Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung. Erfüllung der für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte erforderlichen 45-jährigen Wartezeit. Anrechnungsausschluss von Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Nach der Rechtsprechung des BSG bestehen im Rahmen der Prüfung der Erfüllung der für einen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte erforderlichen Wartezeit von 45 Jahren keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den grundsätzlichen Anrechnungsausschluss von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn.

 

Normenkette

SGB VI § 51 Abs. 3a S. 1 Nr. 3 Buchst. a, Nr. 3 Teils 2, Nr. 3 Teils 3; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 24.11.2017; Aktenzeichen L 5 R 274/16)

SG Gießen (Urteil vom 14.06.2016; Aktenzeichen S 17 R 391/15)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. November 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I. Der im August 1951 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

Er war knapp 36 Jahre bei der K AG im Vertrieb beschäftigt. Am 4.12.2012 schloss er vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main einen Vergleich mit der AG, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund einer zuvor ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung zum 31.12.2012 endete. Der Kläger erhielt eine Abfindung iHv 50 000 Euro. Er bezog vom 1.1.2013 bis zum 30.12.2014 Arbeitslosengeld. Im Versicherungskonto des Klägers wurden insgesamt 549 Monate Beitragszeiten bis zum 31.12.2014 vorgemerkt einschließlich der Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs.

Der Kläger beantragte am 28.10.2014 die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Januar 2015. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Da die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht zu berücksichtigen seien, sei die Wartezeit von 45 Jahren (540 Kalendermonate) nicht erfüllt (Bescheid vom 18.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 3.8.2015). Auf den hilfsweise gestellten Antrag des Klägers hin bewilligte sie ihm eine am 1.1.2015 beginnende Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit (Bescheid vom 18.3.2015). Wegen des vorzeitigen Rentenbezugs wurde diese Rente mit einem Zugangsfaktor von 0,928 berechnet, was einem Rentenabschlag von 7,2 Prozent entspricht.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.6.2016), das LSG die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 24.11.2017). Die Monate Januar 2013 bis Dezember 2014 seien nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn lägen. Der in dieser Zeit erfolgte Bezug von Arbeitslosengeld sei auch nicht durch eine vollständige Geschäftsaufgabe bedingt worden, was hier als Rückausnahme nach § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 1 SGB VI allein in Betracht komme. Die AG habe lediglich ihren Geschäftsbetrieb umstrukturiert und dem Kläger ein neues Aufgabengebiet zugewiesen. Selbst wenn man § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 1 SGB VI erweiternd auf jede unfreiwillige und unverschuldete Beendigung der Beschäftigung auslegen wolle, wäre der Fall des Klägers nicht erfasst. Der Kläger werde auch weder in einer vertrauensgeschützten Rechtsposition verletzt noch bestünden sonstige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 10.4.2018 begründet hat. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Senat hat auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet, um den Ausgang der seinerzeit beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des BSG vom 17.8.2017 (B 5 R 8/16 R) und 28.6.2018 (B 5 R 25/17 R) abzuwarten (Beschluss vom 14.8.2018). Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung angenommen worden (BVerfG ≪Kammer≫ Beschlüsse vom 1.6.2022 - 1 BvR 323/18 und 1 BvR 2611/18). Mit Verfügung vom 2.5.2023 ist das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wieder aufgenommen worden. Der Kläger hat seine Beschwerde aufrechterhalten und sich mit Schriftsätzen vom 21.4.2023 und 1.8.2023 geäußert.

II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist jedenfalls unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGG). Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob die Beschwerdebegründung in jeder Hinsicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form genügt (vgl zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4; BSG Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 146/22 B - juris RdNr 6; vgl zu der Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenzulassen, BSG Beschluss vom 16.10.2019 - B 13 R 175/18 B - juris RdNr 8). Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl etwa BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 16.11.2022 - B 5 R 112/22 B - juris RdNr 7). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl zB BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 6.6.2023 - B 5 R 214/22 B - juris RdNr 7). Die Klärungsbedürftigkeit muss noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde bestehen (vgl zB Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 95 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind inzwischen höchstrichterlich entschieden.

a) Der Kläger formuliert zunächst die Rechtsfragen,

"Wie ist das Tatbestandsmerkmal der 'vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers' in § 51 Abs. 3a S. 1 Nr. 3 SGB VI auszulegen?

