Rn 1

Vorrangiges Ziel der Regelung in § 305 a ist die Absicherung des außergerichtlichen Einigungsversuches gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger, die Vermeidung von Vorteilen für diese gegenüber den übrigen Gläubigern und eine vorzeitige Beeinträchtigung etwa vorhandener Masse im Hinblick auf eine mögliche spätere Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens.[1] Die Norm ist Teil des gesetzlichen Systems zum Schutz der Verbraucherentschuldung vor Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen und greift im Vorfeld des Insolvenzantrages. Der Gesetzgeber hat bewusst kein allgemeines Vollstreckungsmoratorium geregelt.[2] Erst nach der Antragstellung kann das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren die Zwangsvollstreckung untersagen oder einstweilen einstellen (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3), selbst wenn das Ruhen des Verfahrens angeordnet ist (§ 306 Abs. 2 S. 1). Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, verbietet § 89 die Einzelzwangsvollstreckung.

 

Rn 2

Im Vorfeld der Antragstellung soll die sog. Rückschlagsperre Gläubiger von der Einzelzwangsvollstreckung abhalten.[3] Sie ist nach § 88 Abs. 2 im Verbraucherinsolvenzverfahren auf 3 Monate erweitert und führt zur rückwirkenden Unwirksamkeit der durch Zwangsvollstreckung im maßgeblichen Zeitraum erlangten Sicherungen des Gläubigers. Den Gläubigern soll ein Anreiz für Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen genommen werden, da eine so erlangte Sicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entwertet wird.[4] Ergänzend fingiert § 305 a das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs, wenn die beteiligten Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchführen nachdem die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden. Damit verkürzt sich das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren, was die Wahrscheinlichkeit zur Einbeziehung des vollstreckenden Gläubigers in die Rückschlagsperre erhöht. Die Rückschlagsperre würde im Verbraucherinsolvenzverfahren keinen wirksamen Schutz bedeuten, wenn sich die außergerichtlichen Einigungsbemühungen über mehrere Monate hinziehen. In der Praxis findet die Fiktion selten Anwendung, da die Gläubiger regelmäßig bereits vor Aufnahme der Verhandlung die Einzelzwangsvollstreckung versucht haben.[5]

 

Rn 3

Die Dreimonatsfrist orientiert sich an § 131 Abs. 1 Nr. 2, 3, der für eine inkongruente Deckung darauf abstellt, ob die inkriminierte Rechtshandlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde. Eine Anpassung der Rückschlagsperre an diese Frist schien dem Gesetzgeber gerechtfertigt, weil § 88 wie §§ 129 ff. die Gläubigergesamtheit schützen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung bereits in der Zeit der Krise vor Verfahrenseröffnung Rechnung tragen sollen. Gegenüber der Anfechtung ergebe sich auch der Vorteil, dass ein möglicherweise langwieriger Rechtsstreit vermieden wird.[6]

[1] RegE, BT-Drs. 14/5680, S. 31; RechtsA, BT-Drs. 17/13535, S. 29; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, § 305 a Rn. 2.
[2] Anders noch der Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/5680, S. 34 f.
[3] Ausführlich: Keller, ZIP 2018, 2156.
[4] RegE, BT-Drs. 14/5680, S. 15 Allgemeine Begründung Nr. 4.
[5] Uhlenbruck-Sternal, § 305 a Rn. 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Henning, § 305 a Rn. 1; FK-Grote/Lackmann, § 305 a, Rn. 1.
[6] RegE, BT-Drs. 14/5680, S. 33. Kritisch zur tatsächlichen Vereinfachung durch die Rückschlagsperre: Keller, ZIP 2018, 2156, 2159 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge