Verfahrensgang

SG Berlin (Urteil vom 23.11.1984; Aktenzeichen S 73 Kr 336/83-4)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 1984 – S 73 Kr 336/83-4 – aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beigeladene zu 3) während einer Beschäftigung im Jahre 1978 in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungs- und in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig war.

Die Klägerin ist ein sogenanntes Zeitarbeitsunternehmen und besitzt die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Sie beschäftigte in den Jahren 1978 bis 1982 im Raum Stuttgart eine Anzahl Personen, überwiegend Studenten, vereinzelt auch Schüler. In den schriftlichen „Mitarbeiterverträgen”, nach denen die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden betrug, war eine Befristung der Beschäftigungsverhältnisse oder eine Beschränkung der Arbeit auf die Ferien in der Regel nicht vereinbart. Tatsächlich wurde jedoch weitgehend in den Semester- bzw Schulferien gearbeitet.

Die Beklagte stellte durch Einzelbescheide vom 23. Dezember 1982 für 63 Arbeitnehmer Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) fest. Einer dieser Bescheide bezog sich auf die Beigeladene zu 3). Diese war nach den Feststellungen des Sozialgerichts (SG) von 1975 bis 1979 eingeschriebene Studentin der Universität Stuttgart gewesen, an der die Vorlesungszeit des Wintersemesters 1977/78 bis zum 18. Februar 1978 gedauert und die des Sommersemesters 1978 am 10. April 1978 begonnen hatte. Die Beigeladene zu 3) war von der Klägerin durch einen Mitarbeitervertrag zum 3. Februar 1978 als Maschinenschreiberin im Großraum Stuttgart eingestellt worden. Sie hatte vom 3. Februar bis 17. März 1978 gegen ein Entgelt von 3.149,– DM gearbeitet und war in dieser Zeit nicht durch Lehrveranstaltungen oder sonstige mit dem Studium zusammenhängenden Anforderungen belastet gewesen.

Für die Beigeladene zu 3) forderte die Beklagte in dem Bescheid vom 23. Dezember 1982 Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 715,62 DM. Arbeitnehmer, die auf unbefristete Zeit beschäftigt würden und deren Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteige, unterlägen grundsätzlich der Versicherungspflicht. Der errechnete Beitrag sei dem Konto der Klägerin belastet worden. Diese erhob gegen alle Einzelbescheide Widersprüche und berief sich auf die Versicherungsfreiheit für Werkstudenten. Die Beklagte wies die Widersprüche für 57 Arbeitnehmer, für die Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 51.821,76 DM gefordert waren, in dem gemeinsamen, auch die Beigeladene zu 3) betreffenden Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1983 zurück.

Die Klägerin hat Klage beim SG Stuttgart erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit durch Urteil vom 10. August 1983 an das für den Sitz der Klägerin örtlich zuständige SG Berlin verwiesen. Das SG Berlin hat nach Beiladung der Träger der Rentenversicherung und der BA das Verfahren in mehrere – für jeden einzelnen Arbeitnehmer – zerlegt. In dem Rechtsstreit, der die Beigeladene zu 3) betrifft und in dem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 1) sowie die BA (Beigeladene zu 2) beigeladen sind, hat es durch Urteil vom 23. November 1984 – S 73 Kr 336/83-4 – den Bescheid vom 23. Dezember 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1983 aufgehoben, soweit er die Beigeladene zu 3) betrifft. Die Beigeladene sei nach § 172 Abs. 1 Nr. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungsfrei gewesen. Es hat die Sprungrevision zugelassen.

