Rn 2

Das positive Tatbestandsmerkmal der Kosten des Verfahrens ist in § 54 definiert. Danach sind für die Einstellung mangels Masse lediglich die Gerichtskosten (Kostenverzeichnis, Teil 4; vgl. dazu § 54 Rn. 22 ff.) sowie die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 63 Satz 1), des Insolvenzverwalters (§ 63 Satz 1) und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 73 Abs. 1 Satz 1) zu berücksichtigen. Durch diese restriktive Kostenbetrachtung wird die Einstellung eines einmal eröffneten Verfahrens erschwert.[5] Damit folgt das Gesetz dem rechtspolitischen Reformansatz (vgl. § 1), wonach möglichst viele Verfahren durchgeführt werden sollen.[6]

 

Rn 3

Bei § 207 Abs. 1 Satz 1 handelt es sich um eine Parallelvorschrift zu § 26, der auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Insolvenzantrag abstellt. Das Verfahren darf damit nach § 207 Abs. 1 Satz 1 eingestellt werden, wenn sich die im Rahmen des § 26 bei Verfahrenseröffnung getroffene Prognose als unrichtig herausgestellt hat. Denkbar ist etwa, dass ein als erfolgreich eingestufter Prozess wider Erwarten verloren wurde oder sich Forderungen als uneinbringlich erweisen. Letzteres kann auch darauf zurückzuführen sein, dass der Insolvenzverwalter einen Prozess nicht führen kann, da ihm Prozesskostenhilfe nicht gewährt wurde.[7] Auch bei § 207 verbleibt im Übrigen ein gewisses Prognoseelement, selbst wenn dies – im Gegensatz zu § 26 und § 208 – im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich erwähnt wird.[8]

 

Rn 4

Nach verbreiteter, aber sehr umstrittener Auffassung sind – über den Wortlaut des § 207 hinaus – auch die sog. "unausweichlichen Verfahrenskosten" den Kosten des Verfahrens i.S.d. § 54 gleichzustellen.[9] Hierbei handelt es sich um die Kosten, die dem unmittelbaren Schutz und der Sicherung der Masse dienen (wie z.B. Strom, Wasser, Gas, Versicherungen) oder dem Verwalter infolge der Erfüllung öffentlich-rechtlich auferlegter Pflichten entstehen. Im Vordergrund stehen hier die steuerlichen Pflichten des Schuldners.[10]

 

Rn 5

Für die Berücksichtigung der unausweichlichen Verfahrenskosten spricht, dass das Verfahren ohne einen minimalen finanziellen Handlungsspielraum des Verwalters seinen Zweck nicht erfüllen kann.[11] Im Hinblick auf die §§ 60, 61 besteht für den Verwalter ferner ein erhebliches Haftungsrisiko. Kann er die bei der Abwicklung notwendiger Weise entstehenden Masseverbindlichkeiten nicht erfüllen, kommt eine Haftung gegenüber den Massegläubigern nach § 61 in Betracht, unterlässt er notwendige Erhaltungsmaßnahmen in Bezug auf die Masse, kann er sich nach § 60 gegenüber den Insolvenzgläubigern ersatzpflichtig machen.[12] Es entstünde damit, bliebe man bei der Auslegung nur am Wortlaut des § 207 haften, eine Pflichtenkollision des Insolvenzverwalters. Bei einer teleologischen Betrachtung darf diese Pflichtenkollision aber nicht außer Betracht bleiben.[13] Insgesamt ist das in § 207 enthaltene Merkmal der Kosten des Verfahrens auch auf die unausweichlichen Verfahrenskosten zu erstrecken.

 

Rn 6

Der BGH hat in einem Fall von unvermeidbaren Steuerberatungskosten eine praktische Lösung darin gefunden, die Kosten als "Auslagen" des Verwalters einzuordnen. Der Verwalter konnte sodann diese Kosten – in einem Verfahren mit Kostenstundung – gemäß § 63 Abs. 2 von der Staatskasse verlangen.[14] Zur Begründung stützt sich der BGH darauf, dass die Vergütungsvorschriften des Insolvenzrechts verfassungskonform auszulegen seien. Verfassungsrechtlich müsse sichergestellt sein, dass der Verwalter für seine Tätigkeit eine angemessene Vergütung unter Einschluss seiner Aufwendungen erhalte. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund sei es bei Masseunzulänglichkeit geboten, die unvermeidbaren Aufwendungen des Insolvenzverwalters aus eigenen Verträgen mit einem Steuerberater als Auslagen i.S.d. § 63 Abs. 2 zu bewerten.[15]

 

Rn 7

Die Qualifikation der Steuerberatungskosten als Auslagen lässt sich nach verbreiteter Auffassung – über den vom BGH entschiedenen Einzelfall hinaus – auch auf Verfahren ohne Kostenstundung erweitern.[16] Sie sind damit als Auslagen nach § 54 Nr. 2 auch im Rahmen des § 207 zu den Kosten des Verfahrens zu zählen. Nimmt man diese Erweiterung vor, so ist das Problem der "unausweichlichen Verfahrenskosten" für die Praxis zu einem gewissen Teil gelöst. Es kann dann für die Zwecke des § 207 dahingestellt bleiben, ob man die "unausweichlichen Verfahrenskosten" unmittelbar durch teleologische Auslegung zu den Kosten des Verfahrens i.S d. § 207 Abs. 1 Satz 1 zählt oder ob man dem dogmatischen Ausgangspunkt des BGH folgt und sie generell als "Auslagen" qualifiziert und auf diesem Weg bei § 207 Abs. 1 Satz 1 berücksichtigt.[17] Die Lösung des BGH lässt sich über die Steuerberatungskosten hinaus auf andere Fälle unausweichlicher Verfahrenskosten erweitern.[18] Sie führt allerdings nicht zum Ziel in den Fällen, in denen es sich – etwa bei Energielieferungsverträgen o.Ä. – nicht um den Verwalter persönlich treffende Verbindlichkeiten, ...

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