Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkenntnis bei zweifelhafter Sachlage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist zwar richtig, daß die Versorgungsverwaltung nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch durch Vertrag (Vergleich) oder Anerkenntnis nichts gewähren darf, wofür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, ein solches Anerkenntnis würde rechtswirksam weder die abstrakte Schuldverpflichtung iS des BGB § 781 noch die Prozeßerledigung nach SGG § 101 zur Folge haben (vergleiche BSG 1961-12-19 7 RAr 35/61 = BSGE 16, 61). Indessen bedeutet dies die Unwirksamkeit eines Anerkenntnisses nicht schon dann wenn die tatsächlichen oder Voraussetzungen lediglich zweifelhaft sind. Vielmehr ist auch der öffentliche Rechtsträger zur Abgabe einer selbständigen Verpflichtungserklärung berechtigt, wenn er über den Streitgegenstand verfügen darf, dh wenn er imstande ist, den materiellen Anspruch auf die begehrte Leistung rechtswirksam zu regeln (vergleiche BSG 1967-04-25 11 RA 138/66 = BSGE 26, 210; BSG 1967-04-25 11 RA 127/66 = VersorgB 1970 RsprNr 50; BSG 1967-08-22 2 RU 260/66 = SozR Nr 9 zu § 101 SGG; BSG 1967-10-26 4 RJ 195/66 = SozR Nr 10 zu § 101 SGG). Der 4. Senat des BSG hat am 1956-10-25 4 RJ 45/55 = BSGE 4, 31, 34 bereits entschieden, daß ein Versicherungsträger nicht gehindert ist, den Anspruch anzuerkennen, wenn dessen Voraussetzungen streitig sind und die erhobenen Beweise nicht zu einem klaren Ergebnis geführt haben. Auch der erkennende Senat (BSG 1969-04-29 10 RV 12/68 = BVBl 1969, 131) hat hervorgehoben, daß der Versorgungsverwaltung bei Vergleich und Anerkenntnis ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, innerhalb dessen sie wirksam verfügen kann, sofern sie nicht eine dem objektiven Recht widersprechende Leistung zugesteht.

2. Durch Einreichung des "endgültigen und betragsmäßig spezifizierten Nachweises über die tatsächlichen Kosten: bei der Versorgungsbehörde wird die Verjährung nicht unterbrochen.

3. Die KK kann die Verjährung von Ansprüchen auf Kostenersatz nach BVG §§ 19, 20 nicht schon durch die Einreichung der Kostennachweise beim Versorgungsamt, sondern in analoger Anwendung des BGB § 209 nur mit einer entsprechenden Klage unterbrechen; ebenso ist ein unter Vorbehalt abgegebenes Anerkenntnis der Ersatzansprüche durch das Versorgungsamt nicht geeignet, deren Verjährung zu unterbrechen.

4. Ist die Verjährung der Ersatzansprüche nach BVG §§ 19, 20 rechtswirksam unterbrochen worden, so beginnt die neue Verjährungsfrist nicht erst nach Ablauf des Jahres der Unterbrechung, sondern unmittelbar nach deren Beendigung.

5. Der Hinweis des VersorgA, es wolle die Berechtigung der Ersatzansprüche noch durch weitere Ermittlungen prüfen, gibt der KK nicht das Recht, der später vom VersorgA geltend gemachten Verjährung der Ansprüche mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzutreten.

6. Erklärt sich das VersorgA, obwohl die Ursächlichkeit der Schädigungsfolge für die Krankheit zweifelhaft ist, zum Ersatz der Kassenleistungen bereit, so hat es ein formgerechtes Schuldanerkenntnis iS des entsprechend anzuwendenden BGB § 781 abgegeben.

 

Orientierungssatz

Auch einem öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträger (hier Versorgungsverwaltung) steht das Recht zu, die Einrede der Verjährung zu erheben (Vergleiche BSG 1964-03-18 7 RKg 2/62BSGE 20, 262, 265). Die Krankenkasse kann dieser Einrede nicht den Gegeneinwand der unzulässigen Rechtsausübung (Verwirkung) entgegenhalten. Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung längere Zeit gewartet hat und besondere Umstände hinzutreten, die die nunmehrige Geltendmachung dem Partner gegenüber illoyal erscheinen lassen (vergleiche BSG 1958-05-20 2 RU 285/56 = BSGE 7, 199 ff; BSG 1964-12-03 8/11 RV 936/62 = BVBl 1965, 107: Urteil des erkennenden Senats vom angeordnete kurze Verjährung soll das Abrechnungsverfahren zwischen Krankenkasse und Versorgungsverwaltung intensivieren (vergleiche BSG 1970-10-14 10 RV 483/68 = BSGE 32, 21, 26). Demnach darf die Verwirkung des Rechts die Verjährung geltend zu machen, nur unter strengen Voraussetzungen angenommen werden.

 

Normenkette

BVG § 21 Abs. 2 Fassung: 1971-12-16; SGG § 101 Fassung: 1953-09-03; BGB §§ 242, 781

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1971 dahin abgeändert, daß auch die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. Juni 1970 zurückgewiesen wird. Im übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Kostenersatz nach den §§ 19 und 20 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Sie hat dem bei ihr versicherten Versorgungsberechtigten H W (W.) vom 1. August 1963 an Leistungen gewährt, und zwar bis zum 3. November 1964 Krankengeld und bis zum 26. Januar 1965 Einkommensausgleich nach § 17 BVG im Gesamtbetrage von 10.804,20 DM. Während der gesamten Zeit wurde sowohl vom Hausarzt des W. als auch vom Vertrauensarzt der Klägerin bestätigt, daß W. wegen der anerkannten Schädigungsfolgen arbeitsunfähig sei.

