Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Verweisbarkeit eines Versicherten, der - ebenso wie später als Beamter - im Postzustellungsdienst eingesetzt und hierbei tariflich wie ein Facharbeiter eingestuft war.

2. Von der tariflichen Einstufung ist sowohl bei der Prüfung des bisherigen Berufs als auch bei der Beurteilung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit (§ 1246 Abs 2 S 2 RVO) auch dann auszugehen, wenn die Tarifpartner hierbei den anerkannten Ausbildungsberufen andere Tätigkeiten - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - qualitativ gleichgestellt haben.

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs 2 S 2 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 28.05.1982; Aktenzeichen L 6 J 243/81)

SG Speyer (Entscheidung vom 06.08.1981; Aktenzeichen S 7 J 624/80)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) gemäß § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.

Der im Jahre 1926 geborene Kläger hat sein Erwerbsleben mit einer Bäckerlehre begonnen, diese jedoch nicht abgeschlossen. Nach einer Tätigkeit im elterlichen Betrieb und bei einem Winzerverein war er von 1955 bis 1960 Chemiebetriebsarbeiter. Im Mai 1960 nahm er sodann eine Tätigkeit bei der Deutschen Bundespost als Postfacharbeiter auf. Er wurde zunächst nach den Lohngruppen VI und V (angelernter Arbeiter) des bis zum 30. September 1966 geltenden Lohngruppenverzeichnisses zum Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TVArb) entlohnt. Nachdem der Kläger im April 1964 die Prüfung für den einfachen Postdienst abgelegt hatte, wurde er in die Lohngruppe IV (Facharbeiter) eingestuft und ab 1. August 1965 in das Beamtenverhältnis übernommen. Sowohl als Postfacharbeiter als auch als Beamter war er im Zustelldienst eingesetzt. Mit Ablauf des Monats Juni 1978 wurde er als Posthauptschaffner wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Den Rentenantrag des Klägers vom 26. April 1978 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 1979 ab, und sein Widerspruch wurde am 16. September 1980 zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 6. August 1981). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. September 1978 Rente wegen BU zu gewähren. Wegen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat es seine Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 28. Mai 1982). Zwar benötige ein Postfacharbeiter nur eine Anlernzeit von wenigen Wochen. Gleichwohl sei der Kläger zur Gruppe der Facharbeiter zu zählen, weil er einen tariflich gleichwertig eingestuften Beruf versicherungspflichtig ausgeübt habe. Zur Lohngruppe IV, nach der der Kläger im letzten Jahr vor seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis entlohnt worden sei, gehörten sowohl Arbeiter mit Gesellen- oder Facharbeiterbrief als auch Postfacharbeiter, die die Prüfung für den einfachen Postdienst bestanden und eine Tätigkeit mindestens der Lohngruppe V verrichtet hätten. Nach der ab 1. Oktober 1966 geltenden Fassung des Lohngruppenverzeichnisses zum TVArb entspreche die Tätigkeit dem Zustelldienst sogar den besonders hoch eingestuften Facharbeitern der Lohngruppe II. Der Kläger sei nur noch in der Lage, in vollen Schichten leichte körperliche Arbeiten im Sitzen oder Stehen, in temperierten Räumen zu verrichten, soweit sie durchschnittliche Konzentration erforderten und nicht mit Hitze-, Kälte- oder Nässeexpositionen verbunden seien. Mit dieser ihm verbliebenen Erwerbsfähigkeit könne er nicht mehr auf für ihn zumutbare Tätigkeiten verwiesen werden.

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der vom Senat zugelassenen Revision angefochten. Sie rügt eine Verletzung der §§ 1246 RVO und 62, 128 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das Berufungsgericht.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG in vollem Umfang zurückzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Revision für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger steht die ihm vom LSG zugesprochene Rente zu, denn er ist berufsunfähig iS des § 1246 Abs 2 RVO und hat die Wartezeit nach Abs 3 dieser Vorschrift erfüllt.

