Leitsatz (amtlich)

Eine Vollstreckungsabwehrklage, mit der ausschließlich die Vollstreckung wegen eines Anspruchs aus § 780 BGB bekämpft wird, kann nur vom Vollstreckungsschuldner selbst erhoben werden. Eine gewillkürte Prozessstandschaft findet nicht statt. Das gilt auch im Falle der Abtretung des Anspruchs, der Grundlage der mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemachten Einwendung sein soll, an den gewillkürten Prozessstandschafter (Bestätigung von Senat, Urt. v. 5.6.2012 - XI ZR 173/11, juris Rz. 18).

Besteht zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert des Kaufgegenstands kein besonders grobes, sondern lediglich ein auffälliges Missverhältnis, führt der Umstand, dass der Käufer den Kaufpreis voll finanziert, für sich genommen auch dann nicht zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages, wenn die finanzierende Bank im eigenen und im Interesse der Sicherheit des Bankensystems nach entsprechender Ankündigung gegenüber dem Käufer den Wert des Kaufgegenstands ermittelt (Fortführung von BGH, Urt. v. 2.7.2004 - V ZR 213/03, BGHZ 160, 8 [16 f.]).

 

Normenkette

ZPO § 767; BGB §§ 138, 780

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 28.06.2012; Aktenzeichen 9 U 1758/11)

LG Zwickau (Urteil vom 13.10.2011; Aktenzeichen 5 O 295/09)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Dresden vom 28.6.2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. auswärtigen Zivilkammer in Plauen des LG Zwickau vom 13.10.2011 wird, soweit das Rechtsmittel darauf gerichtet ist, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars K. S., Li., UR-Nr. 8..., vom 24.11.2005 gegenüber Sa. L., für unzulässig zu erklären, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger wendet sich aus eigenem Recht gegen die dingliche und persönliche sowie zugunsten seiner Ehefrau gegen die persönliche Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.

Rz. 2

Der Kläger erwarb im Herbst 2005 aufgrund eines Angebots vom 26.10.2005 Wohnungseigentum in P. zu einem Kaufpreis von 190.000 EUR, das der Verkäufer nach Angabe des Klägers eine Woche vor Erklärung der Annahme vom 22.11.2005 für 95.000 EUR angeschafft hatte. In einem Schreiben vom 16.11.2005 wies die Beklagte als in Aussicht genommenes Finanzierungsinstitut den Kläger und seine Ehefrau darauf hin, ein von ihr unterbreitetes "Finanzierungsangebot" stehe "unter dem Vorbehalt eines positiven Besichtigungsergebnisses, welches ein wesentlicher Bestandteil der Beleihungsprüfung" sei. Die Beklagte bewertete den "Sachwert" des Wohnungseigentums mit 187.200 EUR.

Rz. 3

Der Kläger und seine Ehefrau schlossen unter dem 22.11.2005 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 190.000 EUR. In einer notariellen Urkunde des Notars K. S. mit Amtssitz in Li. zu UR-Nr. 8... vom 24.11.2005 bestellte der damalige Eigentümer an dem Wohnungseigentum eine Grundschuld über 190.000 EUR zugunsten der Beklagten, wobei er sich als gegenwärtiger und der Kläger sich als künftiger Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in das Pfandobjekt unterwarfen. Außerdem übernahm der Kläger die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der vereinbarten Grundschuld und unterwarf er sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Mit notariell beurkundetem "Nachtrag" vom 29.11.2005 zu UR-Nr. 3... des Notars Dr. Fl. in F. wurde die "Übernahme der persönlichen Haftung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung" von der Ehefrau des Klägers dahin "abgeändert", dass auch sie die "persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der vereinbarten Grundschuld" übernahm und sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in ihr gesamtes Vermögen unterwarf. Der Darlehensvertrag wurde ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr bedient. Die Beklagte betreibt wegen eines Teilbetrages die Zwangsvollstreckung.

