Tenor

I. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Potsdam vom 13. August 2019 in Gestalt des Beschlusses vom 25. September 2019 - 421 F 60/19 - aufgehoben.

II. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

IV. Der Mutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T... D... aus ... B... bewilligt.

 

Gründe

I. Die Beschwerde ist gem. §§ 58 Abs. 1, 57 S. 2 Ziff. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Ziff. 1 FamFG beim zuständigen Amtsgericht eingelegt worden.

II. In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Die mit der Beschwerde angefochtene Ersetzung der Erklärung der allein sorgeberechtigten Mutter, sämtliche Ärzte, Psychologen, Therapeuten, Hebammen, Sozialpädagogen, Betreuer, Erzieher, Lehrer, Umgangspfleger, Familienhelfer sowie alle Mitarbeiter aus dem Jugend- und dem Gesundheitsamt, die den Minderjährigen kennengelernt oder behandelt haben und über ihn Aussagen treffen können, von ihrer beruflichen Schweigepflicht gegenüber der in dem Parallelverfahren 421 F 208/18 Amtsgericht Potsdam mit der Erstellung eines psychologischen Gutachtens hinsichtlich der Abwendungsmöglichkeit einer Kindeswohlgefährdung beauftragten Sachverständigen zu befreien, stellt sich als unverhältnismäßiger Eingriff in das gem. Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht dar.

Zu Recht ist das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, dass vorliegend hinreichende Anhaltspunkte für eine mögliche Kindeswohlgefährdung bestehen, die jedenfalls Anlass zur Ermittlung möglicher Ursachen und ggf. der zur Abwendung erforderlichen Maßnahmen geben, wozu auch die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens durch das Gericht gehört.

Im Ansatz zutreffend ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass in einem solchen Fall Maßnahmen gem. § 1666 BGB zum Schutze des Kindeswohles gerechtfertigt sein können, wenn anderenfalls die notwendigen Untersuchungen durch den Sachverständigen nicht erfolgen können (OLG Hamm, FamRZ 2014, 401). Fehlt es zur Durchführung der Begutachtung des Minderjährigen an der hierfür erforderlichen Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils, kann diese gem. § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB ersetzt werden. Gleiches gilt, wenn wichtige Auskunftspersonen von ihm nicht von der Schweigepflicht entbunden werden, obwohl deren Angaben voraussichtlich für die Ermittlung des Sachverhalts von Bedeutung sind (Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., § 163, Rn. 22; BeckOGK/Burghart, Stand 01.11.2019, BGB § 1666, Rn. 119; Zöller/Lorenz, ZPO, 33. Aufl., § 163 FamFG, Rn. 4).

Nach der überwiegenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung ist es verfahrensrechtlich zulässig, dass ein Sachverständiger, der mit der Erstellung eines psychologischen Gutachtens in einem Kindschaftsverfahren beauftragt worden ist, Anknüpfungstatsachen, die er für die Beantwortung der Beweisfrage für beachtlich hält, eigenständig erhebt und hierauf sein Gutachten stützt (Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., § 163, Rn. 27; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 30, Rn. 92a; Zöller/Lorenz, ZPO, 33. Aufl., § 163 FamFG, Rn. 4; Vogel, FamRB 2017,186; OLG Frankfurt a.M., FamRZ 2017, 914; OLG Düsseldorf, FamRZ 2017, 915; OLG Schleswig, FamRZ 2018, 109; mit Einschränkungen Musielak/Borth/Grandel, 6. Aufl., FamFG, § 30, Rn. 6; kritisch BGH, FamRZ 2016, 2082, Rn. 40 f.). Hierzu gehört auch die Befragung von Personen, die Kenntnis von für die Begutachtung erheblichen Tatsachen haben können. Soweit sich diese Personen unter Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht weigern, dem Sachverständigen oder dem Gericht Auskünfte zu erteilen, ist die Ersetzung der Schweigepflichtsentbindungserklärung des sorgeberechtigten Elternteils nach § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung allerdings nur dann erforderlich, wenn ein solches gesetzliches Verbot für die jeweilige Auskunftsperson überhaupt besteht. Die Prüfung, ob die Weigerung berechtigt ist, obliegt jedoch nicht dem Sachverständigen, sondern dem Gericht (§ 30 FamFG i.V.m. § 387 Abs. 1 ZPO), und setzt voraus, dass dem Gericht die betreffende Auskunftsperson namentlich und die von ihr vorgebrachten Weigerungsgründe bekannt sind, sodass bereits deshalb grundsätzlich die Ersetzung der Schweigepflichtsentbindungserklärung gegenüber einem unbestimmten Personenkreis möglicherweise künftig infrage kommender Auskunftspersonen ausscheidet.

Überdies setzt § 1666 Abs. 1 BGB für die Ersetzung der Schweigepflichtsentbindungserklärung voraus, dass der sorgeberechtigte Elternteil nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden, die durch die berechtigte Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts einer Auskunftsperson entsteht. Erklärt indes der sorgeberechtigte Elternteil - wie hier die Mutter ...

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