Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 12.04.1990)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. April 1990 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Altersrente der Klägerin aus der US-amerikanischen Sozialversicherung ein auf ihre Witwenrente anrechenbares Einkommen iS des § 18a des Vierten Buches zum Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) ist.

Die Klägerin, die in den Vereinigten Staaten von Amerika lebt und amerikanische Staatsangehörige ist, bezieht von der Social Security Administration eine Altersrente, deren Höhe im Dezember 1986 459,60 US-Dollar abzüglich 28,60 US-Dollar Krankenversicherungsbeiträge betrug. Im Juni 1986 beantragte sie Witwenrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach ihrem bei der Beklagten versicherten, im April 1986 verstorbenen Ehemann. Mit Bescheid vom 19. Februar 1988 bewilligte die Beklagte Witwenrente ab 1. Mai 1986 und stellte fest, daß die amerikanische Altersrente Erwerbsersatzeinkommen iS des § 18a SGB IV sei, die Witwenrente aber gemäß § 1281 Reichsversicherungsordnung (RVO) weder ganz noch teilweise ruhe, weil das Erwerbsersatzeinkommen der Klägerin jedenfalls unter der Freibetragsgrenze des § 1281 RVO liege. Der Widerspruch der Klägerin dagegen blieb erfolglos (Bescheid vom 7. Juni 1988).

Die ua auf die Feststellung gerichtete Klage, daß die Altersrente aus der US-Social Security nicht als Erwerbsersatzeinkommen iS von § 18a Abs 1 Nr 2 SGB IV anzusehen sei, wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 22. Dezember 1988 ab. Die von der Klägerin gegen dieses Urteil unter Beschränkung auf die Feststellung eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 12. April 1990 zurück. Ausgehend von dem Grundsatz, daß es für die Vergleichbarkeit ausländischer Ersatzleistungen ausreiche, wenn diese in ihrem Kerngehalt den typischen Merkmalen der inländischen Erwerbsersatzeinkommen entsprächen, sei die Social Security Administration der USA als gesetzliche Rentenversicherung und die der Klägerin gezahlte Altersrente als eine dem deutschen Altersruhegeld vergleichbare Leistung anzusehen. Eine im Ausland bezogene Versichertenrente sei auch unabhängig davon als Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen, ob der Anspruch auf Versichertenrente eine – nach ausländischem Recht an sich zu gewährende – Hinterbliebenenrente verdränge. Der Ausnahmefall, daß die als Versichertenrente bezeichnete Leistung ihrer wirtschaftlichen Funktion nach die durch den Tod des Versicherten entstandene Versorgungslücke ausgleichen solle, liege nicht vor; die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenrente nach den US-amerikani-schen Vorschriften. Die Anrechnungsfreiheit der Altersrente aus der US-amerikanischen Sozialversicherung folge auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über soziale Sicherheit, da hierin gerade eine einschränkende Vorschrift zur Einkommensanrechnung, wie sie in anderen über- und zwischenstaatlichen Regelungen zu finden sei, fehle.

Die Klägerin hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie rügt eine Verletzung von § 1281 Abs 1 RVO und § 18a SGB IV, der Sache nach auch eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Dezember 1988 und des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. April 1990 festzustellen, daß die Altersrente der Klägerin aus der US-amerikanischen Rente nicht als Erwerbsersatzeinkommen gemäß § 18a Abs 1 Nr 2 SGB IV anzusehen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß die amerikanische Altersrente der Klägerin auf die Witwenrente der Klägerin anrechenbares Einkommen iS von § 1281 Abs 1 RVO iVm § 18a SGB IV ist.

Gemäß § 1281 Abs 1 Satz 1 RVO ruhen Witwen- oder Witwerrenten, wenn sie mit Erwerbseinkommen oder Erwerbsersatzeinkommen des Berechtigten iS von § 18a SGB IV zusammentreffen, in Höhe von 40 vH des Betrages, um den das nach den §§ 18a bis 18e SGB IV ermittelte monatliche Einkommen den Freibetrag übersteigt. Nach § 18a Abs 1 SGB IV sind bei einer Witwen-, Witwer- oder Hinterbliebenenrente an frühere Ehegatten als Einkommen zum einen „Erwerbseinkommen”, zum anderen „Erwerbsersatzeinkommen” zu berücksichtigen. Als „Erwerbsersatzeinkommen” definiert § 18a Abs 3 Satz 1 SGB IV zunächst in seiner ersten Hälfte durch den Katalog der Nrn 1-8 einzelne spezifische, abschließend aufgezählte (vgl BT-Drucks 10/2677 zu § 18a S 44) Geldleistungen aus dem innerstaatlichen Recht, in seiner zweiten Hälfte sodann im Stil einer Generalklausel auch „vergleichbare Ersatzleistungen, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs erbracht werden”. Die von der Klägerin bezogene amerikanische Altersrente gehört zu der zweiten Gruppe.