Rz. 4

Das LG hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert des Wohnungseigentums abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Zwangsvollstreckung aus der näher bezeichneten "vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars K. S., Li." sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber seiner Ehefrau für unzulässig erklärt. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit, als sie die Vollstreckungsabwehrklage zugunsten der Ehefrau des Klägers betrifft, zur Zurückweisung der Berufung des Klägers mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist. Im Übrigen ist die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner u.a. in MDR 2013, 47 f. veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Soweit der Kläger mit der Vollstreckungsabwehrklage die Zwangsvollstreckung zu Lasten seiner Ehefrau bekämpfe, bestünden gegen seine Prozessführungsbefugnis keine Bedenken. Der Kläger gehe insoweit zulässig im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft gegen die Beklagte vor.

Rz. 8

Der Kläger könne zwar nicht die Art und Weise der Zwangsvollstreckung in Frage stellen und sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die formularmäßige Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung beinhalte eine unangemessene Benachteiligung und entfalte daher keine Wirkung. Die Vollstreckungsabwehrklage sei aber begründet, soweit der Kläger der Beklagten entgegenhalte, sie hafte ihm und seiner Ehefrau aus schuldhafter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs. Selbst wenn zuungunsten des Klägers und seiner Ehefrau unterstellt werde, dass der Wert des Wohnungseigentums 106.000 EUR betragen und der Kaufpreis von 190.000 EUR diesen Wert lediglich um knapp 80 % übertroffen habe, sei im Verhältnis zur Beklagten von einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises auszugehen. Die Beklagte habe die vollständige Finanzierung übernommen und dem Kläger und seiner Ehefrau vor Abschluss des Darlehensvertrages den Vorbehalt eines "positiven Besichtigungsergebnisses" mitgeteilt. Dies und der Umstand, dass die mit der Bewilligung des Darlehens befassten Mitarbeiter ihre Augen vor dem tatsächlichen Wert verschlossen hätten, führe zur Haftung der Beklagten.

II.

Rz. 9

Dies hält rechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

Rz. 10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Vollstreckungsabwehrklage in direkter Anwendung des § 767 Abs. 1 ZPO. Eine prozessuale Gestaltungsklage des Klägers analog § 767 Abs. 1 ZPO des Inhalts, die formularmäßige Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung benachteilige den Schuldner unangemessen, die ihrerseits mit der Vollstreckungsabwehrklage wegen mehrerer in dem vollstreckbaren Titel festgestellter Ansprüche (BGH, Beschl. v. 11.2.1976 - IV ZB 64/75, VersR 1976, 664 [665]) im Wege der objektiven Klagenhäufung verbunden werden konnte (BGH, Urt. v. 30.3.2010 - XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rz. 15 m.w.N.), ist im Revisionsverfahren nicht anhängig. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des LG insoweit wenn auch nicht im Tenor, so doch hinreichend deutlich in den Gründen zurückgewiesen. Ob die Klage ursprünglich hinreichend bestimmt war oder der Kläger eine Rangfolge zwischen der Vollstreckungsabwehrklage in direkter und in analoger Anwendung des § 767 ZPO hätte angeben müssen, kann in dritter Instanz dahinstehen. Ein etwaiger Verfahrensfehler ist jedenfalls prozessual überholt (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2013 - XI ZR 42/12, WM 2013, 2216 Rz. 29).

Rz. 11

2. Soweit die Entscheidung des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz angefallen ist, weist sie Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten auf.