"Bisheriger Beruf" des Klägers ist iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO die zuletzt versicherungspflichtig bis zur Übernahme in das Beamtenverhältnis am 1. August 1965 ausgeübte Tätigkeit eines Postfacharbeiters. Er wurde damals zuletzt nach der Lohngruppe IV des Verzeichnisses der Lohngruppen in der Anlage 2 zum TVArb vom 6. Januar 1955 in der 1964 und 1965 gültigen Fassung entlohnt. Gegen die Eingruppierung des Klägers in die Gruppe, die durch den Leitberuf des Facharbeiters charakterisiert wird, wendet sich die Beklagte mit der Revision. Zwar ist der Kläger, wie die Beklagte vorträgt, in den Diensten der Deutschen Bundespost zunächst nach den Lohngruppen VI und V als angelernter Arbeiter entlohnt worden. Grundsätzlich ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die letzte Tätigkeit, wenn sie nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt wurde und zugleich die höchstentlohnte war, die "bisherige Berufstätigkeit". Dies gilt selbst dann, wenn sie nur kurzfristig ausgeübt wurde und wegen des Übertritts in eine versicherungsfreie Beschäftigung endete (vgl BSG in SozR 2600 § 45 Nr 34 mwN; Urteil vom 13. Mai 1982 - 5a RKn 4/81 -). Die tatsächliche Aufgabe der zuletzt verrichteten pflichtversicherten Beschäftigung schreibt den bis dahin ausgeübten versicherten Beruf als "bisherigen Beruf" iS des § 1246 Abs 2 RVO notwendig fest (so BSG Urteil vom 20. Januar 1976 in BSGE 41, 129, 130 = SozR 2200 § 1246 Nr 11). Zuletzt war der Kläger als Postfacharbeiter in der Lohngruppe IV versicherungspflichtig beschäftigt. Wenn er auch nach wie vor als Postzusteller eingesetzt war, so hatte er jedoch vor der Höhergruppierung die Prüfung für den einfachen Postdienst abgelegt. Das war ebenso Voraussetzung für die Einstufung in die Lohngruppe IV wie eine mindestens 3-jährige Vollbeschäftigung bei der Deutschen Bundespost. Die darin zum Ausdruck kommenden Qualitätsunterschiede bei der Bewertung der versicherungspflichtigen Tätigkeiten des Klägers lassen es nicht zu, ihn schon deshalb zur Gruppe der "sonstigen Ausbildungsberufe" zu rechnen, weil er zu Beginn seines Berufes als Postzusteller als angelernter Arbeiter entlohnt worden ist. Bei der Lohngruppe IV dagegen handelt es sich um eine Gruppe, die in erster Linie für Facharbeiter galt und von diesen geprägt war. Von den insgesamt neun Positionen dieser Gruppe betrafen mindestens sechs Facharbeiter und Handwerker.

Die Beklagte ist der Ansicht, zur Einordnung in die Gruppe des Mehrstufenschemas, die durch den Leitberuf des Facharbeiters charakterisiert wird, reiche es nicht aus, wenn der Versicherte einen tariflich gleichbewerteten Beruf ausgeübt habe. Das Berufungsgericht habe verkannt, daß sich aus der Entlohnung allein Qualität und betriebliche Bedeutung nicht einfach ablesen ließen. Die bloße tarifliche Einstufung in eine für Facharbeiter vorgesehene Lohngruppe reiche nicht aus, den Versicherten den Facharbeitern gleichzustellen.

