Leitsatz (amtlich)

Auf einen Schenkungsvertrag, der vor dem 3.10.1990 in der damaligen DDR geschlossen und vollzogen worden ist, ist § 528 BGB nicht anwendbar.

 

Normenkette

BGB § 528

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 05.04.2002; Aktenzeichen 21 U 2285/01)

LG Zwickau

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das am 5.4.2002 verkündete Urteil des 21. Zivilsenats des OLG Dresden wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt als Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht Rückgewähr einer Schenkung wegen Notbedarfs gem. § 528 BGB, hilfsweise die Rückabwicklung des Schenkungsvertrages wegen Nichtigkeit.

Die Schenkerin, die am 11.6.2000 verstorbene E. J., beantragte im Jahre 1989 bei der Klägerin Sozialhilfe. In ihrem Antrag gab sie als Vermögen einen Erbanspruch an, nicht aber Grundeigentum an einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 19.404 m2 in der damaligen DDR. Den Erbanspruch trat sie an die Klägerin ab, die den im Wege eines Vergleichs zur Abgeltung dieses Erbanspruchs gezahlten Betrag von 30.000 DM auf die der Schenkerin gewährten Leistungen verrechnete.

Durch Schenkungsvertrag vor dem staatlichen Notariat der damaligen DDR v. 7.6.1990 übertrug die Schenkerin der Beklagten die landwirtschaftliche Nutzfläche; die Beklagte wurde am 5.9.1990 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin erfuhr im Oktober 1993 von der Schenkung und leitete durch Bescheid v. 11.11.1993 den nach ihrer Auffassung gem. § 528 BGB bestehenden Rückforderungsanspruch der Schenkerin gem. § 90 BSHG auf sich über. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, sie habe nach Verrechnung des Betrages von 30.000 DM der Schenkerin ab März 1992 Sozialleistungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 102.592,17 DM gewährt. Diesen Betrag nebst Zinsen verlangt sie von der Beklagten. Ihre Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Rückforderungsanspruch weiter. Die Beklagte ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Zahlungsanspruch gem. §§ 528 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB a.F. i. V. m. § 90 BSHG auf Grund einer Verarmung der Schenkerin nicht zu, denn gemäß Art. 232 § 1 EGBGB finde § 528 BGB auf den vorliegenden Schenkungsvertrag keine Anwendung. Anzuwenden sei vielmehr das Recht der DDR und damit das ZGB. Dieses habe die Verteilung der Risiken bei einem Schenkungsvertrag anders geregelt als das BGB. Eine Herausgabepflicht habe § 356 Abs. 1 ZGB ausgeschlossen. Diese Risikoverteilung sei auch für die Zeit nach dem 3.10.1990 bestimmend und könne nicht durch Anwendung des § 528 BGB im Nachhinein verändert werden. Die Übergangsregelung des Art. 232 § 1 EGBGB beschränke sich zwar auf das Schuldverhältnis selbst; für neue, von außen auf das Schuldverhältnis einwirkende, sich auch nicht aus seiner inneren Entwicklung ergebenden Umstände, die nach Ablauf des 2.10.1990 auf das Schuldverhältnis einwirkten, fänden statt dessen die allgemeinen Regeln des BGB Anwendung. Bei der Verarmung des Schenkers handele es sich jedoch nicht um einen von außen auf das Schuldverhältnis einwirkenden Umstand.

2. Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen sind nicht begründet. Die Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 232 § 1 EGBGB durch das Berufungsgericht hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

a) Art. 232 § 1 EGBGB bestimmt, dass für ein Schuldverhältnis, welches vor dem Wirksamwerden des Beitritts entstanden ist, das bisherige Recht maßgebend bleibt. Die Übergangsvorschrift ist wortgleich mit derjenigen des Art. 170 EGBGB, welche das Verhältnis des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs im Verhältnis zu dem vor dem 1.1.1900 geltenden Landesrecht regelte. Nach In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1.1.1900 bestand in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit darin, diejenigen Schenkungen, die vor dessen In-Kraft-Treten vollzogen waren, den bisher geltenden Regelungen zu unterwerfen. Zu der Parallelvorschrift des Art. 170 EGBGB hat das Reichsgericht entschieden, dass die Voraussetzungen des Widerrufs einer Schenkung (wegen Undanks) nach dem Recht zu beurteilen sind, dem die Schenkung selbst untersteht, und zwar auch dann, wenn sich die Tatsachen, die das Widerrufsrecht begründen sollen, erst nach dem In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ereignet haben (RGZ 62, 328; dem folgend Staudinger/Keidel, 9. Aufl., 1929, Art. 170 EGBGB Anm. 7; Fuchs, Die Übergangsbestimmungen des Einführungsgesetzes des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Gruchots, Beiträge 44 (1900), S. 1, 15; Dernburg, Schuldverhältnisse, 3. Aufl., 1906, 2. Abt., § 209 IV; für die "Dürftigkeitseinrede" des Schenkers aus § 519 BGB RG Recht 1913, Nr. 1618).

