Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. künstliche Befruchtung. kein Leistungsanspruch bei privatkrankenversichertem Ehepartner. Leistungserbringung für Versicherte und nicht für am Versicherungsverhältnis unbeteiligte Dritte

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 27a SGB 5 gewährt einem Versicherten keinen auch die Behandlungsmaßnahmen beim Ehepartner umfassenden Leistungsanspruch, wenn dieser privat krankenversichert ist und sein Versicherungsvertrag für diesen Fall keine Leistungen vorsieht. Darin liegt keine verfassungswidrige "Ungleichbehandlung" mit Eheleuten, die beide gesetzlich krankenversichert sind und bei denen deshalb die beteiligten Krankenkassen letztlich die Kosten für beide Partner zu übernehmen haben.

2. Dass eine Krankenkasse grundsätzlich nur Leistungen für den bei ihr Versicherten innerhalb des mit ihm bestehenden Versicherungsverhältnisses zu erbringen hat, nicht aber für an dem Versicherungsverhältnis nicht beteiligte Dritte, stellt im Übrigen einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland dar.

 

Normenkette

SGB 1 § 4 Abs. 2; SGB 5 §§ 1, 2 Abs. 1, §§ 19, 27a Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.12.2007; Aktenzeichen L 16 KR 132/07)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.07.2007; Aktenzeichen S 8 KR 270/05)

 

Tatbestand

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger begehrt die Kostenerstattung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, soweit diese am Körper seiner privat krankenversicherten Ehefrau durchgeführt worden sind.

Der Kläger leidet an einer sekundären Sterilität, als deren Folge die Ehe mit seiner Ehefrau, bei der keine Fertilitätsstörung vorliegt, ungewollt kinderlos geblieben ist. Nachdem zwei Behandlungszyklen (In-vitro-Fertilisation - IVF - und intracytoplasmatische Spermieninjektion - ICSI -), die die Eheleute als Selbstzahler privat finanziert hatten, ohne Erfolg verlaufen waren, beantragte der Kläger im Oktober 2002 die vollständige Kostenübernahme einer geplanten weiteren Behandlungseinheit der IVF/ICSI. Die private Krankenversicherung der Ehefrau lehnte eine Kostenbeteiligung ab, weil die zur Kinderlosigkeit führende Gesundheitsstörung nicht in der Person ihrer Versicherten liege und der Versicherungsvertrag in diesem Falle keine Leistungen vorsehe. Die Beklagte erteilte eine Kostenzusage für die Maßnahmen am Körper des Klägers sowie für die extrakorporalen Maßnahmen, lehnte aber eine Kostenübernahme für die Maßnahmen am Körper der Ehefrau ab (Bescheid vom 10.3.2003, Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003). Nach den im November 2003 und Februar 2004 erfolgten Behandlungen zahlte sie einen Betrag von 2.793,24 Euro für die Maßnahmen am Körper des Klägers und für die extrakorporalen Maßnahmen (Bescheid vom 7.9.2004).

Das Sozialgericht hat die Klage auf Erstattung der Kosten für die am Körper der Ehefrau durchgeführten Maßnahmen abgewiesen (Urteil vom 26.7.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 6.12.2007). Es hat ausgeführt, ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V scheide aus, weil § 27a SGB V eine Leistungspflicht für Maßnahmen am Körper des nicht an einer Fertilitätsstörung leidenden, privat krankenversicherten Ehegatten ausschließe. Hinsichtlich des im Februar 2004 begonnenen Behandlungsversuches komme hinzu, dass der Kläger die Kostenübernahme bei der Beklagten nicht vorher beantragt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG gerichtete, fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

Nach der Beschwerdebegründung hat der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die Krankenkasse des an einer Fruchtbarkeitsstörung leidenden Versicherten auch die Kosten für die am Körper der Ehefrau durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu übernehmen hat, wenn diese privat versichert ist und ihr Versicherungsvertrag für diesen Fall keinen Versicherungsschutz bietet. Die Rechtsfrage hat jedoch keine grundsätzliche Bedeutung mehr, nachdem der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) durch Urteil vom 17.6.2008 - B 1 KR 24/07 R - diese Rechtsfrage geklärt hat. In dem Urteil ist - bezüglich eines Ehepaares, bei dem (wie hier) ein Partner gesetzlich und der andere Partner privat krankenversichert war - unter Hinweis auf frühere Entscheidungen zu ähnlich gelagerten Sachverhalten entschieden worden, dass auch in dieser Konstellation der Anspruch eines Versicherten gegen seine Krankenkasse gemäß § 27a SGB V alle Maßnahmen umfasst, die "bei ihm", dh unmittelbar an oder in seinem Körper, erforderlich sind. Der Leistungsanspruch umfasst ferner die extrakorporalen Maßnahmen, und zwar unabhängig davon, bei welchem Ehegatten die Unfruchtbarkeit vorliegt. Eine Krankenkasse ist gegenüber ihrem Versicherten hingegen nicht leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am oder im Körper des nicht bei ihr versicherten Ehegatten ausgeführt werden (so bereits BSGE 88, 51 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 1 RdNr 11 ff) . Es ist dann Sache dieses Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse, privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen (so auch schon BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 1 RdNr 13).

Nach dieser gefestigten Rechtsprechung gewährt die Regelung des § 27a SGB V einem Versicherten keinen auch die Behandlungsmaßnahmen beim Partner umfassenden Leistungsanspruch, wenn der Partner privat krankenversichert ist und sein Versicherungsvertrag für diesen Fall keine Leistungen vorsieht. Darin liegt keine verfassungswidrige "Ungleichbehandlung" mit Eheleuten, die beide gesetzlich krankenversichert sind und bei denen deshalb die beteiligten Krankenkassen letztlich die Kosten für beide Partner zu übernehmen haben (§ 27a Abs 3 SGB V). Entgegen der Auffassung des Klägers beruht das Ergebnis nicht auf einer mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG unvereinbaren Auslegung des Gesetzes, sondern auf einem "Defizit" im Versicherungsverhältnis der Ehefrau des Klägers, das auch nicht auf eine Anordnung des Gesetzgebers (zB im Versicherungsvertragsgesetz), sondern auf eine vertragliche Vereinbarung der Ehefrau mit dem privaten Krankenversicherungsunternehmen über den Umfang ihres Versicherungsschutzes zurückgeht. Dass eine Krankenkasse grundsätzlich nur Leistungen für den bei ihr Versicherten innerhalb des mit ihm bestehenden Versicherungsverhältnisses zu erbringen hat (§ 4 Abs 2 SGB I, §§ 1, 2 und 19 SGB V) , nicht aber für an dem Versicherungsverhältnis nicht beteiligte Dritte, stellt im Übrigen einen wesentlichen Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland dar. Die alle Maßnahmen umfassende Übernahme der Kosten nach § 27a SGB V für ein gesetzlich krankenversichertes Ehepaar ist Ausdruck dieses Grundsatzes, weil es um zwei sich ergänzende Leistungsansprüche der Ehepartner aus zwei getrennten Versicherungsverhältnissen geht.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2079677

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