Um die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO beurteilen zu können, ist es sowohl erforderlich, die Qualität des bisherigen Berufs als auch die der Verweisungstätigkeit zu bewerten (vgl BSG in SozR aaO Nr 102 mwN). Beides hat im Prinzip nach gleichen Maßstäben zu erfolgen. Als zuverlässiges Indiz für die Qualität einer Tätigkeit sieht das BSG in ständiger Rechtsprechung die tarifliche Einstufung an (vgl die Urteile des erkennenden Senats vom 14. Juli 1982 in BSGE 54, 37, 31 = SozR 2200 § 1246 Nr 95 und vom 8. September 1982 in SozR aaO Nr 98 mwN). Dabei hat der Senat zum Ausdruck gebracht, daß in der Regel alle Merkmale des § 1246 Abs 2 Satz 2 2. Halbs RVO, wie Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit, ihren Ausdruck in der tariflichen Einstufung finden (vgl BSGE 38, 153, 154 = SozR aaO Nr 4 mwN). Abgestellt hat es der Gesetzgeber in der genannten Vorschrift auf die abstrakt betrachtete Berufstätigkeit und gefordert, die Qualität des Berufs zu ermitteln. Deshalb drängt es sich geradezu auf, die zum Ausdruck gekommenen Wertvorstellungen derjenigen Gruppierungen in der Bevölkerung zu berücksichtigen, die die hier relevante Arbeitswelt gestalten und repräsentieren. Das sind vorrangig die Tarifpartner. Diese stufen die Arbeitnehmer nach dem generellen Wert, der Qualität der ausgeübten Tätigkeit ein (vgl Urteil vom 20. Januar 1976 aaO). In der tariflichen Einstufung kommt daher am zuverlässigsten zum Ausdruck, welcher qualitative Wert einer bestimmten Berufstätigkeit beizumessen ist, wobei zu vermuten ist, daß die tarifliche Einstufung durch den Arbeitgeber richtig ist (so BSG in SozR aaO Nr 106). Etwas anderes kann nur gelten, wenn eine - relativ hohe - tarifliche Einstufung im wesentlichen nicht auf die Qualität der Berufstätigkeit, sondern auf die mit ihrer Verrichtung verbundenen Nachteile und Erschwernisse zurückzuführen ist, zB Akkord-, Nacht-, Schmutzarbeit und ähnliches (vgl BSGE 43, 243, 245 = SozR aaO Nr 16). Sofern es sich nicht um eine solche Ausnahme handelt, gehören deshalb zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters nicht nur Facharbeiter selbst, sondern auch die tariflich etwa wie diese eingestuften sonstigen Arbeiterberufe (vgl SozR aaO Nrn 16, 17, 29 und 106).

Die prinzipielle Gleichstellung mehrerer in einer Lohngruppe nach qualitätsorientierten Merkmalen zusammengefaßten Tätigkeiten folgt aus der auf die Qualität der Berufstätigkeit abgestellten Betrachtungsweise des § 1246 Abs 2 RVO. Es gibt durchaus qualitativ hochwertige Tätigkeiten, für die eine bestimmte Ausbildungsdauer weder vorgeschrieben noch üblich ist und die deshalb im Rahmen der Berufsunfähigkeit nicht schlechter als Facharbeiten behandelt werden können (vgl Urteile des Senats vom 28. November 1980 - 5 RJ 78/79 - sowie vom 15. Juli 1982 - 5b RJ 86/81 - und - 5b RJ 90/81 -). Da es abstrakt betrachtet auf die Qualität des Berufs ankommt und dabei die Ausbildung nicht entscheidend ist, ist unerheblich, wie der erforderliche Standard an Kenntnissen und Fähigkeiten erreicht worden ist, wenn der Versicherte nur in der Lage war, den Beruf vollwertig auszuüben. Die tarifliche Einstufung ist nicht nur verläßliches Indiz für die Qualität der Tätigkeit bei Berufen, die nach einer ordnungsgemäßen Ausbildung ausgeübt worden sind; vielmehr ist die Bewertung durch die Tarifpartner auch dann zu akzeptieren, wenn diese den anerkannten Ausbildungsberufen andere Tätigkeiten - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - qualitativ gleichgestellt haben.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die tarifliche Gleichstellung von Tätigkeiten mit "echten" Ausbildungsberufen sowohl für die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters als auch für die Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters gilt und nicht nur bei der Prüfung des "bisherigen Berufs", sondern auch für die Beurteilung der Verweisbarkeit maßgebend ist. An der Verweisung eines Facharbeiters scheitert deshalb der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit im allgemeinen auch dann, wenn die Verweisungstätigkeit nicht wegen ihrer Ausbildungsdauer zu den sonstigen Ausbildungsberufen gehört, tariflich aber von einer Lohngruppe erfaßt wird, in der sonstige Ausbildungsberufe enthalten sind und diese Einstufung nicht erkennbar auf qualitätsfremden Gründen beruht (so Urteil des Senats vom 19. April 1983 - 5b RJ 74/81 - mwN; vgl auch Urteil des 4. Senats in SozR 2200 § 1286 Nr 11). Die zwangsläufige Folge dieser Rechtsprechung ist es, in gleicher Weise der tariflichen Einstufung Bedeutung für die Bewertung der "bisherigen Berufstätigkeit" beizumessen. Was sich bei der Verweisung zum Nachteil des Versicherten auswirken kann, muß - schon um des einheitlichen Maßstabs willen - sich beim "bisherigen Beruf" als Vorteil erweisen können.