Die Beklagte hat die Revision eingelegt. Sie hält an ihrer im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung fest und führt im wesentlichen aus: Ob für die Studenten Versicherungsfreiheit bestanden habe, müsse in einer auf den Beginn der Beschäftigung abstellenden, vorausschauenden Betrachtungsweise beurteilt werden, wie das Bundessozialgericht (BSG) im Zusammenhang damit, ob eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung vorliege, bereits durch Urteil vom 20. Oktober 1960 (BSGE 13, 98) entschieden habe. Im Anschluß an die weiteren Urteile des BSG vom 31. Oktober 1967 (BSGE 27, 192 = SozR Nr. 3 zu § 1228 RVO), vom 16. Juli 1971 (SozR Nr. 13 zu § 172 RVO), vom 26. (nicht: 25.) Juni 1975 (BSGE 40, 93 = SozR 2200 § 172 Nr. 3) und vom 10. September 1975 (SozR 2400 § 2 Nr. 3) bestehe nach Ansicht der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger Versicherungsfreiheit auch für solche Studenten, die zwar 20 Stunden oder mehr pro Woche arbeiteten, deren Beschäftigungsverhältnis aber von vornherein auf nicht mehr als zwei Monate befristet sei. Stelle sich später heraus, daß die Beschäftigung länger als zwei Monate dauern werde, so trete von da an Versicherungspflicht ein. Unabhängig davon sei Versicherungsfreiheit auch noch bei solchen Beschäftigungen anzunehmen, die zwar länger als zwei Monate dauerten, aber ausschließlich auf die vorlesungsfreie Zeit (Semesterferien) begrenzt seien. Hier aber lägen nach den Verträgen unbefristete, vollschichtige Arbeitsverhältnisse mit weiteren, ein Dauerarbeitsverhältnis kennzeichnenden Merkmalen vor. Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung bestehe unter diesen Umständen nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Revision für unbegründet. Die Beklagte übertrage in unzulässiger Weise die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung auf den für die sogenannten Werkstudenten geltenden Versicherungsfreiheits-Tatbestand. Eine in den Semesterferien ausgeübte Beschäftigung sei versicherungsfrei, auch wenn 20 Arbeitsstunden wöchentlich überschritten würden. Hierfür sprächen ua die Urteile des BSG vom 21. Juli 1977 (BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr. 3), vom 30. Januar 1980 (SozR 2200 § 172 Nr. 12) und vom 22. Februar 1980 (BSGE 50, 25 = SozR 2200 § 172 Nr. 14). Die Beigeladene zu 3) sei auch tatsächlich nur in den Semesterferien beschäftigt gewesen und habe nie die Absicht verfolgt, ihre Arbeit für die Klägerin über den Beginn des Sommersemesters 1978 hinaus fortzusetzen. Dieses sei auch ausdrücklich besprochen gewesen. Wenn das Arbeitsverhältnis im schriftlichen Vertrag nicht von vornherein datumsmäßig genau begrenzt worden sei, so habe das im Interesse der Studenten gelegen, die hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in dieser Weise hätten gebunden sein wollen. Die Beklagte nehme dagegen allein anhand des formularmäßigen schriftlichen Vertrages, der zugegebenermaßen einige hier nicht passende Formulierungen enthalte, einen rein formalen Standpunkt ein, der dem Sachverhalt nicht gerecht werde. Vorsorglich mache sie (die Klägerin) aufgrund der getroffenen Absprachen auch Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung geltend. Die Klägerin hat dem Senat auf Anfrage mitgeteilt, die Beigeladene zu 3) sei an eine andere Firma überlassen gewesen.

Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet.

Der Senat hat zunächst geprüft, ob zum Rechtsstreit zwischen der Klägerin (Verleiherin) und der Beklagten (Einzugsstelle) um die Versicherungs- und Beitragspflicht der beigeladenen Arbeitnehmerin der Entleiher gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen war, weil dieser für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers wie ein selbstschuldnerischer Bürge haftet (§ 393 Abs. 3 Satz 1 RVO, § 118 Abs. 1 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes –AVG– und § 179 Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes –AFG–). Bei einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung, wie sie hier vorliegt, ist Arbeitgeber allein der Verleiher. Nur zwischen ihm und dem Arbeitnehmer auf der einen Seite und der Einzugsstelle sowie gegebenenfalls – wenn die entsprechende Versicherungs- oder Beitragspflicht im Streit ist – auch dem Rentenversicherungsträger und der BA auf der anderen Seite besteht das streitige Rechtsverhältnis. Der Entleiher ist daran allein wegen der genannten Haftung für die Zahlungspflicht nicht derart beteiligt, daß auch ihm gegenüber die Entscheidung nur einheitlich ergehen kann. Er hat vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits auch nichts Nachteiliges zu befürchten. Nach hM würde eine hier zugunsten der Einzugsstelle als Gläubigerin und gegen die Klägerin als Hauptschuldnerin von Beiträgen ergehende Entscheidung nicht gegen den Entleiher als gesetzlich haftenden Bürgen wirken (vgl. BGHZ 76, 222, 230/231). Davon abgesehen, ist der Entleiher vor einer Inanspruchnahme durch die Beklagte auch sicher, wenn sie, wie im angefochtenen Bescheid angekündigt, das Konto der Klägerin bereits mit den Beiträgen belastet hat.

Ob die Beigeladene zu 3) versicherungs- und beitragspflichtig oder als Studierende nach § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG, § 169 Nr. 1 AFG versicherungs- und beitragsfrei war, kann nach den bisherigen Feststellungen des SG noch nicht abschließend entschieden werden.