a) Welche Bedeutung kommt dabei dem Begriff Geschäft zu? Kann es sich beim Begriff des Geschäfts um ein Rechtsgeschäft handeln mit der Folge, dass auch ein Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis davon umfasst ist?

b) Welche Bedeutung ist insoweit dem Begriff der 'vollständigen Aufgabe' beizumessen? Ist ein Arbeitsverhältnis des Arbeitgebers vollständig aufgegeben, wenn es durch eine (betriebsbedingte) Kündigung des Arbeitgebers beendet wird?

c) Muss das oder ein Geschäft des Arbeitgebers vollständig aufgegeben werden oder muss ein vollständiges Geschäft aufgegeben werden?".

Er trägt vor, der Begriff "vollständige Geschäftsaufgabe" sei in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI erstmals verwendet worden und bedürfe der Klärung, auch in Abgrenzung zu einer ähnlichen Formulierung in § 165 Abs 1 Nr 3 SGB III ("vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland"). Ungeklärt sei insbesondere, ob die Basis von Beschäftigungsverhältnissen bereits mit dem Wegfall einzelner Unternehmensbereiche wegfalle. Der Kläger verweist auf den prozesshaften und komplexen Charakter einer Geschäftsaufgabe und trägt zu verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten des Begriffs "vollständige Geschäftsaufgabe“ vor. Die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedoch durch die inzwischen zu § 51 Abs 3a SGB VI ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen geklärt.

Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des 5. und des - inzwischen geschlossenen - 13. Senats des BSG ist ein Arbeitslosengeldbezug nur dann durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt, wenn das gesamte Unternehmen des konkreten rechtlichen Arbeitgebers als Basis vorhandener Beschäftigungen wegfällt, dh die gesamte Unternehmensorganisation insbesondere durch Entlassung aller Arbeitnehmer, also Beendigung sämtlicher Beschäftigungen, und Veräußerung oder sonstige Weggabe aller Sachmittel aufgelöst wird (vgl bereits BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 28; BSG Beschluss vom 13.1.2020 - B 5 R 256/19 B - juris RdNr 10; BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 29; BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 19). Der 5. Senat hat den prozesshaften Charakter einer Geschäftsaufgabe betont, an dessen Ende erst der völlige Wegfall der Unternehmensorganisation und damit der Wegfall der Basis von Beschäftigungen steht (BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 54). Dabei ist geklärt, dass eine vollständige Geschäftsaufgabe nicht bereits dadurch erfolgt, dass einer von mehreren Betrieben des Arbeitgebers geschlossen wird (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 55; BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 29 ff).

b) Der Kläger formuliert ferner die Frage:

"Verstößt § 51 Abs. 3a Nr. 3a SGB VI (Anmerkung: gemeint ist offensichtlich Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3) dadurch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, dass mit dem Merkmal der 'vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers' ein Differenzierungsmerkmal gewählt wurde, dass nicht geeignet ist, den gesetzgeberischen Zweck zu verwirklichen?".

Er ist der Auffassung, die Beschränkung der Rückausnahme auf Personen, deren Arbeitslosengeldbezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), weil auch in anderen Fällen unverschuldeter Arbeitslosigkeit ein missbräuchliches Zusammenwirken von (früherem) Arbeitgeber und Versichertem unwahrscheinlich sei. Der Gesetzgeber habe den Rahmen einer zulässigen Typisierung verlassen, wenn er in allen anderen als den in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI genannten Fällen die Gefahr einer missbräuchlichen Frühverrentung erkenne. Für eine solche Annahme fehle es an tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkten. Es dürfe auch nicht von der Gesellschaftsform des Arbeitgebers und anderen Zufälligkeiten abhängen, ob eine vollständige Betriebsaufgabe bereits durch die arbeitgeberseitige Kündigung aller Beschäftigten herbeigeführt werde. Er, der Kläger, habe bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zudem nicht absehen können, dass der Gesetzgeber in der Folgezeit für besonders langjährige Versicherte die Möglichkeit einer (abschlagsfreien) Rente mit einem Renteneintrittsalter von 63 Jahren schaffen werde. Die vom Kläger damit aufgeworfenen Fragen, ob die Regelungen in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsätze 2 und 3 SGB VI gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verstoßen, bedürfen für die hier zugrunde liegende Konstellation indes keiner weiteren Klärung.