Diese Bewertung scheitert entgegen der Ansicht der Revision nicht schon daran, daß ausländisches Einkommen bzw Erwerbsersatzeinkommen von § 18a SGB IV überhaupt nicht erfaßt wird. Die gegenteilige Absicht des Gesetzgebers ergibt sich aus dem Gesetzestext wie auch aus den Gesetzesmaterialien. Die Formulierung in § 18a Abs 3 Satz 1, 2. Halbsatz SGB IV „Erwerbsersatzeinkommen iS des Abs 1 Nr 2 sind auch vergleichbare Ersatzleistungen, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzbuches erbracht werden”, kann nur so ausgelegt und verstanden werden, daß damit auch ausländische Sozialversicherungsrenten erfaßt werden. Einen deutschen Träger mit Sitz im Ausland, der für den Vollzug der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zuständig ist, gibt es nicht. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 10/2677, S 45) sind ausländische Sozialversicherungsrenten ausdrücklich genannt. Im übrigen entspricht es der herrschenden Meinung in der Literatur, daß mit § 18a Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB IV ausländische Sozialversicherungsrenten erfaßt werden (zB Hauck/ Haines, Kommentar zum SGB IV, § 18a RdNr 57; Eicher/Haase/ Rauschenbach, Die Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte, § 18a SGB IV, RdNr 5; VDR-Kommentar, Sozialgesetzbuch, Erstes und Viertes Buch, § 18a SGB IV, RdNr 27).

Die Anrechenbarkeit ausländischer Sozialversicherungsrenten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil von einer Ersatzleistung oder einem Ersatzeinkommen nur gesprochen werden kann, wenn die ersetzte Leistung bzw das ersetzte Einkommen ebenfalls anrechenbar sind. Ausländische Einkommen sind grundsätzlich anrechenbare Einkommen iS von § 18a SGB IV. Dies ergibt sich zum einen aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 10/2677, S 44), wo es ausdrücklich heißt, daß ausländisches Erwerbseinkommen wie inländisches Erwerbseinkommen zu behandeln ist. Eine spezifische Regelung für ausländisches Arbeitsentgelt und -einkommen ist für entbehrlich gehalten worden, da die Berücksichtigung bereits aus den §§ 14, 15 SGB IV folgt, was insbesondere § 17a SGB IV belegt. Die Notwendigkeit, ausländisches Einkommen anzurechnen, leitet sich zudem daraus ab, daß es sonst zu einer im Hinblick auf Art 3 Grundgesetz (GG) bedenklichen Besserstellung ausländischer Einkommensbezieher gegenüber inländischen Einkommensbeziehern käme (Hauck/Haines, Kommentar zum SGB IV, § 18a, RdNr 57; Eicher/Haase/Rauschenbach, § 18a SGB IV, RdNr 5).

Dem Wortlaut des § 18a SGB IV lassen sich allerdings keine Maßstäbe dafür entnehmen, wann eine mit inländischem Erwerbseinkommen „vergleichbare” ausländische Ersatzleistung vorliegt (vgl Hauck/Haines Komm. z. SGB IV, § 18a RdNr 57; Schötz, DAngVers 1987, 113, 114). Auch die Gesetzesbegründung zu § 18a SGB IV (BT-Drucks 10/2677, S 45) gibt hierüber keinen Aufschluß. Zur Ermittlung des Begriffsinhalts läßt sich jedoch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu ähnlichen Fragestellungen zurückgreifen. Hierfür bieten sich zum einen die Entscheidungen zu § 19 Abs 3 des Fremdrentengesetzes (FRG) an, die die Vergleichbarkeit bundesdeutscher Altersruhegelder mit fremdstaatlichen Altersrenten zum Gegenstand haben (vgl BSGE 27, 209, 211 = SozR Nr 3 zu § 19 FRG; BSGE 34, 132, 133 = SozR Nr 6 zu § 19 FRG; BSG SozR 5050, Nrn 4, 12 zu § 19 FRG), zum anderen die Urteile zu § 118 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) aF, in denen es um das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld wegen des Bezugs ausländischer Altersrenten geht (Urteile vom 3. November 1976, 7 RAr 104/75 = SozR 4100 § 118 Nr 3, und 7 RAr 115/75). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist eine Vergleichbarkeit auch iS des § 18a Abs 3 Satz 1 letzter Halbsatz SGB IV zu bejahen, wenn die ausländischen Ersatzleistungen in ihrem Kerngehalt den typischen Merkmalen der inländischen Erwerbsersatzeinkommen entsprechen, dh nach Motivation und Funktion gleichwertig sind.

