Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Keine Bewilligung bei Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zum Umgangsrecht ohne vorherige Einschaltung des Jugendamtes und ohne vorherige Kontaktaufnahme zu dem anderen Elternteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Mutwilligkeit gem. § 114 ZPO in Sorge- und Umgangsverfahren.

2. Haben sich die Eltern bereits über den Umgang verständigt und praktizieren diesen, kann nicht ohne weiteres eine bestätigende gerichtliche Entscheidung verlangt werden.

3. Erweckt das Verhalten einer Partei den Eindruck, dass ungenutzte Erwerbsmöglichkeiten vorliegen, kann dies zur Versagung der Prozesskostenhilfe führen.

 

Normenkette

ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Cottbus (Beschluss vom 28.03.2008; Aktenzeichen 97 F 51/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Das AG hat mit zutreffenden Erwägungen die begehrte Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit versagt, § 114 ZPO.

a) Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung dann, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 70). Eine Partei, welche Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, hat von mehreren gleichwertigen Wegen denjenigen zu beschreiten, welcher die geringsten Kosten verursacht. Dies folgt aus der Verpflichtung jedes bedürftigen Staatsbürgers ggü. der Allgemeinheit, diese nur im Falle der Notwendigkeit eines Prozesses kostenmäßig in Anspruch zu nehmen. Damit verbunden ist auch die Verpflichtung, vor Klageerhebung eine außergerichtliche Beilegung des Streits zu versuchen. Mutwillig ist es daher, in Umgangsverfahren ohne den Versuch einer außergerichtliche Einigung - sei es durch direkten Kontakt der Elternteile untereinander, sei es durch Einschaltung des Jugendamtes - sogleich ein Verfahren einzuleiten (OLG Brandenburg FamRZ 2006, 1549; JAmt 2003, 374; OLG Dresden, FamRZ 2006, 808; OLG Koblenz, FamRZ 2005, 1915; a.A. OLG Hamm, FamRZ 2007, 1337; FamRZ 2004, 1116; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 1115, 1116).

b) Hiernach ist ein Elternteil im Grundsatz gehalten, vor Einleitung eines sorge- oder umgangsrechtliches Verfahrens Kontakte zu dem anderen Elternteil zwecks einer gütlichen Einigung aufzunehmen bzw. insbesondere das Jugendamt heranzuziehen. Hiergegen hat der Antragsteller - wie das AG zutreffend ausgeführt hat - verstoßen, indem er ohne vorherige Einschaltung des Jugendamtes (oder eine sonstige Kontaktaufnahme zur Kindesmutter) sogleich eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen will. Dabei kann er sich auch nicht darauf berufen, dass in der Vergangenheit das Jugendamt eingeschaltet worden ist. Soweit erkennbar, bezieht sich diese Ansicht des Antragstellers wohl auf die Einschaltung des Jugendamtes anlässlich des Verfahrens 52 F 137/06 (AG Cottbus). Unabhängig davon, dass es sich hier allem Anschein nach um ein Vermittlungsverfahren nach § 52a FGG handelte, liegt jedenfalls die entsprechende Einschaltung des Jugendamtes in zeitlicher Hinsicht bereits über ein Jahr zurück. Dadurch aber jedenfalls war der Antragsteller gehalten, vor Inanspruchnahme der Gerichte zunächst erneut eine außergerichtliche Einigung durch Einschaltung des Jugendamtes - wie zuletzt jedenfalls erfolgreich war - zu versuchen. Nur wenn besondere Gründe bestehen, die offenkundig eine solche Einschaltung als aussichtslos darstellen würden, hätte er davon absehen können. Derartiges hat er aber in keiner Weise vorgetragen.

2. Unabhängig davon bestehen an dem gestellten Antrag auch insoweit Bedenken, als der Antragsteller nicht den Inhalt der behaupteten Einigung mit der Antragsgegnerin im Einzelnen dargetan hat. Soweit sich die Eltern über die Umgangskontakte einigen, ist eine solche Einigung im Grundsatz in materiell-rechtlicher Hinsicht bindend; ein Elternteil kann davon nur unter Darlegung besonderer Gründe abweichen. Dafür spricht auch, dass dann, wenn sich die Eltern bereits über den Umgang verständigt und diesen praktizieren haben, nicht ohne weiteres eine bestätigende gerichtliche Entscheidung verlangt werden (Mutwilligkeit, vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 114 Rz. 126). Ob aber der durch den Antragsteller hier gestellte Umgangsantrag der entsprechenden Parteivereinbarung entspricht, ist derzeit offen.

3. Zuletzt sei noch auf Folgendes hingewiesen: Angesichts des noch jungen Alters des Antragstellers - dieser ist im Juni 1982 geboren worden - liegt es nahe, dass er im Grundsatz in der Lage ist, seinen Lebenserwerb eigenständig sicherzustellen. Der bloße Hinweis auf den Bezug von Arbeitslosengeld II genügt dann nicht, wenn der um Prozesskostenhilfe ersuchende Antragsteller in allgemeiner Hinsicht jedenfalls in der Lage ist, auf dem Arbeitsmarkt Arbeit zu finden, dadurch seinen Lebensunterhalt selbständig sicherzustellen und zugleich die Möglichkeit zu haben, die Prozesskosten zu begleichen. Erweckt das ...

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