentenbeginn. Diese Vorschrift über den Beginn des sogen „vorgezogenen” Übg greift nur dann ein, wenn vor Beginn der Maßnahme bereits ein Rentenantrag gestellt worden ist und die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung vorgelegen haben (vgl insbesondere BSG SozR 2200 § 1241d Nr 8 S 24f), ein Rentenanspruch aber wegen der verdrängenden Wirkung des Übg nicht entstanden ist (§ 18d Abs 2 AVG; dazu insbesondere Urteil des erkennenden Senats in BSG SozR 2200 § 1241d Nr 10 S 31 ff). Im genauen Gegensatz dazu setzt § 18d Abs 5 AVG umgekehrt voraus, daß ein Anspruch auf Übg nicht besteht und deswegen der Versicherte einen Anspruch auf Rente hat. Für den Beginn des anstelle und in Höhe dieser Rente zu zahlenden Übg bedarf es deswegen nicht eines Rückgriffs auf § 18d Abs 1 Satz 2 AVG; er wird allein von dem Zeitpunkt des Beginns der Rente bestimmt. Schließlich trifft es entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten nicht zu, daß auch ein gemäß § 18d Abs 5 AVG zu zahlendes Übg zum Wegfall des Rentenanspruchs nach § 18d Abs 2 AVG führt. § 18d Abs 2 AVG geht auf seiner Tatbestandsseite davon aus, daß während der Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation oder während eines sonstigen Zeitraums Anspruch auf Übg, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld besteht, und knüpft daran die Rechtsfolge, daß der Versicherte während derselben Zeiträume keinen Rentenanspruch hat. Genau umgekehrt geht § 18d Abs 5 AVG auf seiner Tatbestandsseite davon aus, daß während der Durchführung einer Maßnahme zur Rehabilitation oder während eines sonstigen Zeitraums eben gerade nicht ein Anspruch auf Übg, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld besteht und deswegen entgegen § 18d Abs 2 AVG ein bestehender Rentenanspruch nicht verdrängt wird, und schließt daran die Rechtsfolge, daß anstelle und in Höhe der zu beanspruchenden Rente Übg zu zahlen ist. Das ergibt sich nicht bereits aus § 18d Abs 2 AVG, sondern hat der ausdrücklichen Regelung des § 18d Abs 5 AVG bedurft.

Der Senat gelangt nach alledem zu dem Ergebnis, daß dann, wenn bis zum 31. Dezember 1983 gemäß § 18d Abs 5 AVG ein Übg anstelle und in Höhe des bestehenden Rentenanspruchs zu zahlen und diese Rente um einen Kinderzuschuß zu erhöhen gewesen ist, iS des § 39 Abs 1 Satz 1 AVG der Berechtigte vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt hat. Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht von dem Urteil des BSG vom 26. Februar 1987 (BSG SozR 2200 § 1262 Nr 39) ab. Hierin hat der damalige 4a-Senat des BSG ausgesprochen, daß dann, wenn ein Versicherter für eine Zeit vor dem 1. Januar 1984 vom Zeitpunkt des fiktiven Rentenbeginns an Anspruch auf vorgezogenes Übg gehabt hat (§ 1241d Abs 1 Satz 2 RVO) und hierdurch für die Zeit des Leistungsbezuges ein Anspruch auf Versichertenrente verdrängt worden ist (§ 1241d Abs 2 Satz 2 RVO), vor dem 1. Januar 1984 ein Anspruch auf Kinderzuschuß nicht bestanden hat. Dem pflichtet der erkennende Senat bei. Der Sachverhalt im vorliegenden Rechtsstreit ist jedoch anders gelagert. Die Klägerin hat in der Zeit vor dem 1. Januar 1984 nicht einen Anspruch auf vorgezogenes Übg gehabt, durch welchen ein Anspruch auf Versichertenrente verdrängt worden ist, sondern sie hat umgekehrt mangels eines Anspruchs auf vorgezogenes Übg einen Anspruch auf Versichertenrente gehabt, an deren Stelle und in deren Höhe ihr gemäß § 18d Abs 5 AVG Übg zu zahlen gewesen ist. Über diese spezifische Fallkonstellation ist im Urteil vom 26. Februar 1987 (aaO) nicht entschieden worden.

Die Revision der Beklagten muß ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173337

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