Verfahrensgang

LG Cottbus (Urteil vom 11.03.1998; Aktenzeichen 5 O 399/97)

 

Tenor

Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das am 11. März 1998 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten – abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 42.900,88 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. August 1997 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung und die (unselbständige) Anschlußberufung sind zulässig. Begründet ist nur die Anschlußberufung des Klägers wegen der Zinsen. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger als Verwalter in der Gesamtvollstreckung ein anfechtungsrechtlicher Rückgewähranspruch in entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 1 KO (vgl. BGH DtZ 1993, 120) zusteht. Die Anfechtung greift jedenfalls nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO durch; insoweit schließt sich der Senat den im Ergebnis zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil an und bemerkt ergänzend:

1)

Die Beklagte bezweifelt zu Unrecht, daß die Anfechtungsvorschriften der GesO auf sie als Sozialversicherungsträger Anwendung finden.

a)

Das Landgericht hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten konkludent bejaht. Hierüber vorab zu entscheiden, bestand mangels Rüge keine Veranlassung (§ 17 a Abs. 3 GVG). Der Senat hat daher über die Rechtswegfrage nicht zu befinden (§ 17 a Abs. 5 GVG). Allerdings kann es – wie zur Klarstellung bemerkt sei – keinem Zweifel unterliegen, daß Prozesse über einen insolvenzrechtlichen „Anfechtungsanspruch” als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 13 GVG anzusehen sind (BGH NJW 1991, 2147/2148).

b)

In der Rechtsprechung ist es schon seit fast 18 Jahren geklärt, daß sogar Rechtshandlungen, die einem Sozialversicherungsträger als Massegläubiger (gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 lit. e) KO) Sicherung oder Befriedigung gewähren, nach den Bestimmungen der Konkursordnung anfechtbar sind (BGH NJW 1981, 824; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl., § 29 KO Anm. 13). Im Anwendungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung gilt nichts anderes (OLG Dresden ZIP 1997, 1036/1038; ZIP 1997, 1428/1429).

Mit den hier in Rede stehenden Beitragsforderungen für die Zeit vom 18. September bis 30. November 1996 ist die Beklagte in dem am 5. August 1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren noch nicht einmal Massegläubigerin (nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) GesO), sondern nur vorrangige Insolvenzgläubigerin gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 1 lit. b) GesO. Dann aber unterliegt sie nach der zitierten Rechtsprechung erst recht der Insolvenzanfechtung. Die Sozialversicherungsträger sind im Rahmen der Gesamtvollstreckung nur insoweit privilegiert, als das Gesetz dies vorsieht. Auch der Steuerfiskus ist in keiner besseren Lage (BGH NJW 1991, 2147).

2)

Die Klage ist möglicherweise schon aus § 812 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Als der „Kundenscheck” an die Beklagte übergeben wurde, bestand noch das durch Beschluß des Amtsgerichts Cottbus vom 14. Januar 1997 (64 N 9/97) nach § 2 Abs. 3 GesO erlassene allgemeine Veräußerungsverbot. Mangels Zustimmung des Gerichts (gemäß Ziff. 2. des Beschlusses) war die Verfügung des Geschäftsführers der Schuldnerin nach Maßgabe der §§ 135, 136 BGB relativ unwirksam; insofern folgt der Senat der herrschenden Meinung (vom BGH in DtZ 1997, 25 und in NJW 1997, 1857 offengelassen; vgl. hierzu: Kilger/K. Schmidt, a.a.O., § 106 KO Anm. 3). Für eine nachträgliche Genehmigung ist nichts vorgebracht. Das kann aber dahinstehen, weil die Scheckhingabe jedenfalls nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO wirksam angefochten ist.

3)

Es liegt eine „Rechtshandlung” der Schuldnerin im Sinne des § 10 GesO vor.

Diese besteht darin, daß der Geschäftsführer der Schuldnerin im Rahmen einer Besprechung am 27. Januar 1997 einen von der Gemeinde K. ausgestellten Scheck über 70.150,00 DM, mit dem letztere Werklohnforderungen der Schuldnerin bezahlte, an die Beklagte weitergab, um seinerseits Beitragsforderungen der Beklagten gegen die Schuldnerin zu begleichen. Ein Teilbetrag der Scheckvaluta in Höhe von 42.900,88 DM sollte abredegemäß zur Tilgung der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für die Monate September bis November 1996 dienen. Die Beklagte löste den Scheck dann ein.

Diesen Sachverhalt hat das Landgericht völlig richtig dahingehend gewertet, daß es sich nicht um eine direkte Zahlung der Gemeinde an die Beklagte handelte, sondern um eine Leistung der Schuldnerin, die den „Kundenscheck” weitergab.

Daran, daß eine Rechtshandlung der Schuldnerin vorliegt, ändert sich nun erst recht nichts dadurch, daß die Beklagte nach Einlösung des Schecks Teilbeträge an die anderen beteiligten Sozialversicherungsträger weitergeleitet hat, wozu sie als Einzugsstelle nach § 28 k Abs. 1 SGB IV verpflichtet war.

4)

Ebenso wie unter der Konkursordnung setzt auch die Anfechtung nach § 10 GesO eine objektive Gläubigerbenachteiligung voraus.

a)

Diese liegt – zunächs...

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