Leitsatz (amtlich)

Ein Facharbeiter (Dreher), der seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann und deswegen im Betrieb seines Arbeitgebers durch eine - vom Arbeitsamt antragsgemäß eingeleitete und vom Rentenversicherungsträger mitfinanzierte - Maßnahme der Berufsförderung für eine leichte Montagetätigkeit ausgebildet worden ist, kann nach RVO § 1246 Abs 2 S 3 auf diese Tätigkeit - unabhängig von ihrer Zumutbarkeit nach RVO § 1246 Abs 2 S 2 - jedenfalls dann verwiesen werden, wenn die Ausbildung nach einem bestimmten Plan erfolgt ist und mindestens 3 Monate gedauert hat (Fortführung von BSG 1977-09-21 4 RJ 73/76).

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23, S. 3 Fassung: 1957-02-23, § 1237 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23, § 1237a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07, Abs. 2 S. 2 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 09.10.1975; Aktenzeichen L 6 J 33/75)

SG Gießen (Entscheidung vom 28.11.1974; Aktenzeichen S 10 J 328/73)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Oktober 1975 und des Sozialgerichts Gießen vom 28. November 1974 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. August 1973 wird in vollem Umfange abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht Rente wegen Berufsunfähigkeit. Er ist 1925 geboren, gelernter Dreher und seit 1951 in einem Großbetrieb der optischen Industrie (...) beschäftigt. Bis 1972 verrichtete er in seinem erlernten Beruf "schwierige Facharbeiten, deren Ausführung langjährige Berufserfahrung voraussetzt ..." (Lohngruppe 9 des Firmentarifs = Lohngruppe 7 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 10. Mai 1966). Diese Tätigkeit mußte er wegen eines Krampfaderleidens aufgeben; er kann seitdem nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen verrichten. Nachdem er im Herbst 1972 beim Arbeitsamt die Einleitung berufsfördernder Maßnahmen beantragt und der Sozialärztliche Dienst der Beklagten eine Umschulung zum Montagearbeiter befürwortet hatte, wurde er im Winter 1972/73 in einer viermonatigen betrieblichen Ausbildung, zu der die Beklagte einen Einarbeitungszuschuß gewährte, als Montagearbeiter angelernt; die Ausbildung beendete er nach einer Mitteilung des Arbeitsamts an die Beklagte "zur Zufriedenheit". Anschließend wurde er zunächst nach einer Lohngruppe für gelernte Arbeiter entlohnt. Seit August 1974 ist er in eine Lohngruppe eingestuft, die ua einfache Arbeiten umfaßt, deren Ausführung eine Zweckausbildung, dh eine Ausbildung für bestimmte Arbeitsverrichtungen, die nicht nur nach Anweisung ausgeführt werden können, und zusätzliche Erfahrung erfordert (Lohngruppe 4 des Firmentarifs = 3 des genannten Hessischen Manteltarifs).

Das Landessozialgericht (LSG) hat - entgegen dem Bescheid der Beklagten vom 7. August 1973, aber in Übereinstimmung mit dem Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 28. November 1974 - den Kläger für die Zeit ab August 1974 als berufsunfähig angesehen: Eine Verweisung des Klägers auf die Montagetätigkeit sei wegen ihrer "minimalen" Qualifikation und des erheblichen Lohnunterschiedes zu der früheren, fast 30 Jahre lang ausgeübten Drehertätigkeit nicht zumutbar. Auch auf andere berufsfremde Tätigkeiten könne er nicht verwiesen werden, weil ihm insoweit entweder die fachliche Qualifikation fehle oder der Arbeitsmarkt verschlossen sei; das gelte insbesondere für eine Tätigkeit als Prüfer in der Endkontrolle, als Magazinverwalter, als Werkzeugausgeber und als Lohnrechner. Die Anhörung eines von der Beklagten benannten berufskundlichen Sachverständigen hat das LSG nicht für erforderlich gehalten (Urteil vom 9. Oktober 1975).

