Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmung des früheren Steuerberaters nach Mandatsende zur Übertragung von bei der Datev gespeicherten Daten auf neuen Steuerberater

 

Leitsatz (amtlich)

Ob der Auftraggeber nach dem Ende des Mandats vom Steuerberater verlangen kann, dass dieser der Übertragung der von ihm bei der DATEV gespeicherten Daten auf einen anderen Steuerberater zustimmt, hängt davon ab, ob die Daten das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis enthalten oder ob es sich um dieses vorbereitende Arbeitsleistungen handelt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 17.2.1988 - IVa ZR 262/86, MDR 1988, 652 = ZIP 1988, 442 f.; Urt. v. 25.10.1988 - XI ZR 3/88, MDR 1989, 256 = NJW 1989, 1216 f.).

 

Normenkette

StBerG § 66; BGB §§ 667, 675 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 08.07.2003; Aktenzeichen 3 S 23/03)

AG Bremervörde (Urteil vom 29.01.2003; Aktenzeichen 5 C 415/02)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Stade v. 8.7.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens werden nicht erhoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH (fortan: Schuldnerin). Er verlangt von der Beklagten, der früheren Steuerberaterin der Schuldnerin, gegenüber der DATEV zu erklären, dass sämtliche, die Schuldnerin betreffenden DATEV-Konten und DATEV-Auswertungen auf einen anderen, von ihm benannten Steuerberater übertragen werden. Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom LG zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das AG habe "mit zutreffender Begründung dem Kläger den Anspruch auf einen Zugriff der von der Beklagten bei der DATEV gespeicherten Dateien des Insolvenzschuldners zugesprochen." Die Datenübermittlung an die DATEV sei auch im Interesse der Schuldnerin erfolgt. Damit sei die Speicherung dieser Daten aus der Geschäftsbesorgung entstanden. Der Einwand der Beklagten, der Vorgang diene lediglich der doppelten Absicherung des Steuerberaters, überzeuge nicht.

II.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, weil ihm die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage fehlt. Der Senat kann nicht überprüfen, ob das Berufungsgericht mit Recht einen Anspruch des Klägers nach § 675 Abs. 1, § 667 BGB bejaht hat. Er vermag dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen, ob der Kläger sich auf dem Umweg über die bei der DATEV gespeicherten Daten der Schuldnerin den Zugriff auf das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis verschaffen will oder ob dort lediglich Arbeitsleistungen der Beklagten auf dem Weg zu einem solchen Arbeitsergebnis abgespeichert sind. Hierauf aber kommt es entscheidend an:

1. Gemäß § 675 Abs. 1, § 667 BGB hat der Steuerberater seinem Mandanten alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Denn er wird auf Grund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1988 - IVa ZR 262/86, MDR 1988, 652 = ZIP 1988, 442 f.; Urt. v. 25.10.1988 - XI ZR 3/88, MDR 1989, 256 = NJW 1989, 1216 f.). Rechtlich bestehen keine Bedenken dagegen, die Zustimmung zur Datenübertragung als Inhalt der Verpflichtung zur Herausgabe der vom Steuerberater bei einem Dritten abgespeicherten Daten anzusehen (vgl. KG RDV 1996, 252; OLG Köln v. 28.4.1997 - 12 W 19/97, OLGReport Köln 1998, 260 = NJW-RR 1998, 273, Geisendorfer, DSWR 1993, 253 m. w. N.). Zur Ausführung des Auftrags erhalten ist alles, was dem Beauftragten zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden ist (Bamberger/Roth/Czub, BGB, § 667 Rz. 7; Soergel/Beuthien, BGB, 12. Aufl., § 667 Rz. 4; Jauernig/Mansel, BGB, 10. Aufl,. § 667 Rz. 3). Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist jeder Vorteil, den der Beauftragte auf Grund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erhalten hat (BGH, Urt. v. 17.10.1991 - III ZR 352/89, MDR 1992, 556 = NJW-RR 1992, 560; Seiler in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 667 Rz. 9; Staudinger/Wittmann, BGB, 13. Bearb., § 667 Rz. 1). Nach dieser Alt. sind auch die vom Beauftragten über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten, sonstigen Unterlagen und Dateien - mit Ausnahme von privaten Aufzeichnungen - herauszugeben (RGZ 105, 392 [395]; BGH v. 30.11.1989 - III ZR 112/88 = BGHZ 109, 260 [264 f.] = MDR 1990, 315; KG NJW 1971, 566 [567]; v. 12.9.1988 - 24 W 2242/88, NJW 1989, 532 f.; OLG Hamm v. 29.10.1987 - 15 W 361/85, NJW-RR 1988, 268 [269]).

Anders verhält es sich jedoch mit dem (vertraglichen) Arbeitsergebnis der Beklagten, das die Schuldnerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten benötigte und das die Beklagte ihr aus dem Steuerberatervertrag schuldete (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1988 - IVa ZR 262/86, MDR 1988, 652 = ZIP 1988, 442; Urt. v. 25.10.1988 - XI ZR 3/88, MDR 1989, 256 = NJW 1989, 1216 [1217]). Denn das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis steht im Austauschverhältnis des gegenseitigen Vertrages; es ist nicht i. S. d. §§ 675 Abs. 1, 667 2. Alt. BGB erlangt, sondern Gegenstand des vertraglichen Erfüllungsanspruchs (vgl. Seiler MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 667 Rz. 2; Bamberger/Roth/Czub, BGB, § 667 Rz. 8; Gehre, StBerG, 4. Aufl., § 66 Rz. 15). Bei den der DATEV übermittelten Datenbeständen kann es sich um körperlich erfassbare Arbeitsergebnisse handeln (KG v. 12.9.1988 - 24 W 2242/88, NJW 1989, 532 f.; ebenso Gehre, StBerG, 4. Aufl., § 66 Rz. 15; und Geisendorfer, DSWR 1993, 253; Späth, Stbg 1997, 557 [558]; und die Anm. der Schriftleitung zu OLG Celle GI 1989, 39 [41]). Für die rechtliche Beurteilung ist es ohne Belang, ob die Beklagte die Schuldnerin allgemein steuerlich beraten hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1988 - XI ZR 3/88, MDR 1989, 256 = NJW 1989, 1216 [1217]).

2. Nach dem im Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils wiedergegebenen unstreitigen Parteivortrag führte die Beklagte für die Schuldnerin die gesamte Buchführung und die Jahresabschlussarbeiten durch. Wenn daher die bei der DATEV abgespeicherten Daten unmittelbar Bestandteil der Buchführung oder der "Jahresabschlussarbeiten" sind, hat der Kläger keinen Anspruch aus § 675 Abs. 1, § 667 BGB auf deren Herausgabe. Das gilt auch dann, wenn es sich um zur Sicherung der Daten angelegte Doppel der bei der Beklagten vorhandenen Datenbestände handeln sollte. Denn das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis kann auch der Insolvenzverwalter nicht honorarfrei zur Masse ziehen (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1988 - XI ZR 3/88, MDR 1989, 256 = NJW 1989, 1216 f.; Gehre, StBerG, 4. Aufl., § 66 Rz. 16). Soweit es sich hingegen um von der Beklagten eingegebene Daten handelt, die ihr von der Schuldnerin zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden waren, ist der Anspruch auf Zustimmung zur Datenübertragung aus § 675 Abs. 1, § 667 1. Alt. BGB begründet. Sofern die Beklagte die von der Schuldnerin gelieferten Daten und Unterlagen ausgewertet und für die noch zu leistende eigentliche Buchführung geordnet und rechnerisch aufbereitet hat, handelt es sich noch nicht um das vertraglich geschuldete Arbeitsergebnis selbst. Vielmehr wird dieses durch Systematisierung und Weiterverarbeitung der gelieferten "Rohdaten" erst vorbereitet. Dieser Fall ist mit demjenigen vergleichbar, in dem der Beauftragte über die Geschäftsbesorgung selbst Akten anlegt. Diese sind, wie ausgeführt, gem. § 675 Abs. 1, § 667 2. Alt. BGB herauszugeben.

Anhaltspunkte dafür, dass auch nur ein Teil der Daten dem internen Gebrauch der beklagten Steuerberaterin zu dienen bestimmt ist (vgl. § 66 Abs. 2 S. 2 StBerG und BGH, Urt. v. 17.2.1988 - IVa ZR 262/86, MDR 1988, 652 = ZIP 1988, 442 f.), sind dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen.

3. Da das Berufungsurteil wegen des vorstehend aufgezeigten Rechtsfehlers aufgehoben werden muss, kann letztlich dahinstehen, ob es den Mindestanforderungen, die § 540 ZPO an den Inhalt des Berufungsurteils stellt, noch genügt.

a) Auf das Berufungsverfahren vor dem LG ist die Zivilprozessordnung in der am 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestandes aus (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). Eine solche Verweisung kann sich jedoch naturgemäß nicht auf den in der zweiten Instanz gestellten Berufungsantrag der Beklagten erstrecken. Der Antrag des Berufungsklägers braucht zwar nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden. Das Berufungsurteil muss aber, wenn es auf die wörtliche Wiedergabe des Antrags verzichtet, wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. Daher sind die Berufungsanträge entweder wörtlich oder zumindest sinngemäß in das Berufungsurteil aufzunehmen (BGH, Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, BGHZ 154, 99 = MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629; Urt. v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, BGHReport 2003, 1128 = MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290 [1291]; Urt. v. 13.8.2003 - XII ZR 303/02, BGHReport 2003, 1298 = MDR 2004, 44 = NJW 2003, 3352 [3353]; Urt. v. 30.9.2003 - VI ZR 438/02, BGHReport 2004, 272 = MDR 2004, 289 = NJW 2004, 293 [294]). Es kann dahinstehen, ob die Angabe, das AG habe "dem Kläger den Anspruch ... zugesprochen" i. V. m. der Mitteilung, dass die Beklagte Berufung eingelegt habe, dem genügt.

b) Auch enthält das Berufungsurteil entgegen § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil noch eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen. Denn es nimmt lediglich auf die Begründung Bezug, mit der das AG einen Anspruch des Klägers bejaht hat. Die tatbestandlichen Darstellungen in den Gründen des Berufungsurteils müssen aber ausreichen, um eine revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Das ist nicht der Fall, wenn entsprechende Darstellungen in einem Berufungsurteil fehlen oder derart widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sind, dass sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht mehr zweifelsfrei erkennen lassen (BGH, Urt. v. 13.8.2003 - XII ZR 303/02, BGHReport 2003, 1298 = MDR 2004, 44 = NJW 2003, 3352 [3353]; Urt. v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, BGHReport 2003, 1128 = MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290 [1291]).

III.

In der neuen Berufungsverhandlung wird das LG auch Gelegenheit haben, sich mit den Argumenten der Revisionsbegründung und der Revisionserwiderung auseinander zu setzen.

Für die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens hat der Senat von der Möglichkeit des § 8 Abs. 1 S. 1 GKG Gebrauch gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1159239

BFH/NV Beilage 2004, 389

DB 2004, 1665

DStR 2004, 1397

DStZ 2004, 620

HFR 2004, 1255

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