Durch den Kostennachweis I/65 begehrte die Klägerin im Januar 1965 von dem Versorgungsamt (VersorgA) S Ersatz der von ihr dem W. gewährten Leistungen. Im Prüfbericht vom 12. August 1965 setzte das VersorgA diesen Betrag jedoch vorläufig ab und wies auf ein zwischen W. und dem Land Nordrhein-Westfalen anhängiges Sozialgerichtsverfahren hin. Im Schreiben vom 12. November 1965 teilte das VersorgA der Klägerin mit, es könne unter Vorbehalt nur bis zum 2. Dezember 1963 anerkannt werden, daß die Arbeitsunfähigkeit des W. durch Schädigungsfolgen verursacht worden sei, weil eine am 2. Dezember 1963 durchgeführte Untersuchung des W. durch den versorgungsärztlichen Dienst ergeben habe, daß der überragende Teil seiner Beschwerden nicht durch Schädigungsfolgen verursacht worden sei. Auf Gegenvorstellungen der Klägerin hin bat das VersorgA, den Abschluß des noch immer anhängigen Klageverfahrens des W. abzuwarten. Die Klägerin begehrte daraufhin mit Schreiben vom 2. Februar 1966 die Bestätigung, "daß der Einwand der Verjährung nach § 21 Abs. 2 BVG nicht erhoben wird." Im Antwortschreiben vom 5. April 1966 führte das VersorgA aus, daß die Klägerin, nachdem sie ausdrücklich gebeten worden sei, den Ausgang eines Klageverfahrens abzuwarten, den Gegeneinwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben erheben könnte, falls das VersorgA die Einrede der Verjährung erheben würde; sie habe daher "nichts zu befürchten". Im Schreiben vom 19. Juli 1966 teilte das VersorgA der Klägerin mit, daß W. seine Klage inzwischen zurückgenommen habe. Es wies erneut darauf hin, daß nach dem Ergebnis der Untersuchung vom 2. Dezember 1963 eine durch Schädigungsfolgen verursachte Arbeitsunfähigkeit nur bis zu diesem Tage bejaht werde; diese Einschränkung gelte allerdings nicht für die Zahlung des Einkommensausgleichs.

Nachdem die Klägerin das VersorgA unter Hinweis auf ein in dem anhängig gewesenen Streitverfahren durch Prof. Dr. B erstattetes Gutachten mit Schreiben vom 17. März 1967 erneut zur Anerkennung des geltend gemachten Ersatzanspruchs aufgefordert hatte, teilte das VersorgA am 24. April 1967 mit, daß noch weitere Ermittlungen erforderlich seien. In der Zeit zwischen Ende April und Ende Oktober 1967 fand ein Telefongespräch zwischen Bediensteten der Klägerin und des VersorgA statt. Nach einem Aktenvermerk hierüber hat der betreffende Bedienstete des VersorgA erklärt, daß die Angelegenheit bearbeitet werde. Daraus entnahm die Klägerin, daß demnächst mit einem wahrscheinlich positiven Bescheid zu rechnen sei. Als dieser Bescheid jedoch nicht erging, bat die Klägerin mit Schreiben vom 28. Dezember 1967 um eine Stundungsvereinbarung, um der Einrede der Verjährung vorzubeugen. Sie wiederholte diese Bitte mit Schreiben vom 16. August 1968. Das VersorgA reagierte hierauf erst durch Schreiben vom 28. Oktober 1968, in welchem es der Klägerin mitteilte, daß Kostenersatz für Krankengeld und Einkommensausgleich nur bis zum 30. Oktober 1963 geleistet werden könne; auf Grund eines an diesem Tage erstellten Gutachtens ergebe sich nämlich, daß von da an bei W. keine durch Schädigungsfolgen bedingte Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen habe.

Mit der am 2. Dezember 1968 zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage wandte sich die Klägerin dagegen, daß der Beklagte den Ersatzanspruch nur bis zum 30. Oktober 1963 anerkannt habe, und beantragte zunächst, den Beklagten zu verurteilen, die erhobenen Ersatzansprüche für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit des W. anzuerkennen. Als der Beklagte in diesem Verfahren gegenüber jeglichem Anspruch die Einrede der Verjährung erhob, begehrte die Klägerin seine Verurteilung zur Zahlung von 10.804,20 DM. Das SG Dortmund hat durch Urteil vom 9. Juni 1970 den Beklagten verurteilt, der Klägerin die bis zum 30. Oktober 1963 aufgewendeten Kosten zu erstatten, und im übrigen die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des SG sind die von der Klägerin erhobenen Ansprüche verjährt; dem Beklagten sei es jedoch auf Grund des Teilanerkenntnisses in dem Schreiben vom 28. Oktober 1968 verwehrt, sich auf die Verjährung der bis zum 30. Oktober 1963 entstandenen Ansprüche zu berufen. Dieses Anerkenntnis sei nach Eintritt der Verjährung abgegeben und wirksam, weil der Beklagte gewußt habe, daß mittlerweile Verjährung eingetreten sei.

Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligten Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat durch Urteil vom 24. November 1971 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen; auf die Berufung der Klägerin hat es das Urteil des SG Dortmund abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin auch die dem Versorgungsberechtigten W. in der Zeit vom 31. Oktober 1963 bis zum 26. Januar 1965 gewährten Leistungen zu erstatten. Nach Auffassung des LSG könne die Klägerin das von ihr dem W. als Mitglied gewährte Krankengeld vom Beklagten erstattet verlangen, weil die Arbeitsunfähigkeit des W. durch Schädigungsfolgen verursacht worden sei. Ihr Anspruch auf Ersatz des Einkommensausgleichs sei begründet, weil dem W. nach § 17 Abs. 1 BVG Einkommensausgleich gebührt habe, da er auf Grund seiner Schädigungsfolgen arbeitsunfähig geworden sei. Dies stehe auf Grund der Bescheinigungen des Hausarztes, der Erklärungen des Vertrauensarztes und des Gutachtens des Prof. Dr. B fest. Der hiernach bestehende Ersatzanspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Nach § 21 Abs. 2 BVG habe zwar die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erstattung des Krankengeldes am 31. Dezember 1966 und für den Ersatzanspruch wegen des Einkommensausgleichs am 31. Dezember 1967 geendet. Die am 2. Dezember 1968 beim SG eingegangene Klage sei aber trotzdem nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden, weil die Verjährung durch den von der Klägerin im Januar 1965 an das VersorgA übersandten "Kostennachweis für Versicherte" unterbrochen worden sei; diese Unterbrechung dauere noch an. Da das BVG keine eigenen Verjährungsvorschriften enthalte, müßten insoweit die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) herangezogen werden. Im öffentlichen Recht werde jedoch nicht - wie nach § 209 Abs. 1 BGB im bürgerlichen Recht - die Verjährung nur durch Einreichung einer gerichtlichen Klage unterbrochen. Hier reiche die Geltendmachung des Anspruchs in der Form einer endgültigen und betragsmäßig konkretisierten Abrechnung über die tatsächlichen Kosten aus. Dies sei nicht zu verwechseln mit einer bloßen Anmeldung von Ansprüchen. Den Willensäußerungen öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger sei ein höherer "Rechtswert" im Sinne eines "Verpflichtungswertes" beizumessen als vergleichbaren Erklärungen von Privatpersonen. Im übrigen sei es unzulässige Rechtsausübung, daß sich der Beklagte auf Verjährung berufe.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 29. Februar 1972 zugestellte Urteil am 27. März 1972 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 2. Juni 1972 am 17. Mai 1972 begründet.

Er rügt die Verletzung der §§ 19, 20, 21 BVG, 194, 208, 209, 210, 211, 217, 242 BGB und die Verkennung der Grundsätze über die unzulässige Rechtsausübung. Das LSG habe irrtümlich angenommen, daß die Verjährung unterbrochen worden sei. Nach den §§ 208 bis 210 BGB werde die Verjährung durch die Anmeldung eines Ersatzanspruches, auch wenn dies in der Form der "endgültigen und betragsmäßigen Abrechnung über die tatsächlichen Kosten" geschehe, nicht unterbrochen. Die Tatbestände des BGB dürften nicht erweitert werden; dies würde zu einer Erschwerung der Verjährung führen, was jedoch nach § 225 BGB nicht zulässig sei. Das Einreichen eines Kostennachweises sei nicht mit dem "Antrag an die zuständige Verwaltungsbehörde" zu verwechseln. Da die Ansprüche nach den §§ 19 und 20 BVG aus einem auftragsähnlichen Rechtsverhältnis zwischen gleichberechtigten Verwaltungsträgern entständen, bedürfe es einer Anmeldung nicht. Die durch § 21 Abs. 1 Satz 1 BVG aF vorgeschriebene vorläufige Anmeldung bedeute nicht, daß der Anspruch erst mit dieser Anmeldung entstehe; die verspätete Anmeldung habe der Versorgungsverwaltung nur das Recht gegeben, die Ersatzleistung teilweise abzulehnen. Den Willensäußerungen öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger wohne auch kein höherer "Verpflichtungswert" inne, weil es sich hierbei um Erklärungen eines Gläubigers und nicht eines Schuldners handele. Das LSG habe die Frage nicht beantwortet, wann die nach seiner Ansicht eingetretene Unterbrechung beendet sei.

