Leitsatz (amtlich)

Die Erklärung des Versicherungsnehmers in einem Versicherungsantrag, im Falle seines Todes solle "der Ehegatte der versicherten Person" Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe regelmäßig dahin auszulegen, dass der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Festlegung der Bezugsberechtigung verheiratete Ehegatte begünstigt sein soll.

 

Normenkette

BGB § 133

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.06.2005; Aktenzeichen 3 U 176/04)

LG Wiesbaden (Entscheidung vom 04.05.2004; Aktenzeichen 2 O 251/03)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 9.6.2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Der Kläger verlangt die Rückzahlung der von seiner verstorbenen Ehefrau geleisteten Beiträge für eine bei der Beklagten genommene Rentenversicherung, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für Rentenversicherungen (AVB) und die Besonderen Bedingungen für Versicherungen aufgeschobener Leibrenten mit Beitragsrückgewähr zugrunde liegen.

[2] Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen der verstorbenen Ehefrau des Klägers und der Beklagten im Jahr 1979 war diese in erster Ehe mit dem Streitverkündeten W. M. verheiratet. Für die beim Tod des Versicherten vor Rentenbeginn in § 1 der Besonderen Bedingungen vorgesehene Beitragsrückgewähr war in dem Versicherungsantrag als Bezugsberechtigter der "Ehegatte der versicherten Person" angegeben. § 12 Nr. 1 AVB bestimmt in diesem Zusammenhang Folgendes:

"Der Versicherungsnehmer kann einen Dritten als bezugsberechtigt bezeichnen. Der Bezugsberechtigte erwirbt das Recht auf die Leistung der Gesellschaft erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Bis dahin kann der Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung widerrufen."

[3] Die erste Ehe der verstorbenen Ehefrau des Klägers wurde 1985 geschieden, von 1993 bis zu ihrem Tod ein Jahr später war sie mit dem Kläger verheiratet. Nach ihrem Tod zahlte die Beklagte Versicherungsleistungen i.H.v. insgesamt 6.255,02 EUR an den geschiedenen Ehemann aus. Eine Auszahlung des Betrages an den Kläger lehnte die Beklagte ab.

[4] Das LG hat die Klage auf Zahlung des vom Kläger errechneten Betrages i.H.v. 7.518,85 EUR abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er sein Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

[5] Die Revision hat keinen Erfolg.

[6] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

[7] Wer im vorliegenden Fall bezugsberechtigt sei, müsse nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB und unter Berücksichtigung von § 12 Nr. 1 AVB durch Auslegung der im Versicherungsvertrag zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer getroffenen Vereinbarungen ermittelt werden. Deren Scheidung von ihrem ersten Ehemann habe dessen Bezugsberechtigung nicht ohne Weiteres - etwa im Sinne einer auflösenden Bedingung - außer Kraft gesetzt. Aus der im Versicherungsantrag vorgenommenen Verknüpfung zwischen dem Begriff "Todesfall" und dem Begriff "der Ehegatte" ergebe sich für den hier vorliegenden Fall des Vorhandenseins zweier überlebender Ehegatten nichts anderes. Die Auslegungsregel des § 2077 BGB könne in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH nicht entsprechend angewendet werden. Dem stehe schon der Umstand entgegen, dass bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung der einseitige hypothetische Wille des Erblassers maßgeblich sei, während es bei der hier vorliegenden vertraglichen Regelung allein auf den Empfängerhorizont des Versicherers als Vertragspartner ankomme. Dies gelte jedenfalls für das hier streitbefangene Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Da der Versicherungsvertrag schon vor der Scheidung im Jahre 1985 gekündigt und beitragsfrei gestellt war, könne der Gedanke der wirtschaftlichen Absicherung des Klägers aus Anlass von dessen Eheschließung mit der Verstorbenen im Jahre 1993 auch nicht als Auslegungskriterium zu dessen Gunsten herangezogen werden.

[8] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger die begehrte Versicherungsleistung mangels Bezugsberechtigung zu Recht versagt.

