Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde

 

Orientierungssatz

1. Ob die Beweiswürdigung des LSG zutreffend ist oder das LSG die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten hat, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht nachprüfbar.

2. Ob psychische Einwirkungen im Einzelfall zu einer Gesundheitsstörung oder zum Tode geführt haben, ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Dies gilt auch für die Frage der Beweislast und Beweislastumkehr.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 13.11.1985; Aktenzeichen L 3 U 119/83)

 

Gründe

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes, den sie auf betriebliche Einwirkungen zurückführt, Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten, ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 12. Juli 1983 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 13. November 1985).

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt die Beschwerdeführerin als Verfahrensmangel, das LSG habe gegen seine Pflicht verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, weil es ihren in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei.

Diese Rüge ist nicht begründet.

Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) liegt nur vor, wenn das Gericht eine Beweiserhebung nicht durchführt, obwohl es sich aus seiner Sicht hätte dazu gedrängt fühlen müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Da nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, nicht zulässig gerügt werden kann, ist das Bundessozialgericht (BSG) bei der Prüfung, ob § 103 SGG verletzt ist, an die Würdigung des LSG der von diesem erhobenen oder verwerteten Beweise auch insofern gebunden, als es nicht prüfen darf, ob das LSG dabei die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Das BSG muß also im Rahmen des § 160 Abs 2 Satz 3 SGG davon ausgehen, daß das LSG die zu dem aufzuklärenden Sachverhalt eingeholten Beweise fehlerfrei gewürdigt hat (BSGE aaO). Die Klägerin hat in ihren Schriftsätzen, auf die sie in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, beantragt, die Unterlagen von Frau Dr K und Dr. J über die Untersuchungen des Ehemannes der Klägerin beizuziehen und Frau Dr K als sachverständige Zeugin zu vernehmen. Diese Anträge hat die Klägerin im Anschluß an das Gutachten von Prof Dr W und Dr A vom 4. September 1985 gestellt, in dem diese Sachverständigen Befunde darüber für notwendig bezeichneten, ob der Ehemann der Klägerin an einer betriebsbedingten Stoffwechselerkrankung litt, die den Tod des Ehemannes der Klägerin mitverursacht haben könnten. Das LSG hat diese Beweiserhebungen nicht durchgeführt, weil es zugunsten der Klägerin unterstellt hat, daß deren Ehemann eine Fettstoffwechselerkrankung als Folge einer chronischen Einwirkung von chlorierten Kohlenwasserstoffen und ihre Verunreinigungen wie PCDD und PCDF gelitten habe. Die Klägerin meint, die Unterstellung sei unzureichend, da nicht auszuschließen sei, daß aus den vorzulegenden Unterlagen derart starke Auswirkungen ersichtlich gewesen oder durch weitere wissenschaftliche Überprüfung festgestellt worden wären, daß ihre Ursächlichkeit wahrscheinlicher als alle anderen denkbaren Ursachen für die Erkrankung und den Tod des Versicherten gewesen wären und hiermit der Klägerin der Nachweis der doppelten Kausalität gelungen wäre. Das LSG ist im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, daß auch bei Vorliegen einer betriebsbedingten Fettstoffwechselerkrankung der ursächliche Zusammenhang mit dem Tod des Ehemannes der Klägerin und diese Erkrankung nicht wahrscheinlich sei. Dabei ist das LSG nicht davon ausgegangen, daß dieses Beweisergebnis davon abhängig ist, wie stark die Fettstoffwechselerkrankung ausgebildet war. Ob diese Beweiswürdigung zutreffend ist oder das LSG die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten hat, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde - wie aufgezeigt - nicht nachprüfbar.

Die Beschwerdeführerin macht außerdem geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Es stelle sich im Hinblick auf die Auseinandersetzung ihres Ehemannes mit der Putzfrau unmittelbar vor seinem Tod die Frage, ob derartige psychische Einwirkungen allgemein gesehen geeignet seien, Gesundheitsstörungen herbeizuführen und insbesondere im vorliegenden Fall diese Folgen gehabt hätten. Außerdem sei es von grundsätzlicher Bedeutung, welche Anforderungen an die Beweislast zu stellen seien und ob in den Fällen, in denen der Versicherte mit hochgiftigen Substanzen arbeite, eine Umkehr der Beweislast eintrete.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargelegt. Sie ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, S 36 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; Beschlüsse des Senats vom 18. Februar 1981 - 2 BU 61/81 - und vom 23. Januar 1987 - 2 BU 202/86 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint. Hieran fehlt es beim Beschwerdevorbringen der Klägerin. Daß auch bei psychischen Einwirkungen, die innerhalb einer Arbeitsschicht zu Gesundheitsstörungen oder zum Tode führen, eine Entschädigungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben sein kann, hat der Senat sogar für die Fälle der Selbsttötung bereits entschieden (BSG Urteil vom 18. Dezember 1979 - 2 RU 77/77 - USK 79208; BSG Beschluß vom 5. Februar 1980 - 2 BU 31/79 -; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-10. Aufl, S 489m) und auch das LSG geht davon aus. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit der Rechtsprechung nicht auseinander und legt auch nicht dar, welche Frage von grundsätzlicher Bedeutung aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreites in einer Revisionsentscheidung auch unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Rechtsprechung noch zu klären wäre. Ob die psychischen Einwirkungen im Einzelfall zu einer Gesundheitsstörung oder zum Tode geführt haben, ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Dies gilt auch für die von der Beschwerdeführerin außerdem als von grundsätzlicher Bedeutung angesehenen Frage der Beweislast und Beweislastumkehr. Das BSG hat in vielen Entscheidungen zu der von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehenen Frage Stellung genommen, wie die Beweislast im sozialgerichtlichen Verfahren verteilt ist (vgl zB BSGE 19, 52; 30, 121, 123; 35, 216 und die Übersicht bei Brackmann aaO S 244m II und S 480m I). Daß dennoch eine klärungsbedürftige Frage offengeblieben ist, legt die Beschwerde nicht dar; sie ist insoweit unzulässig.

Die Beschwerde war insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666126

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