Der 5. und der 13. Senat des BSG haben sich in mehreren Entscheidungen nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen überzeugen können (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 41 ff; BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 82 ff; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 30 ff; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 5/17 R - juris RdNr 28 ff; BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, SozR 4-2600 § 236b Nr 2, RdNr 49 ff). Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden gegen die beiden erstgenannten Urteile, wie erwähnt, nicht zur Entscheidung angenommen. Die höchstrichterlichen Entscheidungen zu § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Teilsätze 2 und 3 SGB VI sind ua zu Fallgestaltungen ergangen, in denen das Beschäftigungsverhältnis des Versicherten aufgrund einer durch den Arbeitgeber zur Abwendung einer drohenden Insolvenz ausgesprochenen Kündigung endete (vgl zB BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 1-2, 56). Sie haben auch bereits die Gruppe der Versicherten betroffen, bei denen der Anrechnungsausschluss Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs erfasst, die vor Einführung dieser Ausnahmeregelung zurückgelegt wurden (vgl zB BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 57 f).

Nach der Rechtsprechung des BSG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den grundsätzlichen Anrechnungsausschluss von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn (§ 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 2 SGB VI). Das BSG hat es auch als durch angemessene Sachgründe gerechtfertigt angesehen, dass der Gesetzgeber iS eines Begünstigungsausschlusses die Rückausnahme auf Personen beschränkt hat, deren Leistungsbezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist (§ 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI, vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 54 mwN). Dabei hat es die dahinter stehenden Erwägungen gewürdigt, einerseits keine Fehlanreize für eine unerwünschte Frühverrentung zu setzen und andererseits Härtefälle zu verhindern (vgl dazu im Einzelnen BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 34). Das BSG hat insbesondere befunden, dass der Gesetzgeber mit Ausgestaltung der Rückausnahmeregelung in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI seinen Gestaltungsrahmen nicht überschritten hat, der bei einer bevorzugenden Typisierung besonders groß ist (vgl BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 48 mwN).

Soweit der Kläger auf den inzwischen ergangenen Beschluss des BVerfG vom 19.10.2022 (1 BvL 3/21) hinweist, ergibt sich daraus kein erneuter Klärungsbedarf (vgl zu den Umständen, unter denen eine höchstrichterlich bereits entschiedene Rechtsfrage erneut klärungsfähig werden kann, zB BSG Beschluss vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 4.5.2023 - B 5 R 30/23 B - juris RdNr 10 mwN). Die Entscheidung betrifft in ihrem Kern die aus Art 1 Abs 1 GG abgeleitete Pflicht des Staates, Sozialleistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums fortlaufend realitätsgerecht zu bemessen (vgl dazu grundlegend BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 - BVerfGE 137, 34 RdNr 76 ff mwN). Mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Begünstigungsausschluss befasst sie sich nicht. In dem vom Kläger ebenfalls herangezogenen Beschluss des BVerfG vom 28.6.2022 (2 BvL 9/14 ua - BVerfGE 162, 277) wurden zwar die vom Gesetzgeber für einen Begünstigungsausschluss beim Kindergeld gewählten Differenzierungskriterien beanstandet. Die verfassungsrechtliche Bewertung des § 51 Abs 3a Buchst a SGB VI durch das BSG wird damit indes nicht in Frage gestellt.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 1.8.2023 erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vorbringt, die Nichtanrechnung der Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs auf die Wartezeit von 45 Jahren verstoße zugleich gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG, kann er damit von vornherein nicht gehört werden. Die Vorlegung neuer, bisher nicht aufgeworfener Rechtsfragen ist nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG) unzulässig (vgl BSG Beschluss vom 13.6.2001 - B 10/14 EG 4/00 B - juris RdNr 13). Im Übrigen ist bereits geklärt, dass § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 2 SGB VI nicht in eine den Versicherten bereits zuerkannte Rechtsposition eingreift (vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 108).

Der vom Kläger mit Schriftsatz vom 21.4.2023 hilfsweise gestellte Antrag, den Rechtsstreit dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft. Falls er damit vorbringen will, die Rechtssache habe wegen offener verfassungsrechtlicher Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung, gilt, dass die vom Kläger aufgeworfenen Fragen zur Verfassungsgemäßheit von § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsätze 2 und 3 SGB VI, wie ausgeführt, bereits geklärt sind.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Körner

Hannes

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15977460

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