Selbst wenn man aber annehmen würde, daß die Verjährung unterbrochen worden sei, so habe die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt, in dem der Kostennachweis beim VersorgA eingegangen sei, erneut zu laufen begonnen und sei im Juni 1967 vollendet gewesen. Auch wenn man in dem Schreiben vom 19. Juli 1966 ein die Verjährung unterbrechendes Teilanerkenntnis sehen würde, sei die Verjährung gleichwohl eingetreten, weil nach der Unterbrechung durch ein Anerkenntnis die neue Verjährungsfrist sofort wieder zu laufen beginne und dann am 19. Juli 1968, also noch vor Klageerhebung abgelaufen sei. Die Beteiligten hätten auch keine Stundungsvereinbarung in der Hinsicht getroffen, daß es der Versorgungsverwaltung gestattet gewesen sei, die Leistung vorübergehend zu verweigern. Das VersorgA habe die Klägerin zwar gebeten, den Ausgang des zwischen W. und dem Land Nordrhein-Westfalen schwebenden Klageverfahrens abzuwarten; diese sei aber nicht darauf eingegangen. Selbst wenn die Klägerin aus dem Schriftwechsel mit dem VersorgA für eine gewisse Zeit das Recht hätte ableiten können, einer vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung die Gegeneinrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten, sei diese Wirkung in jedem Falle mit dem Schreiben vom 19. Juli 1966 entfallen. Nach Empfang dieses Schreibens hätte die Klägerin in angemessener Frist Klage erheben müssen, wenn sie die Einrede der Verjährung hätte abwehren wollen. Die ihr zugebilligte Frist könne höchstens einige Monate betragen, sie sei aber hier mit fast zweieinhalb Jahren in jedem Falle überschritten. Aus dem nach Ablauf der Verjährungsfrist ergangenen Schreiben des VersorgA vom 28. Oktober 1968 könne die Klägerin keine Rechte herleiten. Hierin liege kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Ein solcher sei überhaupt nur dann wirksam, wenn das VersorgA Kenntnis von der mittlerweile eingetretenen Verjährung gehabt habe. Dies sei vom LSG aber nicht festgestellt worden. Das VersorgA habe eine solche Kenntnis auch nicht gehabt, wie sich aus seinen Antworten auf die Schreiben der Klägerin ergebe. Das Schreiben des VersorgA vom 28. Oktober 1968 habe eine Unterbrechung der Verjährung nach § 208 BGB nicht herbeiführen können, weil die Verjährung damals bereits eingetreten gewesen sei. Für ein vertragsmäßiges Anerkenntnis nach den §§ 780, 781 BGB fehle es an einer Willenseinigung der Parteien über die selbständige Natur des Anerkenntnisses. Das VersorgA habe einen solchen Willen schon deshalb nicht gehabt, weil es ihm als öffentlichem Verwaltungsträger verwehrt sei, Leistungen zu erbringen, die nicht durch Gesetz begründet seien.

Die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Beklagten sei auch keine unzulässige Rechtsausübung. Dem Schuldner sei das Recht, sich auf Verjährung zu berufen, vom Gesetz ausdrücklich zuerkannt worden. Besondere, dieses Recht einschränkende Umstände seien hier nicht gegeben. Das VersorgA habe die Klägerin lediglich gebeten, den Ausgang des zwischen W. und dem Beklagten schwebenden Rechtsstreits abzuwarten; es habe aber unmittelbar nach Ende des Verfahrens dies der Klägerin mitgeteilt. Weitere Handlungen des VersorgA, durch die die Klägerin hingehalten worden sei, lägen nicht vor. Diese habe vielmehr den Eintritt der Verjährung selbst zu vertreten, wenn sie nicht alsbald Klage erhoben habe. Die Klägerin habe ihre Pflichten gegenüber dem Beklagten schuldhaft verletzt, weil sie nicht - wie es durch das Gesetz und die Verwaltungsvorschriften vorgeschrieben gewesen sei - spätestens 9 Wochen nach Ablauf des jeweiligen Kalendervierteljahres, in dem Leistungen nach den §§ 19 und 20 BVG gewährt worden seien, sich mit einem Kostennachweis und der Beifügung der erforderlichen Beweisstücke an die Versorgungsverwaltung gewandt habe. Sie habe auch nicht den Ersatzanspruch für den Einkommensausgleich spätestens einen Monat nach dessen erster Anweisung bei der Verwaltungsbehörde vorläufig angemeldet. Da auf Grund der verschiedenen Gutachten erhebliche Bedenken gegen eine Arbeitsunfähigkeit des W. bestanden hätten, hätte die Klägerin veranlaßt gewesen sein müssen, der Frage der Arbeitsunfähigkeit nachzugehen; dies sei aber nicht geschehen.

Der Beklagte rügt außerdem die Verletzung der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe aus den in den Verwaltungsakten der Klägerin enthaltenen Gutachten des Vertrauensarztes der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen entnommen, daß W. für eine Tätigkeit als "Vorarbeiter im Tiefbau" arbeitsunfähig sei. Es habe aber außer acht gelassen, daß nur einmal von der beruflichen Tätigkeit des W. als "Vorarbeiter" gesprochen werde; sonst werde entweder keine genaue Eingruppierung vorgenommen oder von einer Tätigkeit als "Tiefbauarbeiter" ausgegangen. Andere Gutachten habe das LSG völlig außer Betracht gelassen, so daß sein Urteil nicht auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens beruhe. Weil diese verschiedenen Tätigkeiten arbeitsmäßig unterschiedliche Anforderungen stellten, hätte das LSG die Art der von W. auszuführenden Arbeiten klären müssen; es habe folglich seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt. Das LSG habe ferner bei der Auswertung des Gutachtens von Prof. Dr. B ausgeführt, daß die Tätigkeit des Vorarbeiters im Tiefbau durch die Art der Schädigungsfolgen "notwendigerweise" in gleichem Umfange behindert sei wie eine Tätigkeit als Landarbeiter. Hierbei handele es sich entweder um einen Denkfehler oder um die Anwendung eines Erfahrungssatzes, den es nicht gebe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1971 sowie das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. Juni 1970 abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1971 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält den Vorwurf mangelnder Sachaufklärung nicht für begründet, weil die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen sich bei verständiger Würdigung aus den dem LSG vorliegenden Gutachten ergäben. Selbst wenn das LSG festgestellt hätte, daß W. damals arbeitsfähig gewesen wäre, hätte sein Urteil nicht anders ausfallen können: Da die Krankenkasse an die zur Zeit der Gewährung von Krankengeld und Einkommensausgleich vorliegende Diagnose gebunden sei, müßten die von ihr bewirkten Leistungen durch den Beklagten erstattet werden, weil die damalige Diagnose ihre Gewährung gefordert habe.