Als Bezugstatbestände für die notwendige Gegenüberstellung in diesem Sinn kommen aus dem Katalog der inländischen Erwerbsersatzeinkommen allein die in § 18a Abs 3 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB IV genannten Geldleistungen in Betracht. Die amerikanische Altersrente muß also zunächst, um als vergleichbar/gleichwertig im bezeichneten Sinn bewertet werden zu können, eine Leistung aus einem System gesetzlicher Rentenversicherung sein. In Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 15 Abs 2 FRG (BSGE 6, 263 ff; BSG SozR Nrn 10, 16 zu § 15 FRG) ist ein „ausländisches System der sozialen Sicherheit” dann als „gesetzliche Rentenversicherung” anzusehen, wenn es auf öffentlich-rechtlicher Pflichtzugehörigkeit beruht, wiederkehrende Leistungen für den Fall der vorzeitigen Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes vorsieht und kein reines Zusatzversorgungssystem darstellt.

Darüber hinaus muß es sich bei der amerikanischen Altersrente um „Erwerbsersatzeinkommen” handeln, gemäß der Definition in § 18a Abs 1 Nr 2 SGB IV also um eine Leistung, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht wird, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Die in § 18a Abs 3 Nrn 2 und 3 SGB IV genannten Beispiele zeigen, daß nicht alle Geldleistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung „Erwerbsersatzeinkommen” darstellen, sondern nur diejenigen, die aus eigener Versicherung erworben worden sind, sog. Versichertenrenten. Versichertenrenten sind regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen an Versicherte, bei denen ein Versicherungsfall (Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Alter) eingetreten ist und die abstrakte Lohnersatzfunktion haben, dh, die in funktionellem Zusammenhang mit dem früheren Erwerbseinkommen stehen (BSGE 30, 167, 172; 46, 158, 162). Davon zu unterscheiden sind die Hinterbliebenenrenten, diese sind auf Beiträgen des verstorbenen Versicherten beruhende, aus seiner versicherungsrechtlichen Position abgeleitete, regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen, die an dessen hinterbliebene(n) Ehegatten oder Kinder gezahlt werden. Sie treten nicht an die Stelle von (weggefallenem) Erwerbseinkommen, sondern haben Unterhaltsersatzfunktion, dh, sie gleichen den Ausfall familienrechtlicher Unterhaltsleistungen aus, die die Hinterbliebenen von dem Verstorbenen – in der Regel aus dessen Erwerbseinkommen oder bereits bezogener Rente mit Lohnersatzfunktion (vgl BSGE 14, 129, 130, 132) – erhalten haben.

Beide Voraussetzungen der Vergleichbarkeit sind bei der Altersrente der Klägerin nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erfüllt. Das LSG hat zum amerikanischen Recht zunächst festgestellt, daß es sich bei der amerikanischen Rentenversicherung um ein System der gesetzlichen Rentenversicherung handelt. Des weiteren hat es festgestellt, daß nach den US-amerikanischen Vorschriften (Sec. 202e I Buchst D Social Security Act) ein Anspruch auf Witwenrente nur dann besteht, wenn die Witwe selbst keinen Anspruch auf Altersrente hat oder zwar ein solcher Altersrentenanspruch besteht, dieser aber niedriger als die Witwenrente ist. Im vorliegenden Fall bestehe kein Anspruch auf Witwenrente, weil die Altersrente der Klägerin höher als die ihres verstorbenen Ehemannes gewesen sei. Die Altersrente der Klägerin sei somit ihrer wirtschaftlichen Funktion nach nicht als Ausgleich der durch den Tod des Versicherten entstandenen Versorgungslücke anzusehen. An dieses Verständnis des Berufungsgerichts zum US-amerikanischen Altersversorgungssystem ist der erkennende Senat nach § 162 SGG, § 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gebunden.

