Rn 80

Der Bundestag hat am 20.10.2022 das Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes beschlossen. Das Gesetz sieht eine Änderung des Namens des bisherigen COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes[108] vor. Es heißt fortan "Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz – SanInsK)". Diese Anpassung wurde vorgenommen, weil erkennbar werden soll, dass dieses Gesetz künftig nicht mehr ausschließlich Bestimmungen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie enthalten wird.[109]

 

Rn 81

Die derzeitigen Verhältnisse und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten belasten nicht nur die finanzielle Situation von Unternehmen, sondern erschweren auch deren vorausschauende Planung. Das gilt auch für die Planungen, die das Insolvenzrecht den Geschäftsleitern haftungsbeschränkter Unternehmensträger durch die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 auferlegt.[110] Deckt das Vermögen des Unternehmens nicht mehr dessen Verbindlichkeiten, besteht eine zur Antragstellung verpflichtende Überschuldung, wenn die Fortführung des Unternehmens über einen Zeitraum von zwölf Monaten nicht mehr überwiegend wahrscheinlich ist, § 19 Abs. 2 Satz 1. Derartige Prognosen lassen sich angesichts der derzeitigen Preisvolatilitäten und der auf absehbare Zeit weiterhin bestehenden Unsicherheiten über Art, Ausmaß und Dauer des eingetretenen Krisenzustands oft nur auf unsichere Annahmen stützen.[111] Die Geschäftsleiter solcher Unternehmen werden damit haftungs- und strafrechtlichen Risiken ausgesetzt, die sie nur durch eine Insolvenzantragstellung sicher vermeiden können. Das betrifft insbesondere auch Unternehmen, deren Bestandsfähigkeit unter normalen Umständen, das heißt bei Hinwegdenken der derzeitigen Preisvolatilitäten und Unsicherheiten außer Zweifel stünde.

 

Rn 82

Solange diese Unternehmen aber in der Lage sind, ihren Zahlungspflichten über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten nachzukommen, liegt es im gesamtwirtschaftlichen Interesse an der Vermeidung weiterer Verwerfungen auf den Märkten, diesen Unternehmen den Gang in ein Insolvenzverfahren zu ersparen, so die Gesetzesbegründung. Um zu vermeiden, dass diese Unternehmen allein wegen dieser allgemeinen, alle Marktteilnehmer treffenden Unsicherheiten in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden, soll der Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung daher auf einen Prognosezeitraum von vier Monaten bezogen werden.[112]

 

Rn 83

Konsequenzen aus den derzeitigen Prognoseunsicherheiten werden auch für die zeitlichen Horizonte gezogen, die den Planungen im Rahmen von Sanierungen zugrunde zu legen sind (§ 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). Auch diese Planungen sollen vorübergehend auf einen Zeitraum von vier Monaten bezogen werden können.

 

Rn 84

Der Insolvenzantragsgrund der Überschuldung nach § 19 wird mit dem Gesetz für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023 auf einen viermonatigen, statt zwölfmonatigen Prognosezeitraum bezogen. Damit soll verhindert werden, dass Geschäftsleiter gezwungen werden, Unternehmen in Insolvenzverfahren zu führen, an deren Fortbestand bei Hinwegdenken der derzeitigen vorübergehenden Preisvolatilitäten und Unsicherheiten keine Zweifel bestünden. Dabei verzichtet das Gesetz darauf, den Anwendungsbereich der Vorschrift an eine entsprechende Voraussetzung zu binden, insbesondere ein Kausalitätserfordernis einzuführen, das die Prognoseunsicherheiten auf die Entwicklungen an den Energiemärkten rückbezieht.[113] Die Antragspflicht wegen Überschuldung wird mithin nicht ausgesetzt, sondern an Verhältnisse angepasst, die längerfristige Prognosen ohnehin kaum zulassen.

 

Rn 85

Prognosen sind auch von Schuldnern zu erstellen, die ihr Unternehmen im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG oder im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens sanieren wollen. Nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG sind Finanzpläne vorzulegen, aus denen sich für einen Zeitraum von sechs Monaten ergibt, dass das Unternehmen unter Berücksichtigung der Sanierungs- und Verfahrenskosten durchfinanziert ist. Kann eine entsprechende Planung nicht vorgelegt werden, ist die Durchführung eines Eigenverwaltungsvorhabens zwar nicht ausgeschlossen, jedoch an die Voraussetzung gebunden, dass dennoch davon ausgegangen werden kann, dass die Durchführung des Vorhabens im Interesse der Gläubiger liegt. Wird im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens eine entsprechende Planung nicht vorgelegt, kann keine Stabilisierungsanordnung erwirkt werden. Um den derzeitigen Prognoseunsicherheiten auch im Kontext solcher Vorhaben angemessen Rechnung zu tragen, wird der jeweilige Planungshorizont auf vier Monate verringert.

 

Rn 86

Die Regelungen sollen den derzeitigen und auf absehbare Zeit fortbestehenden Prognoseunsicherheit...

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