Auch die mit der Revision erhobenen Sachrügen gingen fehl. Die Verjährung sei durch die Einreichung des spezifizierten Kostennachweises unterbrochen worden. Daß der Katalog der Unterbrechungstatbestände im BGB nicht erweitert werden könne, schließe seine Erweiterung für das öffentliche Recht nicht aus, weil hier die Vorschriften des BGB nur analog, d.h. unter Berücksichtigung der zum Teil andersartigen Verhältnisse, angewandt werden könnten. Das BGB sei zu einer Zeit entstanden, in der das Verwaltungsrecht noch in den Anfängen gesteckt habe. Die Verwaltung der damaligen Zeit sei mit der heutigen rechtsstaatlich ausgerichteten Verwaltung nicht gleichzusetzen. Dem entsprächen einige Besonderheiten des materiellen Rechts. Das bedeute, daß auch der an die Verwaltung gerichtete Antrag die Verjährung unterbreche. Hierdurch werde der Zweck der Verjährungsvorschriften nicht vereitelt. Die durch die Einreichung des Kostennachweises bewirkte Unterbrechung der Verjährung dauere bis zur endgültigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde fort. Schwierigkeiten könnten hieraus nicht entstehen, denn das Interesse der Krankenkasse lasse es nicht zu, ihnen zustehende Ansprüche bei Zahlungsverweigerung nicht durchzusetzen. Da das VersorgA im vorliegenden Fall die Bearbeitung der Angelegenheit mit dem Schreiben vom 28. Oktober 1968 abgeschlossen habe, sei von hier ab eine neue Verjährungsfrist von zwei Jahren in Lauf gesetzt worden. Die Klägerin habe bereits am 2. Dezember 1968, also vor Ablauf dieser Frist, Klage erhoben.

Selbst wenn die neue Verjährungsfrist bereits mit der Geltendmachung des Anspruchs zu laufen begonnen hätte, wäre die Einrede der Verjährung ausgeschlossen, weil ihre Erhebung eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Dies ergebe sich aus dem Zusammenhang des zwischen der Klägerin und dem VersorgA geführten Schriftwechsels und der Telefonate. Das VersorgA habe stets den Eindruck erweckt, daß es den Anspruch sachlich prüfen wolle. In seinem Schreiben vom 5. April 1966 gehe der Beklagte selbst davon aus, daß ihm damals der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hätte entgegengesetzt werden können, wenn er die Verjährungseinrede erhoben hätte. Das den Abschluß des Rechtsstreits anzeigende Schreiben vom 19. Juli 1966 habe nicht nur zur Einräumung einer kurzen Frist zur Klageerhebung geführt, weil das VersorgA auf die erneuten Vorhaltungen der Klägerin nach diesem Schreiben eine neue Sachprüfung durchgeführt und sich nicht auf Verjährung berufen habe. Daraus habe die Klägerin entnommen, daß es dem VersorgA auf eine Sachprüfung angekommen sei, wodurch sie davon abgehalten worden sei, umgehend Klage zu erheben. Erst die in dem Schreiben vom 28. Oktober 1968 ausgedrückte endgültige Ablehnung habe die Klägerin veranlaßt, in angemessener Frist Klage zu erheben.

In dem Schreiben des VersorgA an die Klägerin vom 19. Juli 1966 liege ein Teilanerkenntnis. Wenn der Beklagte annehme, daß die hierdurch in Lauf gesetzte neue Verjährungsfrist bereits am 21. Juli 1968, also vor Klageerhebung, abgelaufen gewesen sei, so übersehe er, daß das VersorgA der Klägerin mit Schreiben vom 24. April 1967 mitgeteilt habe, daß noch Ermittlungen notwendig seien. Dies gebe der Klägerin die Möglichkeit, gegen die Einrede der Verjährung den Gegeneinwand der unzulässigen Rechtsausübung zu erheben. Hilfsweise sei auch vorzutragen, daß in dem Schreiben des VersorgA vom 28. Oktober 1968 ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung liege. Die hierfür notwendige Kenntnis von der mittlerweile eingetretenen Verjährung habe das VersorgA gehabt, wie sich aus den aktenmäßig festliegenden Tatsachen ergebe. Der Einwand des mitwirkenden Verschuldens der Klägerin sei unbegründet. Unkorrektheiten könnten nicht ohne weiteres gegeneinander aufgerechnet werden. Worauf die angeblichen Unkorrektheiten der Klägerin beruhten, sei zudem nicht geklärt.

II

Die Revision ist teilweise begründet.

Soweit die Klägerin für die von ihr an W. für die Zeit nach dem 30. Oktober 1963 bewirkten Leistungen gegen den Beklagten Ersatzansprüche aus den §§ 19 und 20 BVG herleitet, kann deren sachliche Berechtigung dahinstehen; diese Ansprüche sind jedenfalls verjährt. Da die einzelnen Leistungen, für die Ersatz begehrt wird, in den Jahren 1964 bzw. 1965 abgeschlossen worden sind, richtet sich die Frage, ob Verjährung eingetreten ist, nach dem BVG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964, BGBl I 85 (2. NOG). Nach § 21 Abs. 2 BVG verjähren die Ersatzansprüche der Krankenkassen nach den §§ 19 und 20 BVG in zwei Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Jahres, in dem die ihnen zugrunde liegende Heilbehandlung durchgeführt worden ist. Die Ansprüche auf Erstattung des Krankengeldes und des Einkommensausgleichs sind sonach spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1967 verjährt. Die Klage ist jedoch erst am 2. Dezember 1968 erhoben worden.

