Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung - Ausgleichsverfahren - Umlagepflicht - nachträgliche Feststellung - Auszubildende - Angestelltenberuf - Wechselbeziehung - Beitrag - Versicherungsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Umlagepflicht nach dem LFZG besteht auch für den Arbeitgeber, der Beschäftigte zu Angestelltenberufen ausbildet.

2. Umlagebeträge für die Vergangenheit sind selbst dann zu zahlen, wenn der Arbeitgeber von der in § 10 Abs 2 S 1 LFZG angeordneten jährlichen Feststellung des Kreises der Ausgleichsberechtigten nicht erfaßt war (Bestätigung von BSG vom 16.12.1980 - 3 RK 18/79 = SozR 7860 § 10 Nr 4).

 

Normenkette

BBiG §§ 3, 19; LFZG § 1 Abs. 4, § 14 Abs. 1, § 10 Abs. 2; EntgFG § 1 Abs. 2; LFZG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BBiG § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b

 

Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Entscheidung vom 02.02.1994; Aktenzeichen L 3 K 31/93)

SG für das Saarland (Entscheidung vom 04.06.1993; Aktenzeichen S 1 K 83/92)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Umlage für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle.

Der Kläger hat eine Rechtsanwaltspraxis, in der er jedenfalls zwischen 1986 und 1991 regelmäßig Rechtsanwaltsgehilfen ausbildete. Im Anschluß an die Anmeldung einer versicherungspflichtigen Gehilfin ermittelte die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), daß der Kläger bisher weder am Ausgleichsverfahren nach § 10 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) noch an der Umlage nach § 14 LFZG beteiligt war. Mit Bescheid vom 6. Januar 1992 (Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 1992) stellte sie die Teilnahme am Ausgleichsverfahren vom 1. Januar 1986 an fest und erhob für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 30. September 1991 eine Umlage in Höhe von 1.263,76 DM. Wegen fehlender Angaben sei es nicht möglich, eventuelle Erstattungsansprüche des Klägers festzustellen und mit der Umlageforderung aufzurechnen.

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts vom 4. Juni 1993, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 2. Februar 1994). Das LSG hat ua ausgeführt: Das Ausgleichs- und Umlageverfahren des LFZG gelte seit 1. Januar 1986 auch für Arbeitgeber von Auszubildenden zu einem Angestelltenberuf, deren Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung sich nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und nicht nach dem LFZG richte. Denn dieser Personenkreis sei durch die Verweisung in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 LFZG auf § 12 Abs 1 Nr 2 Buchst b BBiG in das Ausgleichsverfahren und damit nach § 14 Abs 1 Satz 1 LFZG in das Umlageverfahren einbezogen. § 1 Abs 4 LFZG stehe dem nicht entgegen, denn darin sei lediglich festgelegt, daß auch Auszubildende zu Arbeiterberufen zu den "Arbeitern" iS des LFZG gehören. Die Umlagepflicht hänge nicht davon ab, ob die Krankenkasse nach § 10 Abs 2 Satz 1 LFZG ihrer Pflicht nachgekommen sei, jeweils zu Beginn des Kalenderjahres die am Ausgleich teilnehmenden Arbeitgeber festzustellen. Derartige Feststellungen hätten nach der Rechtsprechung (BSG SozR 7860 § 10 Nr 4) nur deklaratorische und keine konstitutive Bedeutung. Die Umlageforderung sei schließlich weder verjährt noch verwirkt.

Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung der §§ 1, 10 und 14 LFZG. Die Umlagepflicht von Ausbildern für Angestelltenberufe ergebe sich mit hinreichender Klarheit weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem Gesetzesaufbau. Die Auszubildenden zu Arbeiterberufen seien in § 1 Abs 4 LFZG dem Personenkreis der Arbeiter zugeordnet. Deshalb könnten die übrigen Vorschriften des LFZG nicht so ausgelegt werden, als erfaßten sie auch die Auszubildenden zu Angestelltenberufen. Außerdem habe das LSG den Unterschied zwischen Beiträgen und Umlagen nicht genügend beachtet: Nachträgliche Forderungen für bereits abgerechnete Zeiträume widersprächen dem Grundgedanken einer Umlage, die Aufwendungen für einen bestimmten Zeitraum auf die Verpflichteten gleichmäßig zu verteilen. Indem die Beklagte ihrer Verpflichtung zur jährlichen Feststellung der ausgleichsberechtigten Arbeitgeber nicht nachgekommen sei, habe sie ihn (den Kläger) daran gehindert, Erstattungen geltend zu machen. Das habe zur Verwirkung der Umlageforderung geführt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 2. Februar 1994, das Urteil des SG vom 4. Juni 1993

und den Bescheid vom 6. Januar 1992 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 1992 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat den angefochtenen Bescheid zu Recht bestätigt.

Der Bescheid vom 6. Januar 1992 regelt nicht nur die Umlagepflicht hinsichtlich der Lohnfortzahlung der zu Rechtsanwaltsgehilfinnen ausgebildeten Beschäftigten, sondern auch hinsichtlich der Leistungen bei Mutterschutz an alle Arbeitnehmerinnen. Auf die Umlagepflicht im Rahmen des Mutterschutzes braucht nicht näher eingegangen zu werden, denn gegen die Umlagepflicht als solche wendet sich der Kläger nur, soweit die Lohnfortzahlung an Auszubildende betroffen ist. Da sich die streitige Umlagepflicht auf den Zeitraum von 1988 bis 1991 bezieht, sind die diesbezüglichen Vorschriften in der damaligen Fassung, also insbesondere vor den am 1. Juni 1994 in Kraft getretenen Änderungen, anzuwenden.

Im Ergebnis bleiben die Einwände des Klägers ohne Erfolg. Das "Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz)" regelt in der hier einschlägigen Fassung neben der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an Arbeiter das sogenannte "Ausgleichsverfahren" unter den Arbeitgebern mit weniger als zwanzig Arbeitnehmern. Die am Ausgleichsverfahren teilnehmenden Arbeitgeber müssen eine nach der Lohnsumme bemessene "Umlage" leisten und können sich ihre Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung in bestimmtem Umfang erstatten lassen. Den Einzelvorschriften ist mit noch hinreichender Klarheit zu entnehmen, daß Arbeitgeber auch insoweit am Ausgleichsverfahren teilnehmen und damit zur Aufbringung der Mittel heranzuziehen sind, als die von ihnen zur Berufsausbildung Beschäftigten zu Angestelltenberufen ausgebildet werden. Die Umlagepflicht hängt nach § 14 Abs 1 LFZG von der Teilnahme am Ausgleichsverfahren ab. In dieses bezieht § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 LFZG auch die Arbeitgeber von Auszubildenden ein, die nach § 12 Abs 1 Nr 2 Buchst b BBiG Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall haben. Dieser Anspruch ist nicht auf die zu Arbeiterberufen Auszubildenden beschränkt; außer in den Fällen des hier nicht einschlägigen § 19 BBiG kommt es einzig darauf an, ob ein Berufsausbildungsvertrag nach § 3 BBiG vorliegt. Das ist bei der Ausbildung zum Rechtsanwaltsgehilfen vorgeschrieben (§ 28 Abs 1 BBiG, Verordnung vom 23. November 1987 über die Berufsausbildung zum Rechtsanwaltsgehilfen usw, BGBl I 2392). Der Senat geht davon aus, daß auch der Kläger mit den von ihm Auszubildenden jeweils Berufsausbildungsverträge abgeschlossen hat. Jedenfalls ergeben sich weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus der Akte Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme.