Die Beklagte rügt mit der vom Senat zugelassenen Revision eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch das LSG. Außerdem habe dieses § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unrichtig angewendet: Entgegen seiner Ansicht könne der Kläger außer auf die Montagetätigkeit auch auf berufsfremde ungelernte Tätigkeiten nicht ganz einfacher Art verwiesen werden, die es in vielen Wirtschaftsbereichen gebe, zB Überwachungs- und Kontrollarbeiten, die Bedienung von Apparaten usw.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Seiner Ansicht nach genügt die Verfahrensrüge der Beklagten nicht den Anforderungen des § 164 SGG. Im übrigen habe sich sein vom LSG angenommenes Leistungsvermögen erheblich verschlechtert; dazu müßten, wenn es darauf ankommen sollte, neue Feststellungen getroffen werden. Eine Verweisung auf die Montagetätigkeit sei für ihn wegen der "Degradierung um vier Lohngruppen" nicht zumutbar. Schließlich sei eine Überprüfung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dem - von den Senaten des BSG unterschiedlich ausgelegten - Begriff der Berufsunfähigkeit durch den Großen Senat des BSG erforderlich; diese werde hilfsweise beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger ist entgegen der Ansicht des LSG noch nicht berufsunfähig iS des § 1246 Abs 2 RVO.

Der Senat läßt unentschieden, ob die auf § 103 SGG gestützte Verfahrensrüge der Beklagten durchgreift, das LSG habe ihrem Antrag auf Anhörung eines von ihr benannten berufskundlichen Sachverständigen ohne hinreichende Begründung nicht entsprochen. Auch wenn diese Rüge, wie der Kläger und Revisionsbeklagte meint, nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG genügen sollte, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, welche Umstände das LSG zu der beantragten Beweiserhebung hätten veranlassen müssen, in welcher Richtung und auf welchem Wege dies hätte geschehen sollen und zu welchem Ergebnis die weiteren Ermittlungen geführt hätten (vgl SozR SGG § 164 Nr 24 und Nr 28), muß die Revision doch Erfolg haben, weil der Kläger schon nach dem vom LSG unangegriffen festgestellten Sachverhalt nicht berufsunfähig ist. Dabei hat der Senat die Feststellungen des LSG auch insoweit zugrunde gelegt, als sie das dem Kläger noch verbliebene körperliche Leistungsvermögen betreffen. Ob dieses inzwischen weiter gesunken ist, wie der Kläger im Revisionsverfahren vorgetragen hat, ist vom Senat nicht zu prüfen, da in dieser Instanz neue, insbesondere nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG eingetretenen Tatsachen nicht berücksichtigt werden können. Der Senat hat deshalb davon auszugehen, daß der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen verrichten kann. Dieses Leistungsvermögen reicht aus, um die vom Kläger 1973 aufgenommene Montagetätigkeit auszuüben.

Die Montagetätigkeit ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht auch zuzumuten. Dabei läßt der Senat offen, ob sie ihm iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO, dh unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit, zugemutet werden kann. Da der Kläger als gelernter Dreher zu den Facharbeitern gehört, und zwar nach seiner letzten Lohngruppe vor Aufgabe der Drehertätigkeit zu den qualifizierten Facharbeitern, könnte es fraglich sein, ob die nach viermonatiger betrieblicher Ausbildung aufgenommene Montagetätigkeit in den Kreis der nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zumutbaren Tätigkeiten fällt, - obwohl nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich auch Facharbeiter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden können, wenn diese sich aus den einfachen Tätigkeiten durch besondere berufliche Anforderungen deutlich herausheben, was jedenfalls für solche Tätigkeiten zutrifft, die tariflich wie Ausbildungsberufe eingestuft sind (vgl Urteil des Senats vom 19. Oktober 1977, 4 RJ 141/76 mwN). Beim Kläger könnte die Verweisbarkeit mit Rücksicht auf seine berufliche Qualifikation und die langjährige Ausübung der Facharbeitertätigkeit stärker eingeschränkt sein, als dies sonst bei Facharbeitern der Fall ist. Diese Frage braucht hier indessen nicht abschließend entschieden zu werden. Ebensowenig braucht der Senat zu der vom Kläger aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob und in welchen Punkten sich die Rechtsprechung des erkennenden Senats, was die Verweisbarkeit von Facharbeitern betrifft, von der des 5. Senats des BSG unterscheidet (vgl dessen Urteile vom 26. September 1974, BSGE 38, 153, 156; vom 24. Oktober 1975, 5 RJ 35/75; vom 20. Januar 1976, BSGE 41, 129, 135 f; vom 30. März 1977, SozR 2200 § 1246 RVO Nr 16; vom 27. April 1977, SozR 2200 § 1246 RVO Nr 17; vom 29. Juni 1977, 5 RJ 132/76 und vom 22. September 1977, 5 RJ 96/76).