Wie der Senat zuletzt im Urteil vom 8. September 1982 (SozR aaO Nr 98) ausgeführt hat, ist im allgemeinen davon auszugehen, daß die tarifliche Einstufung auf der Qualität der Tätigkeit beruht. Nur bei konkreten Anhaltspunkten, die für eine tarifliche Einstufung aufgrund von qualitätsfremden Merkmalen sprechen, müssen die Tatsachengerichte sich zu Ermittlungen über die Qualität einer Tätigkeit gedrängt fühlen. Ist eine Tätigkeit tariflich erfaßt, so ist eine von dieser Einstufung abweichende Bestimmung des qualitativen Wertes nur zulässig, wenn feststeht, daß die tarifliche Einstufung dem qualitativen Wert nicht entspricht (so BSGE 51, 50, 51 = SozR aaO Nr 71).

Aus der Entscheidung des Senats vom 27. Januar 1981 (SozR aaO Nr 77) läßt sich nicht - wie die Beklagte in der Revisionsbegründung meint - Gegenteiliges herleiten. In jenem Fall ging es darum, daß eine allgemein besonders günstig entlohnte Gruppe von Facharbeitern (Fliesenleger) deshalb nicht im Vergleich zu anderen Facharbeitern qualitativ herausgehoben ist. Zwar heißt es jenem Urteil, aus der Entlohnung allein ließen sich Qualität und betriebliche Bedeutung nicht einfach ablesen. Dieser Satz muß aber im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen gesehen werden, wonach entscheidend der aus den tariflichen Tätigkeitsmerkmalen und dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages zu entnehmende qualitative Wert der jeweiligen Tätigkeit ist. In diesem Sinne ist die tarifliche Einstufung - nicht die Entlohnung - auch für sich allein beim Fehlen von Anhaltspunkten für eine nicht an Qualitätsmerkmalen orientierte Einstufung ausreichend, die Qualität der Tätigkeit zuverlässig auszudrücken.

Auch die von der Revision angeführte Entscheidung des 4. Senats vom 7. Oktober 1982 (SozR aaO Nr 99) steht dem nicht entgegen. Dort bot die im Vergleich zur Masse der Kranführer höhere Einstufung jenes Versicherten Veranlassung, nach den dafür maßgebenden Gründen zu fragen. Diese ergaben sich einmal aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages und den auch daraus zu entnehmenden Tätigkeitsmerkmalen des hervorgehobenen Kranführers. Auch der 4. Senat des BSG hat mehrfach entschieden, das wichtigste Indiz für die Bewertung einer Tätigkeit sei ihre tarifliche Einstufung (so im Urteil vom 28. Juni 1979 SozR aaO Nr 46 betreffend den Postzusteller, vgl auch Nr 73), und in ihr komme am zuverlässigsten zum Ausdruck, welchen Wert die am Berufsleben teilnehmenden Bevölkerungskreise über die Tarifparteien einer bestimmten Berufstätigkeit zumessen.

Entsprechend der aufgezeigten Rechtsprechung hat der Senat bereits mit Urteil vom 24. Juni 1983 (5b RJ 74/82 - vgl auch Urteil des 4. Senats vom 28. Juni 1979 aaO) entschieden, daß ein die Lohngruppe IV TVArb eingestufter Postfacharbeiter der Gruppe zuzuordnen ist, die durch den Leitberuf des Facharbeiters charakterisiert wird. Dabei hat der Senat im Einzelnen begründet, daß die Einstufung in die Handwerkerlohngruppe auf der Qualität der Berufstätigkeit beruht. Auch im Falle des Klägers ist das nach den Feststellungen des LSG so, und Anhaltspunkte für qualitätsfremde Merkmale sind nicht vorhanden. Da die Bewertung des Indizes der tariflichen Einstufung nicht dem Revisionsgericht obliegt, sondern dem Tatsachengericht vorbehalten ist (so Urteil des Senats vom 8. September 1982 - 5b RJ 88/81 -), ist der Senat an die Feststellungen des LSG gebunden. Deshalb kann auch hier die Entscheidung des 1. Senats vom 3. November 1982 - 1 RJ 32/82 -, wonach eine in die Lohngruppe IV TVArb eingestufte Paketsortiererin allenfalls einfach angelernte Arbeiten verrichtet, nicht zu einer derartigen Bewertung der Tätigkeit des Klägers führen. Im Falle der Paketsortiererin hatte das LSG nämlich festgestellt, daß die Einstufung in die Lohngruppe IV TVArb nicht im Hinblick auf die Qualität der Tätigkeit, sondern aus sozialen Gründen erfolgt ist.

Schließlich vermag auch nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen, daß der Kläger in der wie ein Facharbeiter entlohnten Tätigkeit des Briefzustellers einen Beamten ersetzte, selbst wenn dieser Umstand bei der Höhe seiner Entlohnung eine Rolle gespielt hat. Die Vergütung von Beamtenpositionen ist ebenfalls nach qualitativen Gesichtspunkten geordnet. Deshalb kann bei einer dem Facharbeiterlohn entsprechenden Vergütung davon ausgegangen werden, daß sie einer qualitativ so hochwertigen Tätigkeit entspricht.

Ausgehend vom bisherigen Leitberuf des Facharbeiters sind aber für den Kläger zumutbare Verweisungstätigkeiten iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO nicht vorhanden. Der erkennende Senat ist an die diesbezüglichen Feststellungen des LSG gemäß § 163 SGG gebunden, weil hiergegen zulässige und begründete Revisionsgründe iS dieser Vorschrift nicht vorgebracht worden sind. Die von der Beklagten als Verfahrensmangel gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs greift insoweit nicht durch. Die Beklagte trägt dazu vor, das LSG habe zu der von ihm erörterten Verweisungstätigkeit eines gehobenen Pförtners festgestellt, daß diese Tätigkeit mit nicht unerheblichen nervlichen Belastungen verbunden sei und beträchtliche Anforderungen an Konzentrationsvermögen, Merkfähigkeit und geistige Wendigkeit stellten. Entgegen ihrem Vorbringen hatte die Beklagte ausreichend Gelegenheit, zu den Anforderungen einer Beschäftigung als gehobener Pförtner Stellung zu nehmen. Das Berufungsgericht hat mit Schreiben vom 12. Mai 1982 die Beteiligten darauf hingewiesen, es ziehe eine solche Verweisung in Betracht. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Mai 1982 seine Ansicht begründet, weshalb er den Belastungen eines gehobenen Pförtners nicht mehr gewachsen sei. Die Beklagte hätte sich folglich darauf einstellen und gegenteilige Argumente mit entsprechendem Beweisantrag vorbringen können.

Die somit unbegründete Revision der Beklagten mußte deshalb zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 72

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