Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösende Bedingung der Benennung der Ehefrau eines Versicherten als Bezugsberechtigter durch eine Scheidung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 2077 BGB ist im Bereich der Lebensversicherung nicht entsprechend anzuwenden. Jedoch bedarf der bezugsberechtigte Ehegatte im Verhältnis zu dem Versicherten eines Rechtsgrundes, um die Versicherungssumme behalten zu dürfen. Mit dem Scheitern der Ehe fällt die Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis regelmäßig weg (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung).

 

Normenkette

BGB § 2077; VVG § 166; BGB § 330 S. 1, § 1378 Abs. 3 S. 2

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 9. Dezember 1985 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der am 25. Dezember 1983 verstorbene Ehemann der Klägerin war in früherer Ehe mit der Beklagten verheiratet; diese Ehe wurde im Jahre 1980 geschieden. Der Verstorbene ist von der Klägerin und drei Abkömmlingen beerbt worden.

Der Erblasser war als Kraftfahrer in Berlin beschäftigt. Aufgrund eines Versorgungstarifvertrages hatte der Arbeitgeber im Rahmen von zwei Gruppenversicherungen das Leben des Verstorbenen mit dessen Einverständnis versichert. Als Bezugsberechtigte war in beiden Versicherungsverträgen die Beklagte als die damalige Ehefrau des Versicherten namentlich (mit dem Zusatz "Ehefrau" bzw. "Wife") benannt. Die Versicherer zahlten die vereinbarten Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 59.144,92 DM an die Beklagte aus.

Die Klägerin verlangt Herausgabe der Versicherungsleistungen an die ungeteilte Erbengemeinschaft nach ihrem verstorbenen Ehemann. Diese Leistungen stünden der Beklagten schon deshalb nicht zu, weil sie der Hinterbliebenenversorgung dienen sollten. Außerdem habe sie die Bezugsberechtigung der Beklagten widerrufen lassen. Die Beklagte beruft sich darauf, daß der Verstorbene und sie im Zusammenhang mit der Scheidung vereinbart hätten, hinsichtlich der genannten Lebensversicherungen solle es bei ihrer Bezugsberechtigung bleiben; dadurch habe ein Ausgleich dafür geschaffen werden sollen, daß dem Versicherten andere Leistungen zugeflossen seien.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet, weil die Beklagte die Versicherungsleistungen zu Recht empfangen habe. Der Arbeitgeber habe die Beklagte als die damalige Ehefrau des Versicherten auf dessen Vorschlag als Begünstigte benannt. An dieser Bezugsberechtigung habe sich bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nichts geändert. Auch nach § 13 des maßgebenden Versorgungstarifvertrages seien die Leistungen in erster Linie an diejenige Person zu zahlen, die der versicherte Arbeitnehmer begünstigt habe. Daran habe der von der Klägerin erklärte Widerruf nichts ändern können.

Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.

1.

Ohne Rechtsverstoß ist das Berufungsgericht allerdings zu der Auffassung gelangt, daß die Beklagte in den Versicherungsverträgen wirksam als Bezugsberechtigte bezeichnet worden ist und daß sie deshalb das Recht auf die Versicherungsleistungen mit dem Tode des Versicherten unmittelbar gegen die Versicherer erworben hat (§ 330 Satz 1 BGB).

Die Bezugsberechtigung der Beklagten war insbesondere durch die Scheidung ihrer Ehe mit dem Versicherten nicht außer Kraft getreten. Die Benennung der Ehefrau des Versicherten als der Bezugsberechtigten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - auch ohne Angabe des Namens - nicht ohne weiteres auflösend bedingt durch die Scheidung der Ehe (BGHZ 79, 295, 298; Beschluß vom 17.9.1975 - IV ZA 8/75 = JR 1976, 463, 464 mit Anm. von Gitter = FamRZ 1975, 689 - VersR 1975, 1020; a.M. z.B. OG DDR 13, 128, 131; vgl. auch RGZ 170, 72, 78 und RG Bolze IV Nr. 782). Hiervon abzugehen, hat der Senat keinen Anlaß.

Aber auch § 2077 BGB ist entgegen verbreiteter Meinung nicht entsprechend anzuwenden. Das hat der Bundesgerichtshof durch den genannten Beschluß vom 17. September 1975 entschieden. Diese Auffassung wird zwar nach wie vor mit beachtlichen Gründen kritisiert (z.B. Liebl-Wachsmuth VersR 1983, 1004). An ihr muß dennoch aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch deshalb festgehalten werden, weil die für die letztwillige Verfügung gebotene Prüfung des einseitigen hypothetischen Erblasserwillens gemäß § 2077 Abs. 3 BGB bei der Auslegung einer Bezugsrechtsbenennung bedenklich wäre; vielmehr muß bei einem Vertrag im Interesse des Vertragspartners (§ 157 BGB) - hier des Versicherers - weitgehend auf den Wortlaut und darauf abgestellt werden, wie die Erklärung aus seiner Sicht zu verstehen ist (vgl. z.B. Schulz Betr 1967, 1307). Würden die Versicherer in die Auslegungsfragen hineingezogen werden, die sich bei einer entsprechenden Anwendung des § 2077 BGB stellen würden, dann stünde das einer schnellen und reibungslosen Abwicklung der in ihrer Mehrzahl unproblematischen Fälle im Wege.

Die Bezugsrechtsbenennung durch den Versicherungsnehmer ist freilich - wie jede Willenserklärung - der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zugänglich. Ist die Ehefrau des Versicherten, wie im vorliegenden Fall, als Bezugsberechtigte namentlich benannt und sei es auch unter ausdrücklicher Hinzufügung des Zusatzes "Ehefrau", dann ist die Benennung jedoch im Zweifel, wenn nämlich keine weiteren Umstände hinzutreten, aus der Sicht des Versicherers dahin zu verstehen, daß die Bezugsberechtigung auch bei einer etwaigen Scheidung der Ehe nicht automatisch unwirksam wird.

2.

Mit diesen Erwägungen ist die rechtliche Problematik des Falles aber noch nicht ausgeschöpft. Das von den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung des § 2077 BGB verfolgte Anliegen ist nämlich auf andere Weise zu berücksichtigen.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß dem Erblasser als Mittel für die gewillkürte Weitergabe von Vermögensstücken neben den Verfügungen von Todes wegen auch rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten außerhalb des Erbrechts offenstehen. Dazu gehört auch der echte Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328, 331 BGB). Mit seiner Hilfe kann sich der Erblasser eine Leistung an den von ihm begünstigten Dritten derart versprechen lassen (Deckungsverhältnis), daß dieser nach dem Tode des Erblassers unmittelbar einen Anspruch gegen den Versprechenden auf die Leistung erlangt (vgl. zuletzt Urteil von 19.10.1983 - IVa ZR 71/82 - NJW 1984, 480). Der solchermaßen Begünstigte darf den erworbenen Anspruch gegen den Versprechenden, den Gegenstand der Zuwendung, (oder die zu dessen Erfüllung bewirkte Leistung) freilich nur behalten, wenn in seinem Verhältnis zum Erblasser (Valuta-Verhältnis) ein rechtlicher Grund für die Vermögensverschiebung besteht; anderenfalls hat er das Erlangte den Erben als ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB; ständige Rechtsprechung; z.B. BGHZ 66, 8, 13; zuletzt NJW 1984, 480, 481). Das ist spätestens seit RGZ 128, 187, 189 als geklärt anzusehen (und war vorher vielfach nicht erkannt worden, vgl. auch die Entscheidung JR 1976, 463). Für die Lebensversicherung gilt hier nichts anderes.

Allerdings handelt es sich insofern um einen Sonderfall, als nicht der Versicherte selbst, sondern dessen Arbeitgeber der Versicherungsnehmer war. Dieser Umstand macht für die hier behandelte Frage aber keinen Unterschied. Zwar konnte der versicherte Arbeitnehmer als außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehender Dritter den Bezugsberechtigten nicht unmittelbar selbst bestimmen. Der im (Außen-)Verhältnis zu den Versicherern hierfür allein zuständige Arbeitgeber war aber sowohl nach dem zugrundeliegenden Versorgungstarifvertrag als auch versicherungsrechtlich (§ 159 VVG; BGHZ 32, 44, 49, 50) an die Wünsche des versicherten Arbeitnehmers gebunden. Daher hatte der Versicherte trotz seiner größeren Entfernung von den Versicherern ausreichenden Einfluß auf die Bestimmung des Begünstigten, um die Begünstigung als seine (mittelbare) Zuwendung an diesen anzusehen. Auch im Verhältnis zwischen dem Versicherten und der begünstigten Beklagten (Valuta-Verhältnis zweiter Stufe) bedarf es daher eines Rechtsgrundes, damit die Beklagte den erlangten Versicherungsanspruch (oder das zu seiner Erfüllung Geleistete) behalten darf (vgl. auch BGHZ 91, 288, 290; BGH Urteil vom 14.7.1976 - IV ZR 123/75 = WM 1976, 1130; Urteil vom 25.4.1975 - IV ZR 63/74 = NJW 1975, 1360). Das hat das Berufungsgericht nicht gesehen.

3.

Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob der ursprüngliche Rechtsgrund für die (mittelbare) Zuwendung der widerruflichen Bezugsberechtigung durch den Versicherten an die Beklagte als (zu Lebzeiten des Erblassers noch formnichtige) Schenkung, als Pflichtschenkung (vgl. BGH Urteil vom 11.11.1981 - IVa ZR 235/80 = WM 1982, 100), als Unterhalt (BGHZ 74, 38, 46) oder als sogenannte "unbenannte Zuwendung" (vgl. z.B. BGHZ 84, 361, 364) einzuordnen ist. Unabhängig von dem Ergebnis einer derartigen Prüfung ist in Fällen der vorliegenden Art stets zu berücksichtigen, daß im Scheitern der Ehe ein Wegfall der Geschäftsgrundlage des Kausalgeschäfts liegen kann und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 84, 361, 368) regelmäßig liegt. Dementsprechend stützt die Beklagte das von ihr in Anspruch genommene Recht, die Versicherungsleistungen behalten zu dürfen, nicht auf einen Rechtsgrund, der ihrer Begünstigung ursprünglich zugrunde gelegen habe. Zu ihrer Rechtfertigung beruft sie sich - unter Beweisantritt - vielmehr lediglich darauf, im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung bei der Scheidung sei vereinbart worden, zum Ausgleich gewisser anderer Vorteile des Verstorbenen solle es bei ihrer Bezugsberechtigung bleiben.

Dieser Behauptung wird das Berufungsgericht bei der erneuten Verhandlung nachzugehen haben. Dabei wird auch darauf zu achten sein, ob es sich um eine Vereinbarung über den Ausgleich des Zugewinns im Sinne von § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB handelt, die mangels Einhaltung der vorgeschriebenen Form nichtig ist (vgl. z.B. BGHZ 86, 143). Aber auch dann, wenn die von der Beklagten behauptete Vereinbarung nichtig sein sollte, könnte diese im Rahmen der Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage insbesondere unter dem Gesichtspunkt Bedeutung erlangen, ob die Aufrechterhaltung des bestehenden Vermögensstandes für den Nachlaß unzumutbar ist.

4.

Für den Fall, daß die Klage sich als dem Grunde nach gerechtfertigt erweisen sollte, gibt der Senat noch folgenden Hinweis:

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung werden im Rahmen der Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB bei einer Lebensversicherung des Erblassers zugunsten eines Dritten nicht die gesamten Leistungen des Versicherers, sondern nur die gezahlten Prämien als Gegenstand der Schenkung behandelt (vgl. BGH Urteil vom 4.2.1976 - IV ZR 156/73 = FamRZ 1976, 616 f. mit ablehnender Anmerkung von Harder; BGHZ 7, 134, 142, 143; RGZ 128, 187, 190). Diese Rechtsprechung kann indessen auf Fälle der vorliegenden Art nicht unbesehen übertragen werden. Die Begrenzung auf die gezahlten Prämien betrifft in erster Linie Fälle, in denen das Pflichtteilsrecht durch eine Schenkung beeinträchtigt wird, ergibt aber hier im Rahmen des Bereicherungsausgleichs beim Fehlen jedes Rechtsgrundes keinen Sinn (vgl. auch BGHZ 91, 288, 292).

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dr. Lang

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1391518

NJW 1987, 3131

DNotZ 1987, 771

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