Im vorliegenden Fall ist die fragliche Montagetätigkeit dem Kläger jedenfalls nach § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO zuzumuten. Nach dieser Vorschrift ist "zumutbar stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist". Zu den genannten Maßnahmen (§§ 1236 ff RVO) gehörten im Rahmen der Berufsförderung nach § 1237 Abs 3 RVO idF, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881), dh bis zum 30. September 1974, galt und deshalb noch auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist,

a)

Maßnahmen zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf,

b)

Ausbildung für einen anderen nach der bisherigen Berufstätigkeit zumutbaren Beruf,

c)

Hilfe zur Erhaltung oder zur Erlangung einer Arbeitsstelle.

Von diesen Maßnahmen kommen hier nur die zu b) und c) genannten in Betracht, da der Kläger in seinem bisherigen Dreherberuf nicht mehr tätig sein kann. Eine "Ausbildung für einen anderen ... Beruf" (b) - in der hier gemeinten weiten Bedeutung - umfaßte auch eine Umschulung iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO, die sich sonst von einer Ausbildung im engeren Sinne (vgl § 1237a Abs 1 Nr 3 RVO idF des RehaAnglG: Ausbildung und Umschulung) dadurch unterscheidet, daß der Versicherte vorher "eine andere als die durch die Teilnahme an der Maßnahme angestrebte Berufstätigkeit ausgeübt haben muß" (Urteil des 7. Senats vom 21. Juli 1977, 7 RAr 135/75, S 10). Nicht zur "Ausbildung für einen anderen ... Beruf" - und deshalb auch nicht zur Ausbildung und Umschulung iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO - gehörte dagegen die in § 1237 Abs 3 Buchst c RVO aF besonders genannte "Hilfe zur Erhaltung oder zur Erlangung einer Arbeitsstelle" (vgl jetzt § 1237a Abs 1 Nr 1 RVO idF des RehaAnglG). Rehabilitationsmaßnahmen, die sich auf eine der zuletzt genannten Hilfen beschränkten, konnten (und können) mithin einem Versicherten keine iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO zumutbaren Tätigkeiten erschließen.

Nicht ausreichend sind insoweit nach dem Urteil des Senats vom 21. September 1977 (4 RJ 73/76) ferner Förderungsmaßnahmen, die lediglich einer Einarbeitung auf einem anderen Arbeitsplatz dienen. Solche Maßnahmen, zu denen auch die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses gehört, sind durch das RehaAnglG den Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes zugeordnet worden (§ 1237a Abs 1 Nr 1 RVO nF: "einschließlich Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme und Eingliederungshilfen an Arbeitgeber"; vgl dazu die Erläuterungen von Kugler zu § 1237a Abs 1 Nr 1 RVO in der vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger herausgegebenen Schrift zum RehaAnglG; vgl ferner § 54 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -). Der von der Beklagten gewährte Einarbeitungszuschuß begründet deshalb für sich allein keine Verweisbarkeit des Klägers auf die neu aufgenommene Montagetätigkeit.

