Leitsatz (amtlich)

In den Fällen, in denen es nicht zu einer Berührung zwischen dem Fahrzeug eines Geschädigten und demjenigen eines in Anspruch genommenen Kraftfahrers gekommen ist, hat der Geschädigte den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Kraftfahrzeugs und seinem Schaden darzutun und zu beweisen; etwaige Zweifel an der Ursächlichkeit des Betriebsvorganges für den Unfall gehen zu Lasten des Geschädigten. Steht nicht fest, dass ein Motorradfahrer sich durch die Fahrweise eines Pkw-Fahrers in jedem Fall zu einem Ausweichmanöver veranlasst sehen musste, um eine Kollision zu vermeiden, hat jener gegen diesen keinen Ersatzanspruch wegen der Schäden, die er beim durch das Ausweichen entstandenen Unfall erlitten hat.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 1; StVG § 18 Abs. 1; BGB § 823; PflVG § 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Entscheidung vom 19.11.2008; Aktenzeichen 2 O 248/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.09.2010; Aktenzeichen VI ZR 263/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.11.2008 verkündete Teilurteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az.: 2 O 248/07, wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 13.09.2004 gegen 11:00 Uhr auf der B 1... zwischen K.... und H.... ereignet hat. Der Kläger befuhr dabei mit seinem Motorrad die Bundesstraße 1... aus K.... kommend in Richtung H.... und beabsichtigte, das vor ihm fahrende, von dem Beklagten zu 2. gesteuerte Fahrzeug VW Passat, das bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversichert ist, sowie das vor diesem fahrende Fahrzeug des Zeugen S.... zu überholen. Der Beklagte zu 2. setzte ebenfalls zum Überholen des vor ihm fahrenden Fahrzeugs des Zeugen S.... an. Aus zwischen den Parteien streitigen Gründen kam der Kläger von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Straßenbaum, wobei er erhebliche Verletzungen erlitt. Zu einer Berührung zwischen dem Motorrad des Klägers und dem Fahrzeug des Beklagten zu 2. kam es nicht. Die Parteien streiten über den Unfallhergang, wobei sie sich gegenseitig jeweils eine alleinige Verursachung des Unfalls vorwerfen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Das Landgericht hat mit der als "Teilurteil" bezeichneten Entscheidung die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 75 000,00 EUR nebst Zinsen an den Kläger verurteilt und die Feststellung ausgesprochen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger die künftigen materiellen und immateriellen Schäden unter Berücksichtung eines Mithaftungsanteils von 50% zu ersetzen, und dass die Klage hinsichtlich der bereits bezifferten materiellen Schadensansprüche dem Grunde nach gerechtfertigt sei mit der Maßgabe, dass den Kläger ein Mithaftungsanteil von 50% treffe. Soweit der Kläger beantragt hat, die Beklagten zur Zahlung einer monatlich im Voraus zu zahlenden Schmerzensgeldrente zu verurteilen, hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Unfallhergang bleibe zur entscheidenden Frage der gefahrenen Geschwindigkeit ungeklärt, sodass keine Seite der anderen ein Verschulden nachweisen könne und die verbleibende Haftung aus der jeweiligen Betriebsgefahr nach den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG zu einer hälftigen Schadensteilung führe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte zu 2. den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht habe. Der von der Kammer beauftragte Sachverständige sei nachvollziehbar und mit überzeugenden Begründungen zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus der Kombination der Bewegungsvarianten der Fahrzeuge eine Vielzahl von Konstellationen ergeben könne. Zwar habe der Sachverständige festgestellt, dass der Beklagte zu 2. den Kläger durch eine weitere Rückschau zu jeder Zeit hätte erkennen können; auf die von dem Sachverständigen berechnete Bandbreite der Ausgangsgeschwindigkeit des Motorrades zwischen 86 km/h und 124 km/h lasse sich jedoch weder ein überwiegendes Verschulden des Klägers noch des Beklagten zu 2. stützen. Das dem Kläger zugesprochene Schmerzensgeld sei angemessen, während ein Schmerzensgeld in der vom Kläger geltend gemachten Höhe nur bei Gesundheitsschäden mit schwerwiegenden Folgen, wie Lähmungen, Verlusten von Sinnesorgan...

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