Rn 20

Das Gesetz sieht in § 15a Abs. 1 vor, dass der Antragspflichtige spätestens drei Wochen[54] nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen muss.

[54] Beachte die Ausnahme nach Art. 3 des AufbauhilfeG (BGBl I 2013, 2401), siehe hierzu Müller/ Rautmann DStR 2013, 1551 ff. Zweifel – allgemein – an ökonomischer Sinnhaftigkeit der Frist, Hirte ZInsO 2008, 146 (147); Jaffé/Friedrich ZIP 2008, 1849 (1857).

4.1 Natur der Frist

 

Rn 21

Die Frist in § 15a Abs. 1 ist eine Höchstfrist.[55] Sie darf nicht dazu genutzt werden, vor Antragstellung noch möglichst viel vom Vermögen zu "retten". Stellt sich daher schon vor Ablauf der Dreiwochenfrist heraus, dass Sanierungschancen (objektiv) nicht bestehen, so hat der Antragspflichtige den Eröffnungsantrag unverzüglich (und nicht erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist) zu stellen.[56] Außergerichtliche Vergleichsbemühungen – auch wenn diese aussichtsreich sind – hemmen den Fristablauf nicht und schieben diesen auch nicht hinaus.[57] Die Frist steht nicht zur Disposition der Gesellschafter und kann auch mit Zustimmung aller Gläubiger nicht verlängert werden.[58] Bestehen vor Ablauf der Höchstfrist aussichtsreiche Sanierungschancen, begeht der Geschäftsleiter keine Pflichtverletzung, wenn er diese innerhalb der Höchstfrist auslotet. Er haftet dann nicht wegen Insolvenzverschleppung.[59]

[55] BGHZ 75, 96 (108); BGHSt 48, 307 (309) = NZG 2004, 43; FK-Schmerbach, § 15a Rn. 21; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 55; Scholz/Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 163; Roth/Altmeppen, Vor § 64 Rn. 78.
[56] BGHZ 75, 96 (111 f.); BGH DStR 2001, 1537 (1538) [BGH 02.10.2000 - II ZR 164/99]; OLG Düsseldorf NZG 1999, 1066 (1068); OLG Stuttgart ZInsO 2004, 1150 (1151); Goette ZInsO 2001, 529 (533); Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 55; Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 163; Haas DStR 2003, 423 (426); Ulmer/Casper, § 64 GmbHG Rn. 65; Poertzgen ZInsO 2008, 944 (946).
[57] Noack, InsO GesR, Rn. 266; FK-Schmerbach, § 15a Rn. 22; Uhlenbruck/Hirte, § 15a Rn. 16.
[58] Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 168.
[59] A. M. Poertzgen ZInsO 2008, 1196 (1197 ff.).

4.2 Fristbeginn

 

Rn 22

Wann die Frist zu laufen beginnt, ist umstritten.[60] Teilweise wird vertreten, dass die Frist ab dem Zeitpunkt beginnt, ab dem der Geschäftsleiter positive Kenntnis vom Eintritt der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit hat.[61] Hierfür spricht einerseits, dass der Geschäftsleiter auf diese Weise in die Lage versetzt wird, die Dreiwochenfrist für Sanierungsversuche zu nutzen, zu deren Prüfung er gegenüber der Gesellschaft auch verpflichtet ist.[62] Das Abstellen auf den objektiven Eintritt der Krisentatbestände[63] birgt demgegenüber die Gefahr, dass die Frist ungenutzt verstreicht und objektiv bestehende Sanierungsmöglichkeiten vom Geschäftsleiter nicht mehr genutzt werden dürfen. Andererseits hat ein späterer Fristbeginn zur Folge, dass infolge fahrlässigen Nichterkennens der Krisensituation die Haftungsmasse zu Lasten der Gläubiger weiter geschmälert wird. Um dies zu verhindern, stellt die wohl h. M. nicht auf die Kenntnis des Geschäftsleiters, sondern darauf ab, wann die Krisenlage "zutage tritt".[64] Beide Ansichten differieren im Ergebnis kaum;[65] denn bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wird dem Geschäftsleiter der Mangel an Zahlungsmitteln zur Begleichung fälliger Schulden kaum verborgen bleiben. Anders verhält es sich mit der Überschuldung, da sich Letztere nicht ohne weiteres aus den Geschäftsbüchern ergibt. Die Autoren aber, die für den Fristbeginn auf die Kenntnis der Krise abstellen, schränken ihre Rechtsansicht insoweit ein, als die Frist jedenfalls dann beginnen soll, wenn sich der Geschäftsleiter der Erkenntnis der Krisenlage treuwidrig verschließt.[66] Dies wird man jedenfalls dann annehmen müssen, wenn die Krisenlage offen zutage tritt bzw. der Geschäftsleiter Kenntnis von den die Überschuldung begründenden Fakten und Zahlen hat.[67] Auf eine positive Feststellung der Überschuldung durch den Geschäftsleiter kommt es für den Fristlauf nicht an.[68]

[60] Vgl. Nachweise bei Ulmer/Casper, § 64 GmbHG Rn. 64; Poertzgen ZInsO 2008, 944 (947 f.); HambKomm-Linker, § 15a Rn. 16.
[61] Vgl. BGHZ 75, 96 (110); OLG Frankfurt NZG 2004, 1157 (1159) für AG; FK-Schmerbach, § 15a Rn. 26; Roth/Altmeppen, Vor § 64 GmbHG Rn. 78.
[62] Vgl. BGHZ 75, 96 (111).
[64] Vgl. Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 164; K. Schmidt ZIP 1988, 1497 (1498); Hamb-Komm-Linker, § 15a Rn. 16; vgl. auch Poertzgen ZInsO 2008, 944 (948); Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baumert, Vor § 64 GmbHG Rn. 75 (Erkennbarkeit).
[65] Vgl. Haas, Geschäftsführerhaftung, S. 24; FK-Schmerbach, § 15a Rn. 26; Uhlenbruck/Hirte, § 15a Rn. 14;Geißler GmbHR 2011, 907 (911); siehe auch Ulmer/Casper, § 64 GmbHG Rn. 64.
[67] Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baumert, Vor § 64 GmbHG Rn. 75; FK-Schmerbach, § 15a Rn. 26.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge