Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung des maßgeblichen Nettoeinkommens der Ehegatten gem. § 43 FamGKG ist auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages abzustellen. Dies gilt auch für den Wert der Versorgungsausgleichssache.

2. Sozialleistungen wie das ALG II stellen berücksichtigungsfähiges Einkommen i.S.d. § 43 FamGKG dar.

3. Für im Versorgungsausgleich auszugleichende sog. Ost- und Westanrechte der gesetzlichen Rentenversicherung ist jeweils gem. § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG der Verfahrenswert mit 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten anzusetzen.

 

Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Aktenzeichen 22 F 230/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich der Festsetzung der Verfahrenswerte teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Verfahrenswerte in erster Instanz betragen

4.392 EUR für die Ehescheidung und

1.757 EUR für den Versorgungsausgleich.

 

Gründe

I. Mit einem am im September 2011 beim AG Bad Liebenwerda eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Antragsgegner beantragt. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen haben die Eheleute damals mit 364 EUR Arbeitslosengeld II (im Folgenden: ALG II) für die Antragstellerin bzw. 1.100 EUR/netto für den Antragsgegner angegeben.

Mit Beschluss vom 8.2.2013 hat das AG Bad Liebenwerda die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich im Einzelnen geregelt. Dabei hat das AG die zur Zeit der mündlichen Verhandlung (August 2012) waltenden veränderten Einkommensverhältnisse zugrunde gelegt, die von ALG I ( i.H.v. 676 EUR) und ALG II - Bezügen geprägt waren. Das ALG II hat das AG dabei unberücksichtigt gelassen und deshalb für die Ehescheidung 2.028 EUR (3 Monate × 676 EUR) und für den Versorgungsausgleich den Mindestwert von 1.000 EUR als Gegenstandswerte festgesetzt.

Gegen die Wertfestsetzung hat die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners Beschwerde mit dem Ziel der Anhebung des Verfahrenswertes aufgrund der Berücksichtigung auch der ALG II - Bezüge eingelegt. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners im eigenen Namen eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§ 32 Abs. 2 S. 1 RVG, §§ 57, 59 Abs. 1 FamGKG), insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert erreicht.

Die Beschwerde hat auch Erfolg. Das AG hat die Verfahrenswerte unzutreffend berechnet.

1. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das AG nicht den Rechtszustand bei Anhängigkeit des Verfahrens, der aber für die Bestimmung der Werte gem. § 43 Abs. 2 FamGKG bzw. § 50 Abs. 1 FamGKG maßgebend ist, zugrunde gelegt hat. Bei der Ermittlung des maßgeblichen Nettoeinkommens der Ehegatten ist auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages abzustellen, vgl. § 34 Satz 1 FamGKG. Dies gilt auch für die Wertbemessung der Verbundsache Versorgungsausgleich, wenngleich für den im Zwangsverbund mit der Ehescheidung stehenden Wertausgleich bei der Scheidung kein Antrag erforderlich ist, § 137 Abs. 2 Satz 2 FamFG (vgl. auch OLG Nürnberg FamRZ 2011, 995).

Das AG hat dagegen offenbar die veränderten Zustände zur Zeit der mündlichen Verhandlung, jedenfalls soweit dies den Antragsgegner betrifft, erfasst. Maßgeblich bleibt jedoch immer das Einkommen bei Antragstellung. Eine im Laufe des Verfahrens eintretende Verringerung oder Erhöhung des Einkommens hat keine Auswirkung auf die Festsetzung des erstinstanzlichen Gegenstandswertes (T. Schmidt in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, Kostenrechtl. Hinw. in Familiensachen - Teil 2 Rz. 10).

2. Bei Einreichung des Scheidungsantrags ist zunächst auf Seiten des Antragsgegners noch ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit von monatlich netto 1.100 EUR feststellbar.

Darüber hinaus sind Einkünfte der Antragstellerin von 364 EUR monatlich aus dem ALG II zu berücksichtigen. Soweit insoweit umstritten ist, ob Transferleistungen, wie beispielsweise das im SGB II geregelte ALG II, Einkommen i.S.d. § 43 Abs. 2 FamGKG darstellen, vertritt der Senat in ständiger Rspr. die Auffassung, dass auch solche Sozialleistungen bei der Verfahrenswertbemessung zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1432). Daran ist auch weiterhin festzuhalten. Sinn und Zweck der gesetzlichen Verfahrenswertregelung für Ehesachen ist es, entsprechend der besseren oder schlechteren finanziellen Situation der Beteiligten, die sich in der Höhe ihres Einkommens und ihres Vermögens ausdrückt, den Verfahrenswert und danach die Höhe der Gerichts- und Anwaltsgebühren zu bemessen (vgl. BVerfGE 80, 103 ff.). Leistungen nach dem SGB II werden zwar gerade deshalb geleistet, weil die finanzielle Situation der betreffenden Person schlecht ist, sie insbesondere kein ausreichendes eigenes Einkommen erzielt. Gleichwohl beeinflussen solche Sozialleistungen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten unabhängig von der Zweckbestimmung der Leistung. Bei der Wertbemessung nach § 43 FamGKG kommt es aber allein auf das zur Verfügung stehende laufende Familieneinkomme...

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