nicht-rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Herzinfarkt (oder Sekundenherztod) infolge Aufregung aber freches Verhalten von Arbeitskollegen ist eine so überragend persönlichkeitseigene Reaktion, daß er nicht als Arbeitsunfall gesetzlich versicherungsgeschützt sein kann.

2. Eine durch schleichende Vergiftung beim langjährigen beruflichen Umgang eines Pflanzenschutz-Technikers mit Dioxinen, Furanen und anderen Chemikalien erworbene Fettstoffwechselstörung – mit oder ohne Leberverfettung – ist nur ein Risikofaktor wie der auf andere toxische Weise erworbene gleiche Leberschaden und begründet daher nicht schon für sich allein die Wahrscheinlichkeit, wesentlich mitwirkende Ursache des Todes gewesen zu sein. Unzählige Menschen mit Fettstoffwechselstörung und bereits verfetteter Leber sterben nicht vorzeitig an Herzinfarkt und Sekundenherztod.

 

Normenkette

RVO §§ 548, 551

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 12.07.1983; Aktenzeichen S 7 U 139/82)

 

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 12. Juli 1983 wird zurückgewiesen.

2. Auch im Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein plötzlicher Herztod des Ehemannes der Klägerin berufsbedingt war und sie infolgedessen Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

Der am … 1928 in H./N. geborene A. H. (Versicherter) und die Klägerin waren seit 1950 miteinander verheiratet. Nach erfolgreichem Abschluß seiner Lehre als Chemiewerker im Jahre 1944 arbeitete der Versicherte zunächst in den chemischen Laboratorien der wissenschaftlichen Abteilung bei der Firma B. in I.. Er wurde 1947 in das Pflanzenschutz-Labor versetzt und dort zum Pflanzenschutz-Techniker und Schädlingsbekämpfer fortgebildet. Von 1953 bis 1961 war er auch als Pflanzenschutz-Techniker auf dem Versuchsgut der Firma B. und seitdem in deren zoologischem Labor S. tätig. In S., und zwar in der Abteilung biologische Forschung, blieb er auch ab 1972 nach Übernahme der dortigen Laboratorien durch die neugegründete Firma C.. Nach Auskunft der Firma C. an die Beklagte vom 22. April 1982 ereignete sich am Montagnachmittag des 30. Juni 1980 gegen 14.00 Uhr folgendes: Der Versicherte wollte Testpräparate in Regale einräumen. Zuvor rief er nach der Putzfrau des Gebäudes. Als diese, nachdem sie zuerst etwas Anderes erledigt hatte, zu ihm kam, war er aufgeregt und beanstandete, daß nicht sauber geputzt worden sei. Daraufhin legte die Putzfrau eine Trittleiter an und bestätigte, daß die Regale erst gereinigt werden müßten. Als sie hinzufügte, morgen sei auch noch ein Tag zum Einräumen der Präparate, fiel der Versicherte, sie noch mitreißend, tot zu Boden. Als Todesursache stellte der praktische Arzt J. S. aus S. einen sogenannten Sekundenherztod fest.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 11. Februar 1982 gab die Klägerin an, erst jetzt darauf hingewiesen worden zu sein, daß der Tod ihres Mannes „eine Sache für die Berufsgenossenschaft” sei. In der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 1984 hat sie erläutert, die Ehefrau des verstorbenen Betriebsarztes Dr. K. habe zu ihr gesagt, dieser sei der Ansicht gewesen, ihr Mann werde einmal infolge des dauernden Umganges mit den verschiedenen Pflanzenschutzgiften sterben. Nach Befragung von fünf Ärzten lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 24. Juni 1982 Hinterbliebenenleistungen ab: Der Versicherte sei an einem anlagebedingten, schicksalhaften (zweiten) Herzinfarkt gestorben. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sei nicht wahrscheinlich, zumal bei dem Versicherten Risikofaktoren wie z.B. Nikotinmißbrauch, erhöhte Blutfettwerte und Bluthochdruck hinzugekommen seien.

Mit ihrer am 19. Juli 1982 beim Sozialgericht Mainz eingegangenen Klage hat die Klägerin vorgebracht: Es könne kein Zufall sein, sondern lasse sich nur durch den dauernden Umgang mit chemischen Giftstoffen erklären, daß auch der am … 1934 geborene G. Ch., der mit ihrem Ehemann seit Jahren zusammengearbeitet habe, am 17. Juli 1982 einem Sekundenherztod erlegen sei. Bei ihrem Ehemann seien schon zweimal berufsbedingte Lymphdrüsenerkrankungen durch Infektionen hervorgerufen worden. Durch Urteil vom 12. Juli 1983 hat das Sozialgericht Mainz die Klage abgewiesen: Es fehle an einem Nachweis für berufsbedingte Veränderungen des Blutbildes, namentlich für Vergiftungserscheinungen mit Leberschädigung als Folge. Schon 1968 sei der Verdacht auf coronare Insuffizienz geäußert worden. Im Jahre 1970 habe sich der erste Hinterwandinfarkt ereignet. Für die Erhöhung der Blutfettwerte und des Blutdrucks seien als Ursache sowohl eine angeborene Disposition als auch das Rauchen in Betracht zu ziehen. Der Versicherte sei in einem Alter gewesen, in dem der Herzinfarkt eine häufige Todesursache auch in den Fällen sei, wo ein Kontakt mit den vom Ehemann der Klägerin und Herrn Ch. verwendeten Chemikalien nie stattgefunden habe.

Gegen das am 15. August zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 14. S...

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