Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz des Geschäftsführers wegen Vorenthaltung der Sozialversicherungsbeiträge. keine Enthaftung des Geschäftsführers durch interne Zuständigkeitsverteilung oder Delegation. Einwand der Unmöglichkeit der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Vorsatz des Geschäftsführers. keine Haftung des Geschäftsführers bei Anfechtbarkeit der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nach § 130 InsO

 

Leitsatz (amtlich)

  • § 266a StGB stellt ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Der Geschäftsführer einer zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichteten Gesellschaft, der gem. § 35 Abs. 1 GmbHG als deren gesetzlicher Vertreter die Arbeitgeberfunktion für diese ausübt, ist über § 14 StGB Normadressat des Schutzgesetzes.
  • Ein Vorenthalten i.S.d. § 266a StGB ist gegeben, wenn die Beiträge zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtet werden.
  • Der einzelne Geschäftsführer einer GmbH bleibt kraft seiner Amtsstellung und seiner nach dem Gesetz gegebenen "Allzuständigkeit" für alle Angelegenheiten der Gesellschaft und damit auch für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten der Gesellschaft, zu denen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehört, verantwortlich, auch wenn die diesbezüglichen Aufgaben durch interne Zuständigkeitsverteilung oder durch Delegation auf andere Personen übertragen wurden. Es bleiben stets Überwachungspflichten, die Veranlassung zum Eingreifen geben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung von der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den (intern) zuständigen Geschäftsführer oder den mit der Erledigung beauftragten Arbeitnehmer nicht mehr gewährleistet ist. Bei einer offensichtlichen Finanzkrise der Gesellschaft ist der Geschäftsführer gehalten, aufgrund eigener Kontrolle Sorge dafür zu tragen, dass die Zahlungspflichten auch tatsächlich erfüllt werden. Auf die Zusage des Mitgeschäftsführers darf er nicht vertrauen, sondern muss selbst kontrollieren müssen, ob die Beiträge tatsächlich abgeführt werden.
  • Für die Annahme der zur Enthaftung des Geschäftsführers führenden Unmöglichkeit der Leistung ist noch nicht ausreichend, dass die Gesellschaft nicht mehr genug Mittel hat, um allen bestehenden Verbindlichkeiten nachzukommen. Erforderlich ist, dass das Unternehmen nicht mehr über genug liquide Mittel verfügt, um gerade die konkret geschuldete Forderung (und nur diese) zu decken. Der Arbeitgeber ist in einer Krisensituation gehalten, durch geeignete Maßnahmen, etwa durch die Aufstellung eines Liquiditätsplanes und die Bildung ausreichender Rücklagen unter Zurückstellung anderer Zahlungsverpflichtungen, notfalls auch durch Kürzung der auszuzahlenden Löhne, sicher zu stellen, dass er die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung auch wird fristgerecht abführen können.
  • Zum notwendigen Vorsatz des Geschäftsführers.
  • Die Haftung des Geschäftsführers entfällt, wenn die Zahlungen an den Sozialversicherungsträger später hätten erfolgreich gem. § 130 InsO angefochten werden können; zur hierfür erforderlichen Kenntnis des Sozialversicherungsträgers.
  • Der Sozialversicherungsträger muss nicht vor Inanspruchnahme des Geschäftsführers seine Ansprüche erst im Insolvenzverfahren anmelden und dessen Ausgang abwarten.
 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; StGB § 266a; InsO § 130; GmbHG § 35

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 05.02.2014; Aktenzeichen 9 O 18/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Düsseldorf vom 5.2.2014 - 9 O 18/13 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.327,76 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 2.401,75 EUR seit dem 29.12.2011,

aus 2.254,99 EUR seit dem 28.1.2012 sowie

aus 1.671,02 EUR seit dem 28.2.2012 zu zahlen,

Zug um Zug gegen Abtretung der der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH dieser gegenüber zustehenden Zahlungsansprüche auf Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung betreffend die Monate Dezember 2011, Januar 2012 und Februar 2012.

Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 35 % und der Beklagte 65 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil gem. §§ 543 Abs. 1, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO unzweifelhaft nicht zulässig ist.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg und führt insoweit zu einer Abänderung der erstinstanzlich unbedingt erfolgten Verurteilung in eine Verurteilung zur Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung anderweitiger Ersatzansprüche.

Im Übrigen hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Sie hat keine Rechtsfehler i.S.d. § 546 ZPO zu Lasten des Beklagten aufgezeigt. Auch im Übrigen rechtfertigen die vom Senat seiner Entscheidung zugrunde zu...

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