Der Ablauf der Verjährung ist auch nicht bis über den Zeitpunkt der Klageerhebung hinausgeschoben worden. Es ist nämlich weder eine Hemmung noch eine Unterbrechung der Verjährung über diesen Zeitpunkt hinaus eingetreten, eine Frage, die sich auch für die Verjährungsregelung des § 21 Abs. 2 BVG nach den Vorschriften des BGB richtet (vgl. BSG 32, 21, 24).

Aus dem zwischen den Parteien geführten Schriftwechsel ergibt sich, daß eine Stundung, die nach § 202 BGB den Ablauf der Verjährung hemmen würde, nicht vereinbart worden ist. Der Beklagte hat in seinen Schriftsätzen die Bereitschaft, eine Stundungserklärung abzugeben, nicht erkennen lassen. Die Klägerin hat durch ihre wiederholten Bitten um Abschluß einer solchen Vereinbarung gezeigt, daß sie selbst nicht davon ausgegangen ist, daß ein solches Abkommen bereits abgeschlossen worden ist. Ob in den Hinweisen des Beklagten darauf, daß zunächst der Ausgang eines zwischen W. und dem Land Nordrhein-Westfalen schwebenden Rechtsstreits abgewartet werden solle, ein Hemmungstatbestand liegt, kann offen bleiben. Hierdurch könnte der Ablauf der Verjährungsfrist allenfalls bis zu der Mitteilung über den Abschluß des Rechtsstreits, dem Schreiben vom 19. Juli 1966, gehemmt worden sein. Das könnte höchstens eine Verlängerung der Verjährung um die Zeit vom 17. Dezember 1965 (Bitte um Abwarten des Rechtsstreits) bis zum 19. Juli 1966, also um gut sieben Monate, herbeigeführt haben. Die Klage wäre dann immer noch nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden.

Ein anderer Hemmungstatbestand liegt nicht vor. Durch das Rechtsinstitut der Hemmung der Verjährung soll der Gläubiger, wie besonders die Vorschriften der §§ 202 und 203 BGB zeigen, davor geschützt werden, daß die Verjährung zu einer Zeit abläuft, in der er außerstande ist, sie durch Klageerhebung oder in anderer Weise zu unterbrechen. Hier hat aber nur der Beklagte in seinem Schreiben vom 24. April 1967 darauf hingewiesen, daß er noch weitere Ermittlungen anstellen und deshalb unter anderem den Ausgang jenes Rechtsstreits abwarten wolle. Die Klägerin war somit nicht gehindert, während dieser Zeit gleichwohl Klage zu erheben, so daß der dem Rechtsinstitut der Hemmung der Verjährung zugrunde liegende Rechtsgedanke hier nicht Platz greifen kann.

Die Verjährung ist auch nicht wirksam unterbrochen worden. Dies ist entgegen der Ansicht des LSG nicht durch Einreichung des "endgültigen und betragsmäßig spezifizierten Nachweises über die tatsächlichen Kosten" bei der Versorgungsbehörde geschehen. Der erkennende Senat hat bereits in seinem in BSG 32, 21 ff veröffentlichten Urteil ausgesprochen, daß auch im öffentlichen Recht die Verjährung analog § 209 BGB nur durch Erhebung einer Klage beim SG unterbrochen wird. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat trotz der vom LSG gegebenen Begründung für seine abweichende Auffassung fest. Ob man bei Willensäußerungen von öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgern schlechthin von einem höheren "Rechtswert" im Sinne eines "Verpflichtungswertes" sprechen muß, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls geht es, wie der erkennende Senat bereits in BSG 32, 21, 27 ausgeführt hat, nicht an, diese Begriffe hier, wo sich Krankenkasse und Versorgungsbehörde als gleichgeordnete Rechtsträger gegenüberstehen, zu verwenden. Das LSG hat auch nicht die Bedenken ausgeräumt, die daraus entstehen, daß nicht genau angegeben werden kann, wann die durch eine solche Handlung der Krankenkasse eingetretene Unterbrechung der Verjährung beendet wäre, die Verjährung also neu zu laufen begänne. So sieht das LSG als Endigungstatbestand für die Unterbrechung die rechtskräftige Entscheidung des schließlich doch. angerufenen Gerichts an, während die Klägerin insoweit die das Verwaltungsverfahren endgültig abschließende Entscheidung der Versorgungsbehörde meint. Das LSG hat auch übersehen, daß durch die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung nicht die durch die Einreichung des Kostennachweises herbeigeführte Unterbrechung beendet wird, sondern die durch Klageerhebung gemäß § 209 BGB eingetretene Unterbrechung.

In dem Schreiben vom 12. November 1965 hat der Beklagte die Ersatzansprüche der Klägerin nicht im Sinne von § 208 BGB teilweise anerkannt; denn er hat sein "Anerkenntnis" hier nicht bedingungslos abgegeben, wie es erforderlich gewesen wäre, sondern nur "unter Vorbehalt".

Ob durch das Schreiben des VersorgA Soest an die Klägerin vom 19. Juli 1966 eine Unterbrechung der Verjährung, etwa durch Anerkenntnis gemäß § 208 BGB, eingetreten ist, kann offen bleiben. Auch bei den kurzen Verjährungsfristen des § 196 BGB beginnt nach einer Unterbrechung die neue Verjährungsfrist unmittelbar zu laufen, nicht erst am Ende des Jahres (vgl. Kommentare zum BGB von Palandt/Danckelmann und Soergel/Siebert/Augustin, jeweils § 217 BGB Anm. 1). Das bedeutet, daß die Verjährung jedenfalls bereits am 19. Juli 1968, also gleichfalls vor der Klageerhebung am 2. Dezember 1968 abgelaufen wäre. Es tritt hier keine weitere Verlängerung um die sieben Monate ein, um die die Verjährung durch das Schreiben vom 17. Dezember 1965 möglicherweise gehemmt wurde. Nach § 217 BGB "kommt die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht". Auf die neue Verjährungsfrist hätte die während des Laufs der früheren Verjährungsfrist eingetretene Hemmung daher keinen Einfluß.

Auf die sonach eingetretene Verjährung kann sich der Beklagte berufen. Auch einem öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträger steht das Recht zu, die Einrede der Verjährung zu erheben (BSG 20, 262, 265). Die Klägerin kann dieser Einrede nicht den Gegeneinwand der unzulässigen Rechtsausübung (Verwirkung) entgegenhalten. Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung längere Zeit gewartet hat und besondere Umstände hinzutreten, die die nunmehrige Geltendmachung dem Partner gegenüber illoyal erscheinen lassen (vgl. BSG 7, 199 ff; BVBl 1965, 107; Urteil des erkennenden Senats vom 5. Dezember 1972 - 10 RV 441/71 -). Die in § 21 Abs. 2 BVG angeordnete kurze Verjährung soll das Abrechnungsverfahren zwischen Krankenkasse und Versorgungsverwaltung intensivieren (vgl. BSG 32, 21, 26). Demnach darf die Verwirkung des Rechts, die Verjährung geltend zu machen, nur unter strengen Voraussetzungen angenommen werden. Diese sind hier nicht gegeben. Der Beklagte hat am 17. Dezember 1965 die Klägerin gebeten, den Ausgang eines Rechtsstreits abzuwarten. Er hat aber unmittelbar nach dessen Ende, am 19. Juli 1966, der Klägerin mitgeteilt, daß dieser Rechtsstreit erledigt sei, und die Klägerin dadurch in die Lage versetzt, sich zu überlegen, ob sie nunmehr Klage erheben wolle. Hierfür hatte die Klägerin bis zum Ablauf der Verjährungsfrist noch fast eineinhalb Jahre Zeit; ein solcher Zeitraum überschreitet die einem Gläubiger in Fällen dieser Art bei bereits eingetretener Verjährung zur Verfügung stehende kurze Überlegungsfrist (vgl. BGH in VersR 1960, 517) um ein Erhebliches. Der wiederholte Hinweis des Beklagten darauf, daß er die Berechtigung des Anspruchs noch durch weitere Ermittlungen prüfen wolle, gibt der Klägerin kein Recht, sich auf eine unzulässige Rechtsausübung zu berufen. Der Beklagte macht hier nur das Recht jedes Schuldners geltend, sich bei Inanspruchnahme vor seiner Leistung darüber zu vergewissern, ob die gegen ihn erhobene Forderung begründet ist. Gleiches gilt für das in der Zeit zwischen April und Oktober 1967 von den Beteiligten geführte Telefongespräch. Nach den unangegriffenen Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG ergab sich daraus nur, daß die Angelegenheit beim Beklagten bearbeitet wurde. Es ist nicht erkennbar, auf Grund welcher sonstigen Umstände die Klägerin darauf hätte vertrauen dürfen, daß ihr Anspruch von dem Beklagten erfüllt werden würde.

Die Klägerin ist sich im Gegenteil nach ihren an den Beklagten gerichteten Schreiben, vor allem denen vom 2. Februar 1966, 28. Dezember 1967 und 16. August 1968, der Gefahr der Verjährung durchaus bewußt gewesen. Es hätte deshalb an ihr gelegen, ihre Interessen energischer zu wahren. Sie durfte sich nicht damit begnügen, den Beklagten zum Abschluß einer Stundungsvereinbarung aufzufordern; sie hätte vielmehr rechtzeitig Klage erheben müssen.

Durch sein Schreiben vom 5. April 1966 hat der Beklagte auch nicht zum Ausdruck gebracht, daß er endgültig auf die Einrede der Verjährung verzichten wolle. Dieses Schreiben muß im Zusammenhang mit den Schreiben vom 12. August 1965 und vom 17. Dezember 1965 gesehen werden. Hier hatte der Beklagte davon gesprochen, daß der Rechtsstreit zwischen W. und dem Land Nordrhein-Westfalen möglicherweise nützliche Ergebnisse für den erhobenen Ersatzanspruch zeitigen könnte. Was er in dem Schreiben vom 5. April 1966 ausführte, kann also nur für die Laufzeit jenes Prozesses gelten. Hieraus kann allenfalls entnommen werden, daß er während der Dauer des Rechtsstreits zwischen W. und dem Land Nordrhein-Westfalen die Einrede der Verjährung nicht erheben werde. Das besagt aber nichts für die Zeit nach Abschluß dieses Verfahrens.

Für den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der bis zum 30. Oktober 1963 bewirkten Leistungen kann sich der Beklagte jedoch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen; denn er hat diesen Anspruch durch sein Schreiben vom 28. Oktober 1968 anerkannt.

Es handelt sich insoweit um ein formgerechtes Schuldanerkenntnis entsprechend der Regelung in § 781 BGB; denn der Beklagte erklärt sich in diesem Schreiben bereit, Kostenersatz für die Aufwendungen der Klägerin an Krankengeld und Einkommensausgleich bis zum 30. Oktober 1963 zu leisten, obwohl er die Frage des Zusammenhangs zwischen der Arbeitsunfähigkeit des W. und dessen Schädigungsfolgen für zweifelhaft, jedenfalls bei Erstellung des Gutachtens am 30. Oktober 1963, nicht mehr für gegeben hält. Der Beklagte anerkennt in diesem Schreiben also gerade im Hinblick auf die Zweifelhaftigkeit der Sachlage für die Zeit bis zum 30. Oktober 1963 seine Leistungspflicht. Entgegen den von ihm im Revisionsverfahren erhobenen Bedenken war er dazu auch berechtigt. Es ist zwar richtig, daß der Beklagte nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch durch Vertrag (Vergleich) oder Anerkenntnis nichts gewähren dürfte, wofür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben wären. Ein solches Anerkenntnis würde rechtswirksam weder die abstrakte Schuldverpflichtung i.S. des § 781 BGB noch die Prozeßerledigung nach § 101 SGG zur Folge haben (vgl. BSG 16, 61 mit weiteren Nachweisen). Indessen bedeutet dies die Unwirksamkeit eines Anerkenntnisses nicht schon dann, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen lediglich zweifelhaft sind. Vielmehr ist auch der öffentliche Rechtsträger zur Abgabe einer selbständigen Verpflichtungserklärung berechtigt, wenn er über den Streitgegenstand verfügen darf, d.h. wenn er imstande ist, den materiellen Anspruch auf die begehrte Leistung rechtswirksam zu regeln (vgl. BSG 26, 210; BSG in SozR Nrn. 9 und 10 zu § 101 SGG). Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat bereits im Urteil vom 25. Oktober 1956 entschieden (vgl. BSG 4, 31, 34), daß ein Versicherungsträger nicht gehindert ist, den Anspruch anzuerkennen, wenn dessen Voraussetzungen streitig sind und die erhobenen Beweise nicht zu einem klaren Ergebnis geführt haben. Auch der erkennende Senat hat im Urteil vom 29. April 1968 - 10 RV 12/68 - (BVBl 1969, 131) hervorgehoben, daß der Versorgungsverwaltung bei Vergleich und Anerkenntnis ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, innerhalb dessen sie wirksam verfügen kann, sofern sie nicht eine dem objektiven Recht widersprechende Leistung zugesteht. Selbst wenn man also die Revisionsrügen des Beklagten gegenüber der Feststellung des LSG zum Kausalzusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit des W. und seinen anerkannten Schädigungsfolgen für berechtigt halten wollte, ergäbe sich daraus nur eine Zweifelhaftigkeit dieser Frage, und zwar in erster Linie aus tatsächlichen Gründen. Der Beklagte hat ursprünglich selbst den Standpunkt vertreten, daß der Kausalzusammenhang - wenigstens teilweise - zu bejahen ist. Infolgedessen lag es im oben dargestellten Rahmen seines Verfügendürfens, wenn der Beklagte den Anspruch anerkannte, soweit er selbst sich nicht sicher war, ob die genannte Voraussetzung des Kausalzusammenhangs gegeben war oder nicht. Auf die Entscheidung des BSG vom 2. Februar 1971 - 8 RV 617/69 - beruft sich der Beklagte zu Unrecht; denn dort fehlte es nach dem festgestellten Sachverhalt für den Erstattungsanspruch nach § 19 BVG für den streitigen Zeitraum bereits an der Anerkennung des fraglichen Leidens als Schädigungsfolge. Der Umstand der eingetretenen Verjährung stand der wirksamen Anerkennung des Anspruchs nicht entgegen (vgl. BSG vom 24. November 1972 - 9 RV 646/71 -).

Nach den Gesamtumständen ist auch davon auszugehen, daß die Klägerin das Anerkenntnis des Beklagten, die für die Zeit bis 30. Oktober 1963 erbrachten Leistungen nunmehr zu erstatten, angenommen hat. Weder aus ihrem Verhalten während des anhängigen Rechtsstreits noch aus sonstigen Umständen ist nämlich ersichtlich, daß sie diese Teilverpflichtung des Beklagten hätte ablehnen wollen. Sie ist auch zur Bezifferung ihres Erstattungsanspruchs in der vollen Leistungshöhe erst übergegangen, nachdem der Beklagte gegenüber jeglichem Anspruch die Einrede der Verjährung erhoben hatte.

Der Klägerin steht sonach auf Grund des Anerkenntnisses des Beklagten der streitige Erstattungsanspruch für ihre an W. erbrachten Leistungen an Krankengeld und Einkommensausgleich für die Zeit bis 30. Oktober 1963 zu. Insoweit war die Revision nicht begründet. Wegen des weitergehenden Anspruchs der Klägerin beruft sich der Beklagte jedoch zu Recht auf Verjährung. Auf seine Revision hin mußte das angefochtene Urteil daher in entsprechender Weise abgeändert werden, ohne daß es noch darauf ankam, ob das Berufungsgericht die sachliche Berechtigung des streitigen Anspruchs zu recht bejaht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670533

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