Die Regelung des Art. 170 EGBGB ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes (BGH BGHZ 10, 391 [394]; BGHZ 44, 192 [194]). Dass der Gesetzgeber der wortgleichen Regelung des Art. 232 § 1 EGBGB einen anderen Inhalt geben wollte, ist nicht ersichtlich.

b) Die Vorschrift ist allerdings so auszulegen, dass neues Recht insoweit anzuwenden ist, als es sich um neue, von außen an das Schuldverhältnis herantretende, sich nicht aus seiner inneren Entwicklung ergebenden Umstände handelt (BGH v. 18.6.1993 - V ZR 47/92, BGHZ 123, 58 [63] = MDR 1994, 59; v. 13.6.1995 - IX ZR 137/94, BGHZ 130, 76 [83] = MDR 1995, 1223; Heinrichs in MünchKomm, 3. Aufl. 1999, Art. 232 § 1 EGBGB Rz. 14).

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Verarmung des Schenkers nicht um einen von außen auf das Schuldverhältnis wirkenden Umstand. Art. 232 § 1 EGBGB knüpft nicht an das Entstehen des Anspruchs an, sondern an das Entstehen des Schuldverhältnisses. Das Schuldverhältnis Schenkung ist aber von vornherein mit dem Recht nach § 528 BGB belastet. Das Recht aus § 528 BGB ist Bestandteil des Rechtsgeschäfts. Es entsteht nicht erst mit der den Widerruf begründenden Tatsache, sondern wird durch diese nur ausgelöst. Mit der Verarmung des Schenkers verwirklicht sich ein dem Schenkungsvertrag von Anfang an anhaftendes Risiko. Die Rechtsfolgen dieses Risikos sind nach dem für den Schenkungsvertrag maßgeblichen Recht zu beurteilen, in dem sie ihre Grundlage haben (RG, Recht 1913, Nr. 1619). Wie bei bedingten oder befristeten Verträgen bleibt daher das für das Rechtsgeschäft maßgebliche Recht weiterhin bestimmend, auch wenn die Bedingung oder Befristung erst nach dem Stichtag eintritt (vgl. BGH v. 29.11.1996 - LwZR 8/95, BGHZ 134, 170 [175 f.]). Auf einen Schenkungsvertrag, der vor dem 3.10.1990 in der damaligen DDR geschlossen und vollzogen worden ist, ist § 528 BGB demnach nicht anwendbar.

c) Das Berufungsgericht hat daher zu Recht das ZGB der DDR angewandt, das eine Rückforderung nicht vorsieht, und sich an der Anwendung des ZGB der DDR nicht deshalb gehindert gesehen, weil es sich bei § 528 BGB um eine spezialgesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben handelt. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BGH § 242 BGB ebenso wie die aus dieser Vorschrift abgeleiteten Rechtsinstitute einschließlich der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auch auf Altverträge aus der Zeit vor dem 3.10.1990 anzuwenden, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein übergesetzliches Prinzip darstellt, das allen Rechtsordnungen immanent ist (vgl. BGH v. 14.10.1992 - VIII ZR 91/91, BGHZ 120, 10 [22] = MDR 1993, 91; v. 10.12.1993 - V ZR 158/92, BGHZ 124, 321 ff. = MDR 1994, 374). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht darauf abgestellt, dass es Ziel der Anwendung des übergesetzlichen Rechtssatzes von Treu und Glauben auch auf Altverträge ist, diesem Grundsatz widersprechende Ergebnisse zu vermeiden, nicht aber die in Spezialvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgenommene Risikoverteilung entgegen Art. 232 § 1 EGBGB an die Stelle der im Altrecht abweichend geregelten Risikoverteilung zu setzen.

II. 1. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks auch nicht deshalb zu, weil der Schenkungsvertrag nichtig gewesen sei. Die Klägerin habe nicht vorgetragen und es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages gewusst habe, dass die Schenkerin bereits Sozialhilfe bezogen habe. Auch die Klägerin selbst gehe hiervon offenbar aus, wenn sie der Beklagten vorwerfe, sich dieser Einsicht grob fahrlässig verschlossen zu haben. Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sich dieser Umstand der Beklagten hätte aufdrängen müssen, habe die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Allein das nach den Umständen nahe liegende bewusste Handeln der Schenkerin zum Nachteil der Klägerin reiche zur Begründung der Sittenwidrigkeit des Schenkungsvertrages nicht aus.

2. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe dabei erhebliches Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt gelassen, dringt sie auch hiermit nicht durch. Der von der Klägerin in Bezug genommene Vortrag lässt nicht erkennen, inwiefern sich die Beklagte der Kenntnis vom Sozialhilfebezug der Schenkerin verschlossen hätte. Aus welchen Umständen die Klägerin herleiten will, dass sich auch für die Beklagte solche Überlegungen aufgedrängt hätten, hat sie nicht dargelegt. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen Sittenwidrigkeit verneint hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1090826

BGHR 2004, 277

FamRZ 2004, 357

VIZ 2004, 199

WM 2004, 337

ZAP 2004, 223

ZEV 2004, 380

ZfIR 2004, 209

MDR 2004, 561

NJ 2004, 176

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