Rn 32

Die Vorschrift ist durch Art 9 Nr. 3 MoMiG eingefügt worden und soll Missbrauchsfällen begegnen. Das MoMiG sieht keine besondere Übergangsregelung für die Vorschrift vor. Richtiger Ansicht nach findet sie auf solche Sachverhalte Anwendung, in denen Führungslosigkeit nach Inkrafttreten des MoMiG eingetreten ist. § 15a Abs. 3 ist zwingend und kann daher weder durch Beschluss noch durch Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder abgeändert werden.[107]

[107] Berger ZInsO 2009, 1977 (1979).

6.1 Normzweck

 

Rn 33

Für die Regelung in Abs. 3 besteht ein praktisches Bedürfnis, denn durch Führungslosigkeit wird der am Geschäftsleiter anknüpfende Gläubigerschutz ausgehebelt.[108] Die Gesellschafter in der GmbH und der Aufsichtsrat in der AG bzw. Genossenschaft sind auch die richtigen Adressaten, um die Gläubigerschutzlücke zu schließen, sind sie doch für die (fortdauernde) Führungslosigkeit verantwortlich.[109] Parallel zur Pflicht hat der Gesetzgeber diesen Personen im Falle der Führungslosigkeit auch ein entsprechendes (Insolvenz-)Antragsrecht in § 15 Abs. 1 Satz 2 eingeräumt.

 

Rn 34

Zu beachten ist, dass die Lösung des MoMiG-Gesetzgebers zu kurz greift. Zum einen wird im Fall der Führungslosigkeit nur die Antragspflicht, nicht aber für jede zwingende, dem Gläubigerschutz dienende Geschäftsleiterpflicht eine Ersatzzuständigkeit vorgesehen (z. B. § 64 Satz 1 GmbHG).[110] Zum anderen ist für die Insolvenzeröffnung – h. M. zufolge – die Prozessfähigkeit des Schuldners notwendig, anderenfalls liegt kein zulässiger Eröffnungsantrag vor.[111] Weder § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG (einschließlich § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 24 Abs. 1 Satz 2 GenG) noch § 10 Abs. 2 erklären ausdrücklich, dass die Gesellschafter / Aufsichtsratsmitglieder im Fall der Führungslosigkeit gesetzliche Vertreter der Gesellschaft im Sinne von § 51 ZPO werden.[112] Eine Ersatzzuständigkeit für die Antragspflicht bringt aber für den Gläubigerschutz nichts, wenn der Antrag mangels Zulässigkeit abzuweisen oder erst – umständlich – ein Not-Geschäftsleiter (analog § 29 BGB) oder Verfahrenspfleger (§ 57 ZPO) zu bestellen wäre.[113] Es bleibt daher nur zu hoffen, dass die Gerichte § 15a Abs. 3 den gesetzgeberischen Willen entnehmen, dass für die Insolvenzeröffnung aufgrund eines Eigen- oder Fremdantrags die Prozessfähigkeit des Schuldners zu unterstellen oder nicht erforderlich ist.[114] Hierfür sprechen freilich gute Gründe. Kann nämlich das Insolvenzverfahren ohne weiteres fortgeführt werden, wenn der Geschäftsleiter eine logische Sekunde nach Verfahrenseröffnung unauffindbar verschwindet, ist wenig einsichtig, warum im Insolvenzeröffnungsverfahren der Geschäftsleiter unbedingt erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als nach dem neuen § 10 Abs. 2 Satz 2 die Anhörung der zur Vertretung des Schuldners berechtigten Personen durch die Anhörung der Gesellschafter ersetzt werden kann.

[108] Haas GmbHR 2006, 729 (732 ff.); Hirte ZInsO 2003, 833 (834); Passarge ZInsO 2011, 1283 ff.
[109] Vgl. auch Poertzgen NZI 2008, 9 (11).
[110] Haas GmbHR 2006, 729 (733).
[111] BGH ZInsO 2007, 97; OLG Köln GmbHR 2000, 390 (391); OLG Dresden NZI 2000, 136; KG Berlin KTS 1962, 111, 112; HambKomm-Linker, § 13 Rn. 5, 12.
[112] BGH ZIP 2010, 2444 (2445) [BGH 25.10.2010 - II ZR 115/09]; siehe auch K. Schmidt GmbHR 2011, 113 (114).
[113] Haas GmbHR 2006, 729 (734).
[114] Vgl. zum Ganzen Horstkotte ZInsO 2009, 209 (211 ff.); siehe auch Roth/Altmeppen, Vor § 64 GmbHG Rn. 50; zumindest für den Eigenantrag Berger ZInsO 2009, 1977 (1984), nicht aber für Fremdantrag (1979).

6.2 Die von Abs. 3 erfassten Gesellschaften

 

Rn 35

Abs. 3 sieht eine Ersatzzuständigkeit für die Insolvenzantragspflicht vor, wenn die Gesellschaft mit beschränkter Haftung führungslos ist. Unstreitig gilt diese Bestimmung, wenn die insolvente Gesellschaft führungslos ist und es sich hierbei – wie es in der Vorschrift heißt – um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt. Ob es sich bei einer solchen Gesellschaft um eine GmbH, AG oder Genossenschaft handeln muss, ist fraglich. Teilweise wird aus dem Umstand, dass (nur) diese Gesellschaften in Abs. 3 ausdrücklich genannt sind, geschlossen, dass andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung (z. B. Europäische Genossenschaft, SE) oder auch sogenannte Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung nicht erfasst sind.[115] Dies ist jedoch abzulehnen.[116] Fraglich ist dagegen, ob die Vorschrift eine Ersatzzuständigkeit auch für die Antragspflicht nach § 15a Abs. 1 Satz 2 vorsieht. Nach dieser Vorschrift trifft die Antragspflicht – etwa in einer GmbH & Co KG – an sich den Geschäftsführer der zur Vertretung in dieser KG ermächtigten GmbH. Ist Letztere führungslos, ist fraglich, ob ihre Gesellschafter nach § 15a Abs. 3 1. HS verpflichtet sind, den Eröffnungsantrag für die KG zu stellen.[117] Die wohl überwiegende Ansicht bejaht dies zu Recht.[118]

[115] HK-Ransiek, § 15a Rn. 20; siehe auch HambKomm-Linker, § 15a Rn. 4, 25; FK-Schmerbach, § 15a Rn. 41; Uhlenbruck/Hirte, § 15a Rn. 61.
[116] Roth/Altmeppen, Vor § 64 GmbHG Rn. 63.
[117] Röhricht/Graf...

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