Leitsatz (amtlich)

Hatte ein Rechtsmittelführer die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt, weil er außerstande war, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, so steht ihm nach Ablehnung des Armenrechtsgesuchs wegen mangelnder Erfolgsaussicht für die Begründung der Beschwerde eine Frist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses, mit dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einlegung der Beschwerde bewilligt wird, zur Verfügung (Fortführung von BSG 1977-10-20 1 BA 55/77 = SozR 1500 § 164 Nr 9; Anschluß an BSG 1978-03-11 10 BV 47/78).

 

Normenkette

SGG § 164 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 160a Abs. 2 S. 1 Fassung: 1974-07-30, § 164 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1974-07-30, § 67 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.05.1977; Aktenzeichen L 5 Ar 1226/76)

SG Ulm (Entscheidung vom 17.05.1976; Aktenzeichen S 5 Ar 1291/75)

 

Tenor

Dem Kläger wird bezüglich der versäumten Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Mai 1977 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

 

Gründe

Der Kläger hat am 11. August 1977 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bundessozialgerichts beantragt, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 15. Juli 1977 als zugestellt geltenden Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 17. Mai 1977 das Armenrecht zu bewilligen.

Durch den dem Kläger am 9. Februar 1978 als zugestellt geltenden Beschluß (§ 63 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - iVm § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes) vom 30. Januar 1978 hat der Senat den Antrag auf Bewilligung des Armenrechts abgelehnt.

Mit einem am 9. März 1978 - und somit vor Ablauf der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 8. März 1978 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 17. Mai 1977 Beschwerde eingelegt, ohne diese bisher zu begründen.

Die Wiedereinsetzung ist dem Kläger zu bewilligen. Insbesondere ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht deshalb unzulässig, weil die Nichtzulassungsbeschwerde wegen der Verspätung der Beschwerdebegründung als unzulässig verworfen werden müßte. Die Frist für die Begründung der Beschwerde ist bisher nicht abgelaufen. Vielmehr steht dem Rechtsmittelführer - wie das BSG bereits entschieden hat - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Einlegungsfrist ein weiterer Monat für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zur Verfügung (BSG in SozR 1500 Nr 9 zu § 164). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Es macht keinen Unterschied, ob die Einlegungsfrist wegen des laufenden Armenrechtsgesuchs oder wegen anderer Gründe versäumt war (vgl BSG - Beschluß vom 11. März 1978 - 10 BV 47/78 -). In beiden Fällen würde der Beschwerdeführer ohne die Entscheidung, daß die Begründungsfrist erst mit der Wiedereinsetzung hinsichtlich der Einlegungsfrist beginnt, genötigt sein, das Rechtsmittel zu begründen, bevor er weiß, ob ihm wegen der Versäumung der Einlegungsfrist Wiedereinsetzung gewährt wird. Ob die Rechtslage anders ist, wenn dem Beschwerdeführer das Armenrecht bewilligt worden ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Dem Wiedereinsetzungsantrag ist stattzugeben, da das Armenrechtsgesuch auf ein von der Behörde vorbehaltlos bezeugtes Unvermögen zur Bestreitung der Prozeßkosten gestützt war (vgl BSG vom 2. August 1974 - 9 RV 288/74 -).

Der Kläger wird nunmehr die Beschwerde binnen eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661839

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