Rn 6

Die Durchführung des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuches soll trotz § 305 a der Regelfall bleiben und nicht durch ein zu frühes Eingreifen der Fiktion entwertet werden. Andererseits soll § 305 a die durch den Gesetzgeber als besonders regelungsbedürftig erkannten Fälle abdecken, in denen der Gläubiger erst aufgrund des übersandten Plans von Vermögenswerten des Schuldners Kenntnis erlangt, die zwar eine Zwangsvollstreckung als lohnenswert erscheinen lassen, auf die der Schuldner jedoch zwingend für eine Schuldenbereinigung angewiesen ist.[11]

[11] RegE, BT-Drs. 14/5680, S. 31.

3.1 Betreiben der Zwangsvollstreckung durch Gläubiger

 

Rn 7

Die Art und Weise der durch einen Gläubiger eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist für die Fiktion im Rahmen des § 305 a ohne Belang. Erfasst werden daher alle denkbaren Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen, unabhängig davon, ob bewegliche oder unbewegliche Gegenstände des Schuldnervermögens betroffen sind. Eine ggf. langwierige Prüfung der Zulässigkeit der durch den Gläubiger eingeleiteten Zwangsvollstreckung mit den Rechtsmitteln der ZPO findet nicht statt. Ausreichend für den Eintritt der Fiktion des § 305 a ist vielmehr der durch den Gläubiger hinreichend deutlich dokumentierte Wille, dem überlassenen Plan nicht zustimmen zu wollen. Der Begriff des Betreibens ist deshalb weit zu fassen. Im Grundsatz ist von einem Betreiben auszugehen, wenn die Vollstreckungshandlung beginnt.[12] Die bloße Beantragung reicht nicht, weil der Antrag zurückgewiesen werden kann.[13] Dies ist bei einer Vollstreckung mithilfe des Gerichtsvollziehers der Zeitpunkt der ersten gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungshandlung.[14] Also beispielsweise zum Zeitpunkt, in dem der Gerichtsvollzieher erstmals erscheint und pfänden will. Die Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht (also bspw. in Forderungen und Rechte) beginnt mit dem Erlass der gerichtlichen Entscheidung, mithin der Unterzeichnung durch den Richter. Auf eine Hinausgabe oder die Zustellung kommt es nicht an.[15]

 

Rn 8

Androhungen sind noch kein Betreiben der Zwangsvollstreckung. Daher ist die bloße Zustellung eines Titels,[16] die Ankündigung nunmehr mit der Zwangsvollstreckung beginnen zu wollen[17] oder die Erhebung einer Leistungsklage[18] nicht ausreichend. Reine Vorbereitungshandlungen für einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, die, wie z. B. die interne Beratung, Vorbereitung und Ausarbeitung eines Plans durch und mit einer geeignete Person oder Stelle, noch keine Außenwirkung entfaltet haben, sind nicht ausreichend.[19] Auch die Aufforderung des Schuldners an Gläubiger, ihm eine Forderungsaufstellung zu erteilen, die vorschriftsmäßig mit dem Hinweis auf einen in naher Zukunft beabsichtigten Insolvenzeröffnungsantrag verbunden ist (§ 305 Abs. 2 Satz 2, 3), löst die Fiktion nicht aus, wenn ein Gläubiger, dadurch an seine Außenstände erinnert, eine Zwangvollstreckungsmaßnahme einleitet.[20]

 

Rn 9

Ob der die Zwangsvollstreckung betreibende Gläubiger in den Einigungsversuch des Schuldners einbezogen ist, spielt keine Rolle. Es kommt nicht auf die förmliche Einbeziehung des Gläubigers an, sondern darauf, ob dem Gläubiger im Zeitpunkt der Einleitung seiner Vollstreckungsmaßnahmen der Planinhalt bekannt war (ausführlich s. u. Rn. 12).

 

Rn 10

Die Insolvenzantragstellung durch einen Gläubiger steht dem Betreiben der Zwangsvollstreckung gleich.[21] Von der Gegenauffassung wird eingewandt, durch Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen entstünden neue Rechtspositionen einzelner Gläubiger, die die Chancen einer außergerichtlichen Einigung stärker beschnitten als ein Insolvenzantrag.[22] Tatsächlich führt aber die Regelung in § 88 dazu, dass die Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen regelmäßig unwirksam sind. Das Insolvenzverfahren ist demgegenüber als Gesamtvollstreckungsverfahren die stärkste Form der Zwangsvollstreckung. Im Übrigen kommt es für das Eingreifen der Fiktion richtigerweise nicht auf die rechtlichen Auswirkungen des Gläubigerhandelns an, sondern auf die Frage, ob der Gläubiger durch sein Verhalten hinreichend deutlich macht, dass er seine Zustimmung zum außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan verweigern wird. Auch wenn daher die Insolvenzantragstellung wie das Betreiben der Einzelzwangsvollstreckung zu behandeln ist, wird man für das Eingreifen der Fiktion des § 305 a einen zulässigen Insolvenzantrag voraussetzen müssen. Auch aus der Regelung in § 306 Abs. 3 Satz 3 lässt sich nicht entnehmen, dass ein Fremdantrag einen Verzicht auf die außergerichtliche Einigung niemals rechtfertigt.[23] Die Regelung ist von dem Gedanken getragen, dass ein Schuldner, der erst einen Gläubigerantrag abwartet, nicht privilegiert werden soll.[24] Deshalb ist umgekehrt auch kein Raum mehr für ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren, wenn das Verfahren auf einen Fremdantrag hin bereits eröffnet worden ist.[25]

[12] Uhlenbruck-Sternal, § 305 a Rn. 4.
[13] A.A. HK-Waltenberger, § 305 a Rn. 2.
[15] Zöller-Seibel, ZPO, Vor § 704...

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