Gemäß § 162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Ausländisches Recht gehört grundsätzlich nicht hierzu (vgl BVerwG in BVerwGE 42, 265, 267; BGH in BGHZ 36, 348, 351; Meyer-Ladewig, Komm. zum SGG 3. Aufl 1987 RdNr 6 zu § 162). Die von der Tatsacheninstanz zum ausländischen Recht getroffenen Feststellungen, die darauf beruhende Rechtsauslegung und die aus dem ausländischen Recht gezogenen Schlußfolgerungen sind infolgedessen, weil es sich insoweit um nichtrevisibles Recht handelt, unverändert der Entscheidung über die Revision zugrundezulegen (s BSGE 25, 20, 23 = SozR Nr 15 zu § 1291 RVO; BSG SozR 5050 § 15 FRG Nrn 37, 38, 40; zuletzt 5. Senat, Urteile vom 13. September 1990, 5 RJ 76/89 – BSGE 67, 214 = SozR 3-6710 Art 4 Nr 1 -und 5 RJ 86/89). Vorbehalten ist dabei freilich stets die Prüfung, ob das Verfahren, das zu diesen Erkenntnissen geführt hat, rechtmäßig ist, sofern entsprechende zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben sind. Die Klägerin hat das Urteil des Berufungsgerichts auf solche Weise jedoch nicht angegriffen. Zwar hat sie vorgetragen, das LSG hätte alle tatsächlich wichtigen Punkte ermitteln müssen, und damit wohl eine Verletzung des § 103 SGG rügen wollen. Sie hat hierbei aber weder dem Erfordernis des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG genügt, wonach die Tatsachen zu bezeichnen sind, die den Mangel ergeben, noch angegeben, zu welchem Ergebnis nach ihrer Ansicht die für erforderlich gehaltene Ermittlung geführt hätte (vgl BSG, SozR Nr 28 zu § 164 SGG, Peters/ Sautter/Wolff, Komm. zum SGG, § 164 SGG, Anm 4.l, S III/82/16 mwN). Die von ihr insofern allein geäußerten Vermutungen genügen für eine Verfahrensrüge iS der §§ 162, 164 Abs 2 Satz 3, 170 Abs 3 SGG nicht.

Am Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, daß das LSG Bundesrecht, nämlich § 18a Abs 3 SGB IV, anzuwenden und den Inhalt des ausländischen Rechts nur als Vorfrage zu prüfen hatte. Für die Nachprüfbarkeit ausländischen Rechts durch das Revisionsgericht macht es keinen Unterschied, ob die angefochtene Entscheidung den Inhalt der Grundnorm oder eine Vorfrage betrifft (BGH in BGHZ 27, 47, 50; Rosenberg/Schwab Zivilprozeßrecht 14. Aufl 1986, § 144 II 3 über Fn 27). Würde man in den Fällen, in denen der Inhalt und die Auslegung einer ausländischen Rechtsnorm lediglich für die Entscheidung einer materiell-rechtlichen Vorfrage maßgebend sind, die Nachprüfung der insoweit getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts durch das Revisionsgericht zulassen, so wäre auf diesem Wege entgegen den Vorschriften der §§ 549, 562 ZPO, § 162 SGG das ausländische Recht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterworfen. Damit wäre aber § 562 ZPO und § 162 SGG jede praktische Bedeutung genommen.

