Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 05.10.2006; Aktenzeichen 2 O 99/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Oktober 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 99/06, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Beklagte stützt ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe zu Unrecht eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin und damit eine Leistungsfreiheit nicht angenommen, obwohl der Geschäftsführer der Klägerin den Tatbestand des § 142 StGB verwirklicht habe, da schon nach dem Vortrag der Klägerin von einer nicht lediglich unerheblichen Beschädigung der Leitplanke auszugehen sei. Die Beklagte zeigt damit eine Rechtsverletzung auf, auf der das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2.

Auch in der Sache hat die Berufung Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG, 12 Nr. 1 II. e) AKB in Verbindung mit dem von den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag besteht nicht. Die Beklagte ist nach § 7 I Abs. 2 Nr. 1, V Abs. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden.

Der Klägerin fällt eine Verletzung der Aufklärungspflicht aufgrund des ihr gem. § 31 BGB zuzurechnenden (vgl. hierzu Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, Kommentar, 27. Aufl., § 6 VVG, Rn. 44) Verstoßes ihres Geschäftsführers gegen § 142 Abs. 1 StGB zur Last. Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung umfasst die vertragliche Aufklärungsobliegenheit die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht aus § 142 StGB. Das Verlassen der Unfallstelle stellt daher immer dann eine Aufklärungsobliegenheit dar, wenn dadurch der Tatbestand des § 142 StGB erfüllt ist. Der Senat folgt hingegen nicht der von der Beklagten zitierten Auffassung (OLG Saarbrücken NJW-RR 1998, S. 816), dass auch ohne Verstoß gegen § 142 StGB das Entfernen vom Unfallort eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers darstellen kann. Ist daher ein Dritter weder am Unfall beteiligt noch dadurch geschädigt, scheidet § 142 StGB und mangels entsprechender vertraglicher Vereinbarung - § 7 III AKB sieht lediglich die Einschaltung der Polizei bei Diebstahl-, Brand- oder Wildschäden ab eines bestimmten Betrages vor - eine Verletzung der Aufklärungspflicht aus (so auch BGH NJW 1987, S. 2374; VersR 2000, S. 222; OLG Köln VersR 1999, S. 963; OLG Hamm VersR 2003, S. 1297; Knappmann in Prölss/Martin, a.a.O., § 7 AKB, Rn. 17 und 24). Ein Fremdschaden ist dann nicht gegeben, wenn der Schaden so gering ist, dass mit Ansprüchen Dritter nicht gerechnet werden muss. Ein Bagatellschaden in diesem Sinne ist jedenfalls bei Beträgen über 100,00 DM zu verneinen (Knappmann, a. a. O., Rn. 25, m. w. N.). Das Vorliegen eines nicht lediglich belanglosen Schadens ist dabei nach objektiven Kriterien ex ante zu beurteilen, sodass die Warte- und Anzeigepflichten schon bestehen, wenn zweifelhaft ist, ob ein größerer Schaden entstanden ist oder sich entwickeln wird (OLG Düsseldorf VM 1974, S. 76; Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 26. Aufl., § 142, Rn. 13). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Das Fahrzeug der Klägerin ist mehrfach mit der Leitplanke kollidiert. Gerade bei einem mehrmaligen Aufprall war aber mit einer nicht lediglich belanglosen Beschädigung der Leitplanke zu rechnen, da jedenfalls die erste Kollision mit einer solchen Anstoßenergie erfolgt ist, dass das Fahrzeug weiter geschleudert wurde. Zudem war eine Beschädigung an den verschiedenen Anstoßstellen möglich. Bereits aus diesem Grund bestand grundsätzlich die Wartepflicht für den Geschäftsführer der Klägerin nach § 142 Abs. 1 StGB, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Beschädigung der Leitplanke tatsächlich eingetreten ist. Der Geschäftsführer der Klägerin hat sich auch nicht davon überzeugt, dass ein Schaden an der Leitplanke nicht entstanden ist, wie er in seinem Schreiben an die Autobahnmeisterei Z... vom Unfalltag selbst mitgeteilt hat. Soweit der Geschäftsführer versucht hat diese Angaben im Termin vor dem Senat zu relativieren, hält der Senat die Ausführungen nicht für glaubhaft. Gegen eine Überprüfung der Unfallstelle spricht neben dem bereits erwähnten Schreiben vom Unfalltag auch der Umstand, dass der Geschäftsführer einen Verbleib an der Unfallstelle für zu gefährlich hielt, eine Überprüfung der Anstoßstellen jedoch das - ohnehin so nicht behauptete - Verlassen des Fahrzeuges und Abgehen der Unfallstelle erfordert hätte.

Der Geschäftsführer der Klägerin hat sich auch nicht berechtigt oder entschuldigt im Sinne von § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB von der Unfallstelle entfernt. Ein berec...

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