Leitsatz (amtlich)

Der Prozeßbevollmächtigte kann verpflichtet sein, eine gesetzlich vorgesehene Fristverlängerung zu beantragen, wenn damit eine Wiedereinsetzung vermieden wird (Anschluß an BGH 1974-10-16 IV ZB 32/74 = NJW 1974, 2321).

 

Normenkette

SGG § 67 Abs 1 Fassung: 1953-09-03, § 164 Abs 2 S 2 Fassung: 1974-07-30

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 10.02.1981; Aktenzeichen L 15 Kn 12/80)

SG Köln (Entscheidung vom 28.11.1979; Aktenzeichen S 17 Kn 54/78)

 

Gründe

Zu den Voraussetzungen, unter denen nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann, gehört, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist im Falle des Klägers zu verneinen, denn die Revisionsbegründung ist verspätet beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen, und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Kläger insoweit nicht zu bewilligen.

Die Revision des Klägers ist nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des angefochtenen Urteils, die am 12. März 1981 erfolgt ist, begründet worden. Der die Revisionsbegründung enthaltende Schriftsatz des Klägers ist erst am 13. Mai 1981 beim BSG eingegangen. Da auch eine Verlängerung der Begründungsfrist durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägern nicht beantragt wurde, ist somit die - am 12. Mai 1981 abgelaufene - Frist des § 164 Abs 2 Satz 1 SGG versäumt.

Dem Kläger kann wegen der Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 67 Abs 1 SGG). Er war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung einzuhalten. Das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten steht dabei dem Verschulden des Klägers gleich.

Nach Darstellung des Klägers ist es zur Fristversäumnis wie folgt gekommen: In der Praxis des Prozeßbevollmächtigten sei die Revisionsbegründung am 11. Mai 1981 von dem damit beauftragten Referendar auf Tonband diktiert worden. Dieser und der Bevollmächtigte seien am Nachmittag wegen eines auswärtigen Termins nicht in der Praxis gewesen. Nach der Rückkehr in den späten Abendstunden habe der Bevollmächtigte eine Nachricht vorgefunden, wonach das Tonband gerissen sei und das Diktat daher nicht habe geschrieben werden können. Die Revisionsbegründung sei sodann von dem Referendar erneut diktiert und in den Morgenstunden des 12. Mai 1981 geschrieben worden.

Zwar stand es dem mit der Vertretung des Klägers beauftragten Anwalt frei, die Frist zur Revisionsbegründung bis zuletzt auszuschöpfen; kurz vor Ablauf der Frist bestand aber eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Es kann hier unentschieden bleiben, welche Vorkehrungen beim Diktat der Revisionsbegründung auf Tonband zu treffen waren, um den Eingang des Schriftsatzes am folgenden Tage beim BSG zu gewährleisten. In jedem Falle hätte der Bevollmächtigte des Klägers die Fristversäumnis verhindern können. Er hätte nach eigenem Vorbringen ohne den erwähnten technischen Defekt den Schriftsatz mit der Revisionsbegründung erst am Abend des 11. Mai 1981 unterzeichnen und zur Post geben können. Unterstellt, das hätte zur Fristwahrung ausgereicht, dann wäre es dem Bevollmächtigten auch möglich gewesen, noch rechtzeitig vor Fristablauf eine bislang nicht erfolgte Verlängerung der Begründungsfrist gemäß § 164 Abs 2 Satz 2 SGG zu beantragen. Der Anwalt des Klägers war verpflichtet, dafür zu sorgen, daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht notwendig wurde. Das hätte am 11. notfalls handschriftlich und am 12. Mai 1981 auch noch telegraphisch durch einen Verlängerungsantrag, dem stattgegeben worden wäre, geschehen können (vgl BGH in VersR 1975, 86).

Da die Fristversäumnis auf dem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten beruht und bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte vermieden werden können, kann dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.

Die nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (§ 164 Abs 2 Satz 1 SGG) begründete Revision muß als unzulässig verworfen werden (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1982, 1010

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