Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. April 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - Az.: 1 O 55/21 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Gründe

I. Der Kläger, der in erster Instanz auch die V. AG in Anspruch genommen hatte, macht gegenüber der Beklagten zu 1 Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal geltend. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Das Landgericht hat die auf Schadensersatz, auf Feststellung des Annahmeverzugs und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage durch Urteil vom 27. April 2022 abgewiesen. Gegen dieses ihm am 6. Mai 2022 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die am 7. Juni 2022, dem Dienstag nach Pfingsten, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen ist. Auf Antrag des Klägers hat der Vorsitzende des Senats die Berufungsbegründungsfrist zweimal, zuletzt bis zum 8. September 2022, verlängert. An diesem Tage ging ein vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach des Prozessbevollmächtigten des Klägers versandter Schriftsatz (Bl. 353 d.A.) mit Datum vom 17. November 2021 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht ein, der an das OLG Braunschweig gerichtet war und im Rubrum andere Parteien genannt. Nach einem entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle vom 12. September 2022 hat der Kläger mit Schriftsatz vom gleichen Tage beantragt,

ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

und das Rechtsmittel unter Weiterverfolgung der gegenüber der Beklagte zu 1 erstinstanzlich gestellten Anträge begründet.

Das Wiedereinsetzungsgesuch hat der Kläger wie folgt begründet: Sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung am 8. September 2022 signiert und in den Postausgangsordner bei der Schnittstelle des Programms "RA-M." verschoben; die Freigabe sei bereits gegen 13.00 Uhr erfolgt. Der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten, Frau W., sei eine Übersendung direkt vom Programm "RA-M." nicht möglich gewesen. Daraufhin habe sie das beA-Postfach geöffnet und den hinterlegten Schriftsatz zum Aktenzeichen dieses Verfahrens versendet. Der Berufungsschriftsatz vom 8. September 2022 trage beim Prüfprotokoll den Vermerk "erfolgreich". Es sei unerklärlich, dass stattdessen der Schriftsatz an das OLG Braunschweig versandt worden sei. Die Kanzleimitarbeitern W. arbeite seit über elf Jahren gewissenhaft und zuverlässig; eine Frist habe sie bislang noch nie versäumt.

Zu den organisatorischen Vorkehrungen in der Rechtsanwaltskanzlei seines Prozessbevollmächtigten trägt der Kläger vor: Eine Frist werde im elektronischen Kalender erst gestrichen, wenn der fristerledigende Schriftsatz vollständig nebst Anlagen geprüft und signiert und der Sendebericht kontrolliert wurde. Auf dem zur Akte auszudruckenden Fristenzettel (Bl. 346 d.A.) sei im Bemerkungsfeld darzulegen, weswegen die Frist erledigt sei bzw. gestrichen werden könne. Die Erledigung der Frist sei vom zuständigen Rechtsanwalt abzuzeichnen. Zum Ende des jeweiligen Arbeitstages erfolge eine abschließende Kontrolle aller an diesem Tage ablaufenden Fristen durch Frau W. oder eine andere Kanzleikraft, Frau K.. Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Kläger auf eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin W., die dem Schriftsatz vom 12. September 2022 nicht beigefügt war.

Die Beklagte zu 1 ist dem Wiedereinsetzungsantrag nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 23. September 2022 entgegengetreten.

II. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist statthaft gemäß § 233 S. 1 ZPO und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Frist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO eingelegt worden. Dem Kläger ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedoch nicht zu gewähren. Den Darlegungen des Klägers im Wiedereinsetzungsantrag lässt sich nicht entnehmen, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten eine hinreichende Ausgangskontrolle gewährleistet war.

Im Rahmen seiner eigenverantwortlichen Tätigkeit darf ein Rechtsanwalt routinemäßige Büroarbeiten auf Mitarbeiter delegieren. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Erledigung der ausgehenden Post, insbesondere auch unter Einsatz moderner Kommunikationstechnik wie dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach. Hiermit darf jedenfalls eine voll ausgebildete, erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte beauftragt werden.

Ein Rechtsanwalt hat hierbei durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass ein fertiggestellter fristgebundener Schriftsatz innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Zu diesem Zweck hat er seine Ausgangskontrolle so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schu...

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