Inwieweit die Anwendung und Auslegung ausländischen Rechts ausnahmsweise auch im Revisionsverfahren in Betracht kommt, wenn das Berufungsgericht an sich nichtrevisible (ausländische) Vorschriften überhaupt nicht erörtert hat, etwa weil es eine ihm unbekannte nichtrevisible Rechtsnorm übersehen und infolgedessen in seiner Entscheidung nicht gewürdigt hat, kann dahinstehen, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Aufgrund seiner Inhaltsbestimmung des US-amerikanischen Rentenrechts hat das LSG folgerichtig entschieden, daß die von der Klägerin bezogene Altersrente eine vergleichbare Ersatzleistung iS des § 18a Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB IV und damit Erwerbsersatzeinkommen iS von § 18a Abs 1 Nr 2 SGB IV ist. Das LSG hat einerseits seine Feststellung, daß die amerikanische Rentenversicherung eine gesetzliche Rentenversicherung ist, zutreffend anhand der hierfür nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG in BSGE 27, 209, 211 = SozR Nr 3 zu § 19 FRG; BSGE 34, 132, 133 = SozR Nr 6 zu § 19 FRG; SozR 5050 Nrn 4 und 12 zu § 19 FRG; SozR 4100 § 118 Nr 3) maßgebenden Kriterien getroffen, nämlich daß das ausländische Rentenversicherungssystem auf öffentlich-rechtlicher Pflichtzugehörigkeit beruht, wiederkehrende Leistungen für den Fall der vorzeitigen Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und für den Fall des Todes vorsieht und kein reines Zusatzversorgungssystem darstellt. Zum anderen hat das LSG für die Beurteilung, ob die hier in Frage stehende amerikanische Altersrente eine einer deutschen Altersrente vergleichbare Ersatzleistung iS von § 18a Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB IV ist, zu Recht darauf abgestellt, welche wirtschaftliche Funktion, nämlich Erwerbs- bzw Lohnersatzfunktion oder Unterhaltsersatzfunktion, der amerikanischen Altersrente zukommt. Da das LSG nach seinem Verständnis vom amerikanischen Rentenrecht zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die amerikanische Altersrente der Klägerin Erwerbsersatzfunktion hat, ist die daran anschließende, revisionsgerichtlich überprüfbare Schlußfolgerung, daß die amerikanische Altersrente eine dem deutschen Altersruhegeld vergleichbare Ersatzleistung ist und damit Erwerbsersatzeinkommen iS von § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB IV darstellt, nicht zu beanstanden.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über soziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 (BGBl II S 1358). Das Abkommen enthält keine Einschränkung der in § 1281 RVO iVm § 18a SGB IV angeordneten Einkommensanrechnung, wie dies etwa im EWG-Recht (Art 12 VO 1408/71 EWG, Art 7 VO 574/72 EWG) geschehen ist. Insbesondere ist der im Berufungsverfahren angesprochene Art 7 des Abkommens nicht einschlägig, da er nur die Anrechnung von Versicherungszeiten bei Beschäftigung in beiden Vertragsstaaten regelt und damit die Begründung von Leistungsansprüchen betrifft. Vorliegend geht es dagegen bloß um die Frage, ob und in welchem Umfang anrechenbares Einkommen bzw Erwerbsersatzeinkommen iS von § 1281 RVO iVm § 18a Abs 3 SGB IV gegeben ist.

Im übrigen findet die von der Klägerin gerügte, in hohem Maße als unbillig empfundene doppelte Anrechnung der amerikanischen Altersrente sowohl auf die amerikanische wie auch auf die deutsche Hinterbliebenenrente gar nicht statt. Denn von einer doppelten Anrechnung könnte nur dann gesprochen werden, wenn in beiden Rentensystemen grundsätzlich ein Nebeneinander von Altersrente und Hinterbliebenenrente möglich wäre. Nach dem amerikanischen Rentenrecht wird aber – wie auch die Klägerin einräumt – immer nur entweder eine Altersrente oder eine Hinterbliebenenrente gewährt, je nachdem welche Leistung höher ist. Die Vorschrift des Sec. 202e I Buchst D Social Security Act ist daher keine dem § 1281 RVO vergleichbare Anrechnungsvorschrift. Nur bei einer der Vorschrift des § 1281 RVO vergleichbaren Anrechnungsregelung im amerikanischen Recht, die ebenfalls von einem grundsätzlichen Nebeneinander von Hinterbliebenenrente und eigener Rente ausgeht, könnte aber von einer doppelten – als unbillig anzusehenden – Anrechnung gesprochen werden. Dieser Fall ist jedoch nach den bindenden Feststellungen des LSG im amerikanischen Recht jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Todes des Ehepartners bereits eine gegenüber der Altersrente des Verstorbenen höhere eigene Altersrente bezogen hat (vgl auch Schötz, Das neue deutsche Hinterbliebenenrecht bei Auslandsberührung, DAngVers 87, S 113, 116).

Der Klägerin ist allerdings einzuräumen, daß die geltende Regelung im Verhältnis zu Rechtssystemen wie dem US-amerikanischen, die nur die Alternative Rente aus eigener Versicherung/Hinterbliebenenrente kennen, unter den Gesichtspunkten der Art 3 und 14 GG unbefriedigend erscheint. Im Hinblick auf die Schwierigkeit, eine den unterschiedlichsten ausländischen Rechtssystemen gerecht werdende verwaltungspraktikable Lösung zu finden, müssen aber auch in diesem Rahmen nicht voll befriedigende Regelungen hingenommen werden, soweit sie den Bürger nicht übermäßig belasten. Letzteres ist hier aber nicht der Fall, da die deutsche Hinterbliebenenrente höchstens in Höhe von 40 % des Betrages ruht, um den die amerikanische Altersrente den Freibetrag übersteigt und zudem gemäß Art 2 § 23b des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes das Ruhen in Todesfällen, die bis Ende 1995 eintreten, im ersten Jahr gar nicht und danach langsam um jährlich 10% anwachsend eintritt, so daß die 40% erst im 5. Jahr erreicht werden.

Nach alledem war die Revision gemäß § 170 Abs 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 184

NZA 1992, 96

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