Indessen erschöpfen sich die getroffenen Rehabilitationsmaßnahmen nicht in der Gewährung eines Zuschusses durch die Beklagte. Das Arbeitsamt hat vielmehr auf Anregung des Klägers und zusammen mit dem Arbeitgeber einen viermonatigen Ausbildungsplan aufgestellt; dieser sah für den ersten Monat einfache Montagearbeiten vor, für den zweiten Monat das Zusammensetzen von Einzelteilen, das Messen von Teilen, die Bedienung von Vorrichtungen, ferner die Pflege und Instandhaltung von Arbeitsgeräten und -einrichtungen, für die beiden letzten Monate schließlich schwierigere Montagearbeiten mit Justieren und Einregeln von Optik. Diese Ausbildung war mehr als eine bloße Einarbeitung auf einem anderen Arbeitsplatz, auch wenn sie von den Beteiligten während des Rehabilitationsverfahrens teilweise als "Einarbeitung" bezeichnet worden ist (die Benennungen wechselten, zum Teil wurde auch von einer Umschulung oder betrieblichen Einschulung gesprochen).

Wie eine Ausbildung oder Umschulung iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO von einer "Einarbeitung" begrifflich zu unterscheiden ist, braucht hier nicht allgemein geklärt zu werden. Ausreichend sind jedenfalls für die Anwendung des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO Maßnahmen, die - wie im Falle des Klägers - eine Vermittlung von Kenntnissen und/oder Fertigkeiten nach einem bestimmten Ausbildungsplan vorsehen und sich über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten erstrecken; diese Zeitgrenze wird auch in Tarifverträgen, besonders bei der Abgrenzung der Lohngruppen für Anlerntätigkeiten, verwendet (so zB im Lohnrahmenabkommen für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 19. Februar 1975, § 3; vgl auch Urteil des 5. Senats vom 19. Oktober 1967, 5 RKn 29/65, zitiert in SozR RKG § 45 Nr 40, wonach eine dreimonatige Einweisung und Einarbeitung neue Kenntnisse und Fertigkeiten iS des § 86 Abs 2 RKG vermittelt, mithin als "längere betriebliche Einweisung oder Einarbeitung" iS des Urteils vom 21. Januar 1966, SozR RKG § 86 Nr 4, anzusehen ist; vgl ferner Urteil desselben Senats vom 22. September 1977, 5 RJ 96/76, wonach auf eine Tätigkeit, die eine mehr als dreimonatige Einweisung oder Einarbeitung erfordert, grundsätzlich erst nach Abschluß der Ausbildung verwiesen werden kann).

Nicht erforderlich für die Anwendung des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO ist eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (vgl das genannte Urteil des Senats vom 21. September 1977), wie überhaupt der neue Beruf, zu dem der Versicherte ausgebildet oder umgeschult worden ist, nicht den Zumutbarkeitskriterien des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zu entsprechen braucht, sondern dem Versicherten nach § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO selbst dann zumutbar ist, wenn er "eine nach Art und Umfang weit weniger qualifizierte Ausbildung erfordert hat als der frühere Beruf" (SozR RVO § 1246 Nr 75 S Aa 67 Rs; vgl ferner BSGE 33, 16, 18 Mitte). Im übrigen ist zu beachten, daß das neue Rehabilitationsrecht bei berufsfördernden Maßnahmen nicht mehr darauf abstellt, ob die Ausbildung für einen anderen "nach der bisherigen Berufstätigkeit zumutbaren" Beruf erfolgt (§ 1237 Abs 3 Buchst b RVO aF), sondern es genügen läßt, daß Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit angemessen berücksichtigt werden (§ 1237a Abs 2 Satz 2 RVO). Dabei kann in diesem Zusammenhang unerörtert bleiben, ob und inwiefern die Änderung im Wortlaut zugleich eine sachliche Änderung des Gesetzes bedeutet (vgl dazu Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 15. Ergänzung, § 1237a Anm 8; Zweng/Scheerer, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1237a, Anm II zu Nr 3; Kugler in der genannten Schrift des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger zu § 1237a Abs 2 und 3 RVO).