[9] 1. Nach § 12 Nr. 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden AVB kann der Versicherungsnehmer einen Dritten widerruflich als Bezugsberechtigten bezeichnen. Die Einräumung und der Widerruf eines solchen Bezugsrechtes sind dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie der (bisherige) Verfügungsberechtigte dem (Vorstand des) Versicherer(s) schriftlich angezeigt hat (§ 12 Nr. 3 AVB). Wem in welchem Umfang ein Bezugsrecht und die daraus folgenden Ansprüche auf die Versicherungsleistungen zustehen, bestimmt der Versicherungsnehmer also durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung ggü. dem Versicherer, die Verfügungscharakter hat (Senat, Urt. v. 28.9.1988 - IVa ZR 126/87, MDR 1989, 144 = VersR 1988, 1236 unter 2; v. 18.6.2003 - IV ZR 59/02, BGHReport 2003, 992 m. Anm. Baroch Castellví = VersR 2003, 1021 unter II 1). Nichts anderes gilt für den Widerruf oder die Änderung einer Bezugsberechtigung. Auch sie verlangen eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf die inhaltliche Änderung der bisherigen Bestimmung gerichtet ist und der demgemäß ebenfalls Verfügungscharakter zukommt (Senatsurteil vom 28.9.1988a.a.O.).

[10] 2. Wem mit der vom Versicherungsnehmer gewählten Bezeichnung "Ehegatte der versicherten Person" ein Bezugsrecht eingeräumt worden ist, muss deshalb zunächst durch Auslegung der Willenserklärung des Verfügungsberechtigten ermittelt werden - und zwar bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem er diese abgegeben hat (vgl. BGH, Urt. v. 1.4.1987 - IVa ZR 26/86, MDR 1987, 914 = VersR 1987, 659 unter 1). Maßgeblich ist also der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandene und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers (Senatsbeschluss v. 17.9.1975 - IV ZA 8/75, VersR 1975, 1020).

[11] a) Das Berufungsgericht hat den Willen der verstorbenen Ehefrau des Klägers, ihren damaligen Ehemann und nicht den Kläger widerruflich zu begünstigen, dem Wortlaut der im Versicherungsantrag vorgenommenen Einsetzung "der Ehegatte der versicherten Person" entnommen. Das lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

[12] Dieser Wortlaut bietet keinen Anhalt dafür anzunehmen, die verstorbene Ehefrau des Klägers habe bei Vertragsabschluss im Jahr 1979 nicht ihren damaligen Ehemann, sondern allgemein diejenige Person begünstigen wollen, die zum Zeitpunkt ihres Todes mit ihr verheiratet war. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch aus der im Antragsformular vorgenommenen Verknüpfung zwischen dem Begriff "Todesfall" und dem Begriff "der Ehegatte" einen solchen Schluss nicht gezogen. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich die frühere Ehefrau des Klägers bei Vertragsschluss Gedanken über den Fortbestand der Ehe machte oder gar den Fall einer Scheidung in Betracht zog. Auch aus dem Umstand, dass die bezugsberechtigte Person nicht konkret benannt worden ist, folgt nichts anderes. Der Verzicht auf die volle Namensnennung rechtfertigt keine differenzierende Betrachtungsweise (Senatsbeschluss vom 17.9.1975a.a.O.). Noch weniger ist ersichtlich, wie der Empfänger der Erklärung, der Versicherer, von seinem Horizont her davon hätte ausgehen sollen, dass die verstorbene Ehefrau mit ihrem "Ehegatten" eine andere Person gemeint haben könnte, als diejenige, mit der sie zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung verheiratet war.

[13] b) Die von der verstorbenen Ehefrau des Klägers im Versicherungsantrag vorgenommene Einsetzung ihres ersten Ehegatten als Bezugsberechtigten ist auch nicht nachträglich infolge der Scheidung dieser Ehe im Jahr 1985 wieder entfallen.