Aufgrund der genannten Vorschriften ist ua versicherungs- und beitragsfrei, wer während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender an einer Hochschule gegen Entgelt beschäftigt ist. Die Beigeladene zu 3) war im Wintersemester 1977/78 und im Sommersemester 1978 Studentin an der Universität Stuttgart. Das BSG hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Frage befaßt, unter welchen näheren Voraussetzungen nach den genannten Vorschriften ausnahmsweise Versicherungs- und Beitragsfreiheit besteht und wann es bei dem Grundsatz der Versicherungs- und Beitragspflicht der abhängig Beschäftigten bleibt (BSGE 18, 254 = SozR Nr. 11 zu § 172 RVO; BSGE 27, 192 = SozR Nr. 3 zu § 1228 RVO; BSGE 33, 229 = SozR Nr. 14 zu § 172 RVO; BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr. 2; BSGE 40, 93 = SozR 2200 § 172 Nr. 3; SozR 2400 § 2 Nr. 3; BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr. 3; SozR 2200 § 1228 Nr. 9; BSGE 50, 25 = SozR 2200 § 172 Nr. 14). In dem letztgenannten Urteil hat der Senat zusammenfassend ua ausgeführt: Die Beschäftigung sei versicherungsfrei, wenn sie „neben” dem Studium, dh ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet, ausgeübt werde, das Studium also die Haupt-, die Beschäftigung die Nebensache sei. Umgekehrt sei derjenige, der seinem „Erscheinungsbild” nach zum Kreis der Beschäftigten gehöre, durch ein gleichzeitiges Studium nicht versicherungsfrei; Versicherungsfreiheit bestehe vielmehr nur für solche Personen, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch ihr Studium beansprucht werde. Soweit es hiernach auf das „Erscheinungsbild” ankomme, seien zu dessen Feststellung alle insoweit erheblichen Umstände des einzelnen Falles zu beachten (BSGE 50, 25, 26, 27). Diese Grundsätze konkretisierend, hat der Senat darin, daß während des Semesters eine Arbeitszeit von wöchentlich 20 Stunden überschritten wird, ein wesentliches Beweisanzeichen für Versicherungspflicht gesehen (BSGE 50, 25, 27; vgl. aber SozR 2200 § 1228 Nr. 9). Die Erwerbstätigkeit eines Studenten während der – von Studienanforderungen freien – Semesterferien sei hingegen unabhängig vom Umfang der Tätigkeit nicht versicherungspflichtig (BSGE 50, 25). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Das Vorbringen der Beteiligten gibt jedoch zu einigen Ergänzungen Anlaß.

Dem schriftlichen Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3) kommt nicht die allein entscheidende Bedeutung zu, die ihm die Beklagte beimißt. Vielmehr sind dafür, ob jemand nach seinem „Erscheinungsbild” Arbeitnehmer oder Student ist, alle erheblichen Umstände des einzelnen Falles heranzuziehen. Die Klägerin hat schon vor dem SG vorgetragen, daß der formularmäßig abgeschlossene schriftliche Vertrag den tatsächlichen Vereinbarungen der Vertragspartner nicht entsprochen habe. Auch hat sie dafür, daß nur eine begrenzte, mit dem Studium vereinbare Beschäftigung beabsichtigt gewesen sei, obwohl schriftlich ein unbefristeter Vertrag geschlossen worden ist, eine Erklärung angeführt, die in Fällen der vorliegenden Art. (Einsatz von Studenten durch ein Zeitarbeitsunternehmen) nicht von der Hand zu weisen ist, daß man nämlich – ungeachtet einer grundsätzlich nur für die Semesterferien beabsichtigten Arbeit – deren genaues Ende nicht von vornherein habe festlegen können oder wollen. Unter diesen Umständen kann allein aus dem schriftlichen Mitarbeitervertrag nicht zwingend darauf geschlossen werden, daß die Beigeladene zu 3) ihrem „Erscheinungsbild” nach Arbeitnehmerin gewesen sei. Umgekehrt ließe sich aus einem schriftlich auf die Semesterferien befristeten Mitarbeitervertrag nicht ausnahmslos das „Erscheinungsbild” einer Studentin ableiten, wenn in Wirklichkeit eine längere Beschäftigung beabsichtigt gewesen und uU auch verrichtet worden wäre.

Auf der anderen Seite kann Versicherungsfreiheit nach § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG, § 169 Nr. 1 AFG nicht allein deswegen angenommen werden, weil die Beschäftigung – rückschauend betrachtet – tatsächlich (im wesentlichen) nur in den von Studienanforderungen freien Semesterferien ausgeübt worden ist. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß die Frage, ob Versicherungs- und Beitragspflicht oder -freiheit vorliegt, in einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen ist. Dieses hat das BSG mehrfach entschieden, und zwar im Zusammenhang mit der Jahresarbeitsverdienstgrenze des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO (BSGE – GS– 23, 129 = SozR Nr. 49 zu § 165 RVO; BSGE 24, 262 = SozR Nr. 50 zu § 165 RVO; SozR Nr. 59 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 165 Nr. 15), mit der Geringfügigkeitsgrenze (vgl. heute § 168 RVO und § 4 Abs. 1 Nr. 5 AVG, jeweils iVm § 8 SGB 4; BSG SozR 2100 § 8 Nr. 4; zu einer früheren Regelung in der Arbeitslosenversicherung: BSGE 13, 98) und schließlich im Zusammenhang mit dem regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommen iS des § 205 Abs. 1 Satz 1 Halbs 1 RVO (SozR 2200 § 205 Nr. 41). Ein Bedürfnis, die versicherungsrechtliche Beurteilung vorausschauend vorzunehmen, besteht auch hier, insbesondere für den Bereich der Krankenversicherung. Zwar war die Beigeladene zu 3), auch wenn ihre Beschäftigung nicht versicherungspflichtig war, als Studentin nach § 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO geschützt. Ob ihr aber bei Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zustand sowie in welcher Höhe und von wem die Beiträge zu entrichten waren, hängt davon ab, ob sie nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 oder nach § 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO versichert war. Die demnach grundsätzlich gebotene vorausschauende Betrachtungsweise schließt es indes nicht aus, in einer später tatsächlich auf die Semesterferien beschränkt gebliebenen Beschäftigung eine gewisse Bestätigung dafür zu finden, daß dieses von vornherein so beabsichtigt war, falls sich keine Anhaltspunkte für das Gegenteil finden.

Die bisherigen Ausführungen des SG lassen nicht erkennen, ob es die dargelegten Grundsätze hinreichend beachtet hat, ob es insbesondere zu seiner Entscheidung in einer vorausschauenden, dh hier von einer auf den Beginn des Monats Februar 1978 abstellenden Betrachtungsweise gelangt ist und dabei alle erheblichen Umstände des vorliegenden Sachverhalts berücksichtigt hat. Die erforderlichen weiteren Feststellungen wird das SG noch zu treffen und eine erneute Gesamtwürdigung vorzunehmen haben.

Hiernach wird das SG zunächst ermitteln müssen, ob das Vorbringen der Klägerin zutrifft, daß entgegen dem schriftlichen Vertrag von vornherein eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 3) beabsichtigt war, die ihrem Studium untergeordnet und deshalb mit ihrem „Erscheinungsbild” als Studentin noch vereinbar war, weil sie sich entweder im wesentlichen auf die von Studienanforderungen freien Semesterferien oder – bei Fortdauer im Semester – auf einen mit den Anforderungen des Studiums zu vereinbarenden zeitlichen Umfang beschränken sollte. Die Unterordnung einer Beschäftigung unter das „Erscheinungsbild” eines Studenten könnte dabei vor allem dann naheliegen, wenn die Beschäftigung bei oder kurz vor Beginn der Semesterferien aufgenommen worden ist und sich kein Anhalt dafür ergibt, daß das Studium aufgegeben oder es in Zukunft einer abhängigen Beschäftigung untergeordnet werden sollte. Denn dieses wird, zumal mitten im Studium, nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme sein.

Sollte das SG etwa zu dem Ergebnis gelangen, daß bei der Beigeladenen zu 3) Versicherungs- und Beitragsfreiheit nach § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG, § 169 Nr. 1 AFG nicht vorlag, wird es weiter prüfen müssen, ob Versicherungsfreiheit nach § 168 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 5 AVG iVm § 8 des Sozialgesetzbuchs – Allgemeine Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB 4) sowie Beitragsfreiheit nach dem AFG gegeben war. Hierauf beruft sich die Klägerin vorsorglich. Insoweit ist indessen zu beachten, daß beide Regelungskomplexe selbständig nebeneinander stehen; insbesondere dürfen die Anforderungen an die Versicherungs- und Beitragsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung nicht auf die Anwendung des § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO und des § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG übertragen werden. Soweit das Vorbringen der Beklagten hierauf hinausläuft, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Der Tatbestand der Versicherungsfreiheit, den das Gesetz für Werkstudenten vorsieht, hätte keinen eigenen Anwendungsbereich mehr, wenn Werkstudenten nur dann versicherungs- und beitragsfrei wären, wenn sie (auch) die Voraussetzungen der Versicherungs- und Beitragsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung im Sinne der genannten Vorschriften erfüllen würden.

In seiner das Verfahren abschließenden Entscheidung wird das SG auch darüber zu befinden haben, inwieweit die Beteiligten – einschließlich des Revisionsverfahrens – außergerichtliche Kosten zu erstatten haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI921519

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