Eine Ausbildung iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO braucht schließlich nicht in einem Berufsförderungswerk zu erfolgen, sondern kann auch in anderen Ausbildungsstätten oder in Betrieben durchgeführt werden (Kugler aaO zu § 1237a Abs 1 Nr 3 RVO). So hat schon der 1. Senat in einer früheren Entscheidung eine im Betrieb des späteren Arbeitgebers durchgeführte Ausbildung eines Bühnensängers auf den Beruf eines kaufmännischen Angestellten als eine Maßnahme iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO angesehen (SozR RVO § 1246 Nr 75; vgl ferner das genannte Urteil des Senats in einem Fall, in dem ein Versicherter auf Kosten einer Berufsgenossenschaft den Führerschein der Klasse 2 erworben hatte).

Der Kläger hat seine Ausbildung zum Montagearbeiter auch "mit Erfolg" beendet. Zu einer erfolgreichen Ausbildung (oder Umschulung) iS des § 1246 Abs 2 Satz 3 RVO gehört, daß, wenn sie mit einer Prüfung abschließt, diese bestanden ist, im übrigen, wie in der Regel bei einer innerbetrieblichen Ausbildung, daß der dafür aufgestellte Ausbildungsplan eingehalten worden ist, der Rehabilitand also die nach dem Plan zu vermittelnden Kenntnisse und/oder Fertigkeiten tatsächlich erworben hat. Weitere Erfordernisse enthält das Gesetz nicht, insbesondere verlangt es nicht, daß der Ausgebildete einen seiner Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz gefunden hat oder - noch weitergehend - auf einem solchen längere Zeit tätig gewesen ist. Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsamt der Beklagten bestätigt, daß der Kläger seine viermonatige Ausbildung "zur Zufriedenheit beendet" hat. Warum er, nachdem er als Montagearbeiter zunächst nach einer Lohngruppe für gelernte Arbeiter entlohnt worden ist, seit August 1974 nach einer niedrigeren Lohngruppe (4 des Firmentarifs = 3 des Hessischen Manteltarifs) entlohnt wird, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Im übrigen umfaßt auch diese Lohngruppe nach Feststellung des LSG Arbeiten, deren Ausführung zusätzliche Erfahrung und eine Ausbildung für bestimmte Arbeitsverrichtungen erfordert, die nicht nur nach Anweisung ausgeführt werden können.

Da der Kläger somit auf die seit 1973 ausgeübte Montagetätigkeit verwiesen werden kann und mit ihr, wie keinem Zweifel unterliegt, noch mindestens die Hälfte des für ihn maßgeblichen Vergleichslohnes eines gelernten Drehers (§ 1246 Abs 2 Satz 1 RVO) verdient, ist er entgegen der Ansicht des LSG noch nicht berufsunfähig. Dabei hat der Senat, wie ausgeführt, nur den vom LSG festgestellten Gesundheitszustand des Klägers und das ihm entsprechende Leistungsvermögen zugrunde gelegt, etwaige spätere Verschlechterungen also nicht berücksichtigt. Der Senat hat demgemäß auf die Revision der Beklagten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten in vollem Umfange als unbegründet abgewiesen, nachdem das SG die Klage für die Zeit vor August 1974 abgewiesen und der Kläger dagegen keine Berufung eingelegt hatte. Zu der von ihm beantragten Anrufung des Großen Senats des BSG bestand kein Anlaß, weil die Entscheidung des erkennenden Senats nicht von der Auslegung des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO (dessen einheitliche Anwendung in der Rechtsprechung des BSG der Kläger für gefährdet hält) abhängt.

Über die Kosten des Rechtsstreits hat der Senat nach § 193 SGG entschieden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651082

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