[14] Der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Benennung des Ehegatten des Versicherungsnehmers als Bezugsberechtigten einer Versicherungsleistung ohne Hinzutreten besonderer Anhaltspunkte nicht auflösend bedingt ist durch eine Scheidung der Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles (BGH v. 29.1.1981 - IVa ZR 80/80, BGHZ 79, 295, 298 = MDR 1981, 476; Senatsbeschluss v. 17.9.1975 - IV ZA 81/75, VersR 1975, 1020; Senat, Urt. v. 1.4.1987 - IVa ZR 26/86, MDR 1987, 914 = VersR 1987, 659 unter 1). Denn bei der Verwendung des Begriffs "Ehegatte" bzw. "Ehefrau" ist - ohne Rücksicht auf einen den bezugsberechtigten Ehegatten näher kennzeichnenden Namenszusatz (anders OLG Frankfurt v. 21.11.1996 - 15 U 23/96, VersR 1997, 1216) - nach der Lebenserfahrung regelmäßig nicht anzunehmen, dass das Bezugsrecht nur für den Fall eingeräumt sein soll, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch besteht (vgl. auch OLG Hamm v. 24.9.1980 - 20 U 120/80, VersR 1981, 228; OLG Köln v. 14.6.1993 - 5 U 13/93, VersR 1993, 1133; OLG Karlsruhe v. 20.3.1997 - 12 U 299/96, OLGReport Karlsruhe 1997, 75 = VersR 1998, 219; ebenso Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl., § 167 Rz. 4 m.w.N.; Römer, a.a.O. § 167 Rz. 3; a.A. noch Robrecht, DB 1967, 453 ff.). Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht jeden konkreten Anhaltspunkt dafür verneint hat, dass die verstorbene Versicherungsnehmerin eine solche auflösend bedingte Einsetzung ihres ersten Ehegatten als - widerruflich - Bezugsberechtigten gewollt hat, würde die Rechtsstellung des Klägers durch den Eintritt der Bedingung infolge Scheidung der ersten Ehe nicht zu der eines Bezugsberechtigten. Bei Eintritt der Bedingung würde das Recht auf die Versicherungsleistung gem. § 168 VVG in das Vermögen des Versicherungsnehmers gehören, hier also in das der Ehefrau des Klägers (vgl. dazu Senat, Urt. v. 4.12.1980 - IVa ZR 59/80, VersR 1981, 371 a.E.; Kollhosser, a.a.O. § 168 Rz. 1; anders OLG Frankfurt a.a.O.).

[15] c) Auch eine entsprechende Anwendung von § 2077 Abs. 3 BGB, wonach eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, im Falle der Auflösung der Ehe vor dem Tode des Erblassers dann nicht unwirksam ist, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde, auf die vorliegende Fallgestaltung kommt nicht in Betracht. Denn die für die Auslegung einer letztwilligen Verfügung gebotene Prüfung des hypothetischen Erblasserwillens nach § 2077 Abs. 3 BGB widerspricht der Rechtsnatur der Bezugsrechtsbenennung als einseitiger, empfangsbedürftiger Willenserklärung (Senatsbeschluss vom 17.9.1975a.a.O.; Senatsurteil vom 1.4.1987a.a.O.; vgl. auch Kollhosser a.a.O.; BK-Schwintowski, VVG § 166 Rz. 21; Palandt/Edenhofer, BGB 66. Aufl. 2007 § 2077 Rz. 2 a.E.; ders.a.a.O. § 1922 Rz. 39; a.A. Winter a.a.O. Anm. H 71; Liebl-Wachsmuth, VersR 1983, 1004). Bei einer Erklärung im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung ist im Interesse des Vertragspartners, hier des Versicherers, weitgehend auf deren Wortlaut und darauf abzustellen, wie die Erklärung aus dessen Sicht zu verstehen ist (Senatsurteil vom 1.4.1987a.a.O.). Außerdem soll der Versicherer im Interesse einer schnellen und reibungslosen Abwicklung des Versicherungsfalls nicht - mitunter schwierige - Auslegungsfragen entscheiden müssen, die sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 2077 BGB ergeben können (Senatsurteil vom 1.4.1987a.a.O.).

[16] 2. Damit blieb der frühere Ehegatte der verstorbenen Ehefrau des Klägers, der Streitverkündete, auch nach deren Tod aus der bei der Beklagten genommenen Rentenversicherung bezugsberechtigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1742169

DStR 2007, 406

NWB 2007, 1758

BGHR 2007, 704

EBE/BGH 2007, 158

NJW-RR 2007, 976

JurBüro 2007, 331

ZAP 2007, 587

ZEV 2007, 174

ZEV 2007, 387

DNotZ 2007, 762

MDR 2007, 952

VersR 2007, 784

VuR 2007, 278

ZfS 2007, 463

ErbR 2007, 164

FamRB 2007, 127

FamRB 2007, 272

RdW 2007, 368

VP 2007, 109

ZErb 2007, 304

ZFE 2007, 312

ZFE 2007, 402

ZNotP 2007, 263

r+s 2007, 332

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