Die Verweisung in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 LFZG auf § 12 Abs 1 Nr 2 Buchst b BBiG erfaßt auch Auszubildende zu Angestelltenberufen und damit die beim Kläger zur Berufsausbildung Beschäftigten. Zwar dehnt § 1 Abs 4 LFZG den Arbeiterbegriff iS dieses Gesetzes auf die zur Berufsausbildung Beschäftigten aus, soweit sie nicht für einen Angestelltenberuf ausgebildet werden. Das erlaubt jedoch nicht den Schluß, die zur Berufsausbildung Beschäftigten mit dem Ausbildungsziel eines Angestelltenberufs gehörten zum Kreis der Angestellten, für die das LFZG überhaupt nicht gilt. Denn zum einen trifft das Gesetz über die Zuordnung von Ausbildungsbeschäftigungen zu Angestelltentätigkeiten keine Aussage. Zum andern hat die Zuordnung zu Arbeitertätigkeiten nach § 1 Abs 4 LFZG so geringe praktische Bedeutung, daß auch für den Umkehrschluß wenig Raum bleibt. Wegen des in § 1 Abs 5 LFZG angeordneten Vorrangs der Ansprüche auf Entgeltfortzahlung nach dem BBiG erfaßt § 1 Abs 4 LFZG nur diejenigen Beschäftigten zur Berufsausbildung, für die § 12 Abs 1 Nr 2 Buchst b BBiG keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung vorsieht. Das ist nur denkbar, wenn berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen (etwa als Volontär oder Praktikant) im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erworben werden sollen, was zwar die Anwendbarkeit von § 19 iVm § 12 BBiG ausschließt, in aller Regel aber mit der für Arbeitnehmer üblichen Entgeltfortzahlung verbunden ist. Daneben mag es Zweifelsfälle geben, für die § 1 Abs 4 LFZG eine wünschenswerte Klarstellung enthält und auf die sich notwendigerweise dann auch der vom Kläger gewünschte Gegenschluß zu beschränken hätte; keinesfalls handelt es sich jedoch um Berufsausbildungsverhältnisse nach § 3 BBiG, um die es bei den Gehilfen des Klägers ausschließlich geht.

Die Einwände des Klägers gegen die Gesetzessystematik greifen nicht durch. Freilich wäre es schon früher möglich gewesen, die im Ersten Abschnitt des LFZG, im BBiG und in mehreren anderen Gesetzen geregelten Ansprüche auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall gesetzessystematisch zusammenzufassen (so das am 1. Juni 1994 als Art 53 des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl I 1014 ≪1065≫, in Kraft getretene Entgeltfortzahlungsgesetz ≪EFZG≫) und den Ausgleich zwischen Arbeitgebern mit einer geringen Zahl von Arbeitern und Auszubildenden davon gesetzessystematisch zu trennen (jetzt §§ 10 ff LFZG in der vom 1. Juni 1994 an geltenden Fassung). Die Abgrenzung zwischen den arbeitsrechtlich Anspruchsberechtigten (Arbeiter, Angestellte und Auszubildende = "Arbeitnehmer" iS des § 1 Abs 2 EFZG) und den Anspruchsberechtigten iS des Ausgleichsverfahrens (Arbeiter und Auszubildende) wäre jedoch auch dann erforderlich gewesen; nur die zusätzliche Vorrangregelung zwischen verschiedenen arbeitsrechtlichen Ansprüchen (vgl § 1 Abs 5 LFZG) hätte entfallen können. Dabei ist einzuräumen, daß das seit 1. Juni 1994 geltende Recht übersichtlicher ist als das bisherige, indem es die Entgeltfortzahlungsansprüche für verschiedene Personengruppen zusammenfaßt und den mit einzelnen Gruppen verbundenen Lastenausgleich getrennt davon regelt. Weder die schlechte Übersichtlichkeit noch die fehlende Übereinstimmung zwischen Gesetzesüberschrift und Gesetzesinhalt bieten jedoch Anlaß, an der Rechtmäßigkeit oder Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichspflicht zu zweifeln. Daß in Gesetzen über soziale Leistungen auch geregelt ist, wie diese Leistungen zu finanzieren und die möglicherweise ungleich verteilten Belastungen umzuverteilen sind, stellt nichts Außergewöhnliches dar. Genau dieses regelt aber das LFZG in der hier noch anwendbaren Fassung.

Die daraus folgende Umlagepflicht, deren Höhe der Kläger nicht bestreitet, ist nicht verjährt, wie das LSG zutreffend und vom Kläger unangegriffen ausgeführt hat. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Die Umlagepflicht ist auch nicht dadurch entfallen, daß die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 10 Abs 2 Satz 1 LFZG nicht nachgekommen ist, zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres den Kläger als Ausgleichsberechtigten festzustellen. Zwar hat die vorgeschriebene jährliche Feststellung sicherlich auch den Zweck, den Umlagepflichtigen die Inanspruchnahme von Ausgleichsleistungen zu ermöglichen, damit die erforderlichen Mittel tatsächlich, wie es in § 14 Abs 1 LFZG heißt, "von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht" werden. Aber das Bundessozialgericht (BSG) hat der jährlichen Feststellung nach § 10 Abs 2 Satz 1 LFZG keine konstitutive Bedeutung beigemessen (BSG SozR 7860 § 10 Nr 4; BSG USK 80266). Denn ein Arbeitgeber muß auch dann am Ausgleich teilnehmen können, wenn er von der jährlichen Feststellung nicht erfaßt wird. Für die Umlagepflicht kann schwerlich etwas anderes gelten. In diesem Zusammenhang hat das BSG betont, die in den §§ 10 ff LFZG enthaltene Absicherung gegen das Lohnfortzahlungsrisiko werde in den Formen der Sozialversicherung durchgeführt, die das Versicherungsverhältnis grundsätzlich unabhängig vom Willen der Beteiligten, von der Erfüllung von Meldepflichten und von Beitragszahlungen entstehen lasse (BSG aaO). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Die Art der Finanzierung der Ausgleichsleistungen steht nachträglichen Feststellungen der Umlagepflicht nicht entgegen. Der jeweilige Arbeitgeberbeitrag ist in Vomhundertsätzen des gezahlten Arbeitsentgelts zu berechnen (§ 14 Abs 2 Satz 2 LFZG); entgegen dem Gesetzeswortlaut wird von den teilnehmenden Arbeitgebern also keine Umlage, sondern Beiträge wie zu einer Versicherung erhoben (Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, Stand: Januar 1995, § 14 LFZG RdNr 1). Bei einer solchen von den laufenden Ausgaben unabhängigen Berechnung stößt die Nacherhebung von Umlagebeiträgen keinesfalls auf Bedenken.

Schließlich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe keine Möglichkeit gehabt, selbst Ausgleichsleistungen in Anspruch zu nehmen, da ihm sein "Versicherungsschutz" gar nicht bekannt gewesen sei. Dieses Argument trägt weder unter dem Gesichtspunkt der Störung der durch § 14 Abs 1 LFZG geschaffenen Wechselbeziehung zwischen Umlagepflicht und Ausgleichsberechtigung noch nach den Grundsätzen der Verwirkung. Allerdings hat die Rechtsprechung schon immer anerkannt, daß die Beitragspflicht zur Sozialversicherung aufgehoben oder eingeschränkt sein kann, wenn das Versicherungsverhältnis erst nachträglich festgestellt wird und Leistungen erst nach der Feststellung in Anspruch genommen werden können. Dabei handelte es sich jedoch um Fälle, in denen der Versicherungsträger den Versicherungsschutz zunächst zu Unrecht verneint hatte (BSGE 69, 20 = SozR 3-2200 § 381 Nr 2; BSG SozR 2200 § 313 Nr 8; RVA AN 1937, 73; EuM 47, 166) oder sich durch eine Meldung gedrängt fühlen mußte, den Versicherten auf den bestehenden Versicherungsschutz hinzuweisen (BSGE 51, 89, 97 = SozR 2200 § 381 Nr 44 S 124f). Wenn die Unkenntnis des Versicherten vom Versicherungsschutz demgegenüber - etwa wegen der Verletzung von Meldepflichten - dem Verhalten des Versicherungsträgers nicht angelastet werden kann, ändert die nachträgliche Feststellung des Versicherungsverhältnisses nichts an der Beitragspflicht für zurückliegende Zeiträume (BSG SozR 5420 § 2 Nr 33 mwN). Mit diesen Grundsätzen führt die angegebene Rechtsprechung zu den gleichen Ergebnissen wie diejenige zur Verwirkung von Beitragsforderungen: Das Vertrauen des Beitragspflichtigen, ohne Versicherungsschutz nachträglich auch keine Beiträge mehr zahlen zu müssen, kann nur durch ein besonderes "Verwirkungsverhalten" des Versicherungsträgers begründet werden (BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; zur Winterbauumlage: BSG vom 29. Juli 1983 - 10 RAr 11/81 = DBlR 2775a AFG § 186a).

Ein Verhalten der Beklagten, das iS dieser Rechtsprechung zu einer vom Versicherungsträger zu vertretenden Störung der Wechselbeziehung zwischen Beitrag und Versicherungsschutz oder zur Verwirkung der Beitragsforderung geführt haben könnte, liegt nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte die Störung schon deshalb nicht zu verantworten hat, weil der Kläger nach § 17 LFZG iVm den Vorschriften für die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet gewesen sein könnte, die zur Lohnfortzahlungsversicherung führenden Beschäftigungsverhältnisse zu melden; hierfür wäre die entsprechende Anwendung der am 1. Januar 1989 außer Kraft getretenen § 317 Abs 1, § 318a Abs 1 der Reichsversicherungsordnung in Betracht zu ziehen sowie - seit dem 1. Januar 1989 - die entsprechende Anwendung des § 198 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) iVm § 28a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) bzw des § 206 SGB V. Denn auch unabhängig von einer Meldepflicht hat die Beklagte die Unkenntnis des Klägers von seiner Ausgleichsberechtigung nicht zu vertreten. Die nach § 10 Abs 1 LFZG für die Durchführung des Arbeitgeberausgleichs zuständigen Krankenkassen haben nämlich nicht die Aufgabe und nicht die Möglichkeit, sämtliche Arbeitgeber ihres Bezirks auf die Zahl der Beschäftigten zu überprüfen. Soweit Arbeitgeber Personen beschäftigen, die bei der fraglichen Krankenkasse versichert sind, wären hierfür zwar Anhaltspunkte gegeben; da eine derartige Überprüfung jedoch die Mitglieder von Ersatzkassen nicht erfassen könnte, wäre sie keinesfalls vollständig und deshalb nur von geringem Wert. Arbeitgeber, die ausschließlich Ersatzkassenmitglieder beschäftigen, könnten überhaupt nicht ermittelt werden. Im Hinblick auf das in mehrere Kassenarten gegliederte System der gesetzlichen Krankenversicherung kann sich die jährliche Feststellung nach § 10 Abs 2 Satz 1 LFZG mithin nur darauf beziehen, welche der - gemeldeten oder bereits bekannten - Arbeitgeber die in den Sätzen 2 bis 6 aufgestellten Voraussetzungen erfüllen.

Aus einer möglicherweise unvollständigen Ermittlung des Kreises der für die Ausgleichsleistung in Betracht kommenden Arbeitgeber durch die Beklagte kann der Kläger auch wegen des Grundsatzes der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen keine weitergehenden Rechte herleiten. Danach gelten Gesetze mit der Verkündung grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, so daß diese sich nicht auf deren Unkenntnis berufen können (vgl BSGE 72, 80 = SozR 3-1300 § 27 Nr 3; BSGE 67, 90 = SozR 3-1200 § 13 Nr 1 jeweils mwN). Im hier fraglichen Zeitraum hatte der Kläger nach dem angefochtenen Bescheid insgesamt nur acht umlagepflichtige Arbeitnehmerinnen und beschäftigte nicht mehr als fünf von ihnen gleichzeitig. Seine Kenntnis des LFZG unterstellt, muß er ihm unter diesen Umständen zumindest entnommen haben, daß er als Ausgleichsberechtigter in Betracht kam. Wenn er sich trotzdem nicht näher erkundigte, so kann das vielschichtige Gründe haben; möglicherweise waren Fehlzeiten nur selten, so daß die Lohnfortzahlung nicht als besonders lästig empfunden wurde. Keinesfalls ist es

aber der Beklagten anzulasten, wenn eventuelle Ansprüche zum Zeitpunkt der Feststellung der Umlagepflicht nicht mehr verwirklicht werden konnten.

Da die Vorinstanzen die Umlagepflicht des Klägers zu Recht bestätigt haben, ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

RegNr, 22418 (BSG-Intern)

NZA 1997, 342

Breith 1996, 813-817 (LT1-2)

EzS, 50/294 (LT1)

MDR 1996, 721-722 (LT)

SozR 3-7860 § 14, Nr 3 (LT1)

SozSich 1996, 480 (L)

Breith. 1996, 813

SozSi 1997, 318

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