Gesetzestext

 

(1) 1Ist dem Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Erbschaft oder ein Vermächtnis angefallen oder geschieht dies während des Verfahrens, so steht die Annahme oder Ausschlagung nur dem Schuldner zu. 2Gleiches gilt von der Ablehnung der fortgesetzten Gütergemeinschaft.

(2) Ist der Schuldner Vorerbe, so darf der Insolvenzverwalter über die Gegenstände der Erbschaft nicht verfügen, wenn die Verfügung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Nacherben gegenüber unwirksam ist.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift stellt ebenso wie § 82 eine einschränkende Sonderregelung gegenüber § 80 zum Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts des Schuldners über die zur Insolvenzmasse gehörigen Vermögensgegenstände auf den Verwalter dar. Inhaltlich wurden für die Vorschrift die §§ 9, 128 KO unverändert übernommen. Wegen des nach der InsO erweiterten Begriffs der Insolvenzmasse nach § 35, die nunmehr auch den sog. Neuerwerb des Schuldners nach Verfahrenseröffnung erfasst, war jedoch gegenüber den früheren konkursrechtlichen Vorschriften eine redaktionelle Anpassung notwendig.[1] Auch § 83 ist Ausdruck des insolvenzrechtlichen Grundsatzes, dass höchstpersönliche Rechte des Schuldners, zu denen insbesondere rein familienrechtliche Ansprüche und erbrechtliche Ausübungsrechte gehören, nicht in die Insolvenzmasse fallen.[2] Führt dagegen die Geltendmachung eines familienrechtlichen Anspruchs oder die Wahrnehmung eines erbrechtlichen Ausübungsrechts, wie z.B. die Annahme einer Erbschaft, zu einem Vermögenswert bzw. Erwerb eines Vermögensrechts, so gehört dieser Vermögensgegenstand zur Insolvenzmasse, gleichgültig, ob der Rechtserwerb vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt. Unberührt vom Insolvenzbeschlag bleibt über die in § 83 geregelten Fälle hinaus auch die höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners, Pflichtteilsansprüche oder einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns geltend zu machen (vgl. § 852 Abs. 1 und 2 ZPO, § 36).

[1] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 263.
[2] Kritisch zu dieser rechtspolitischen Rechtfertigung angesichts der jetzigen Behandlung des Neuerwerbs (§ 35) und der Möglichkeit der Restschuldbefreiung mit dem neuen § 295 Abs. 1 Nr. 2 Dieckmann, in: Leipold (Hrsg.), Insolvenzrecht im Umbruch, 1991, S. 127 (132 f.); Gerhardt, in: Kölner Schrift, S. 193 ff. Rn. 43; Häsemeyer, Rn. 9.24; Leipold, in: FS-Gaul, S. 367 (368 Fn. 2); Windel, KTS 2003, 367 (405 ff.).

2. Erbschaft, Vermächtnis und fortgesetzte Gütergemeinschaft (Abs. 1)

 

Rn 2

Nach Abs. 1 muss vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Insolvenzverfahrens beim Schuldner eine Erbschaft angefallen sein. Dabei ist es gleichgültig, ob er als Erbe oder als Ersatzerbe (§ 1953 Abs. 2, § 2096 BGB) berufen ist. Ihm steht in diesem Fall nach Anfall der Erbschaft gemäß § 1943 BGB das Recht zur Annahme der Erbschaft oder nach § 1942 BGB das Recht zu deren Ausschlagung zu. Gleiches gilt für das ebenfalls in Abs. 1 erwähnte Vermächtnis. Dieses fällt nach § 2176 BGB an, mit dem Recht, es gemäß § 2180 BGB anzunehmen oder auszuschlagen. Für die Annahme und Ausschlagung verweist § 2180 Abs. 3 BGB auf die für die Erbschaft insoweit geltenden Vorschriften.

 

Rn 3

Ähnliches gilt für die fortgesetzte Gütergemeinschaft. Diese tritt gemäß § 1483 BGB nach dem Tode eines Ehegatten ein, der mit dem anderen Ehegatten den Güterstand der Gütergemeinschaft und darüber hinaus vereinbart hatte, dass diese Gütergemeinschaft nach dem Tode eines Ehegatten zwischen dem Überlebenden und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird. In diesem Fall wird die Gütergemeinschaft mit denjenigen gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt, die bei gesetzlicher Erbfolge als Erben berufen sind. Der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut gehört nicht zum Nachlass (vgl. § 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB). Auch hier kann aber der überlebende Ehegatte nach § 1484 Abs. 1 BGB die Fortsetzung dieser Gütergemeinschaft ablehnen. Hierfür wird in § 1484 Abs. 2 BGB ebenfalls auf die Vorschriften verwiesen, die für die Ausschlagung einer Erbschaft gelten.

 

Rn 4

Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass mit dem Anfall des Rechts bzw. Eintritt des Ereignisses noch kein endgültiger Rechtserwerb des Begünstigten verbunden ist, solange das Ausschlagungs- bzw. Ablehnungsrecht nach den genannten gesetzlichen Vorschriften noch besteht. Wegen der Höchstpersönlichkeit dieser Ausschlagungs- bzw. Ablehnungsrechte verbleibt es bei einer insolvenzfreien Entscheidungsbefugnis des Schuldners über die Annahme bzw. Ablehnung in den vorgenannten Fällen nach Abs. 1. Dies gilt sowohl bei Anfall des Rechts bzw. Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft vor Verfahrenseröffnung als auch bei Eintritt dieser Ereignisse während des Insolvenzverfahrens. Der Schuldner kann also auch während der Dauer des Verfahrens völlig unbeschränkt entscheiden, ob er die Erbschaft bzw. das Vermächtnis ausschlägt oder die fortgesetzte Gütergemeinschaft ablehnt und auf diese Weise eine Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse verhindert.

2.1 Ausschlagung der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses

 

Rn 5

Entscheidet ...

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