Rz. 12

a) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass, was das Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten hat (BGH, Urt. v. 25.7.2012 - XII ZR 22/11, WM 2013, 1089 Rz. 16), die Vollstreckungsabwehrklage insoweit, als der Kläger die Einstellung der Zwangsvollstreckung zugunsten seiner Ehefrau erstrebt, mangels Prozessführungsbefugnis des Klägers unzulässig ist. Eine Vollstreckungsabwehrklage, mit der wie hier ausschließlich die Vollstreckung wegen eines Anspruchs aus § 780 BGB bekämpft wird, kann nur vom Vollstreckungsschuldner selbst erhoben werden (vgl. Senat, Urt. v. 5.6.2012 - XI ZR 173/11, juris Rz. 18 m.w.N.). Eine gewillkürte Prozessstandschaft findet nicht statt (anders bei gesetzlicher Prozessstandschaft; vgl. BGH, Urt. v. 5.4.2006 - IV ZR 139/05, BGHZ 167, 150 Rz. 7 ff.). Sie wird auch durch die Abtretung des Anspruchs, der Grundlage der mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemachten Einwendung sein soll, nicht statthaft, weil Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO die gänzliche oder teilweise, endgültige oder zeitweilige Vernichtung der Vollstreckbarkeit, nicht dagegen die Aufhebung des Titels oder die Feststellung ist, dass der Anspruch nicht oder nicht mehr besteht (BGH, Urt. v. 20.9.1995 - XII ZR 220/94, WM 1995, 2120 [2121]; Beschl. v. 2.7.2009 - V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431 Rz. 15).

Rz. 13

b) Soweit das Berufungsgericht der den Kläger selbst betreffenden Vollstreckungsabwehrklage stattgegeben hat, hat es bei der Prüfung einer dem Kläger aus § 242 BGB zustehenden Einrede (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rz. 61; v. 23.10.2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154 Rz. 26; v. 5.6.2012 - XI ZR 173/11, juris Rz. 21) die Anforderungen an eine vorvertragliche Aufklärung durch die Beklagte überspannt.

Rz. 14

aa) Im Ausgangspunkt ist das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen über die Risiken des finanzierten Geschäfts nur unter ganz besonderen Voraussetzungen aufklären muss, weil sie regelmäßig davon ausgehen darf, dass ihre Kunden entweder selbst über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben, und sich nur ausnahmsweise Aufklärungs- und Hinweispflichten aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben können, wenn etwa die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (st.Rspr., BGH, Urt. v. 16.5.2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rz. 41; v. 29.6.2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rz. 16; v. 23.4.2013 - XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 Rz. 19 m.w.N.).

Rz. 15

bb) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen indessen seine Annahme nicht, die Beklagte habe über einen konkreten Wissensvorsprung hinsichtlich einer sittenwidrigen Übervorteilung des Klägers durch den Verkäufer verfügt.

Rz. 16

(1) Das Berufungsgericht hat wiederum im Ansatz zutreffend erkannt, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH von einem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, das den Schluss auf das - für das Unwerturteil des § 138 Abs. 1 BGB unerlässliche - subjektive Unrechtsmerkmal der verwerflichen Gesinnung des Verkäufers zulässt, erst ausgegangen werden kann, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urt. v. 18.12.2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rz. 35; BGH, Urt. v. 19.1.2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298 [303 ff.]; Urt. v. 21.3.1997 - V ZR 355/95, WM 1997, 1155 [1156]). Es hat weiter richtig gesehen, dass dann, wenn kein besonders grobes, sondern nur ein auffälliges Missverhältnis besteht, die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, wenn weitere Umstände hinzutreten, die in Verbindung mit dem auffälligen Missverhältnis den Vorwurf der sittenwidrigen Übervorteilung begründen (BGH, Urt. v. 2.7.2004 - V ZR 213/03, BGHZ 160, 8 [16 f.]; Urt. v. 4.6.2013 - II ZR 207/10, WM 2013, 1556 Rz. 25). Diese zweite Konstellation hat das Berufungsgericht, das ein auffälliges, aber kein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung festgestellt hat, zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht. Der Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe einem - im Revisionsverfahren zu unterstellenden - Verkehrswert von 106.000 EUR nicht einen Verkaufspreis von 190.000 EUR, sondern wegen einer nachträglichen Erstattung i.H.v. 11.400 EUR lediglich einen Betrag von 178.600 EUR gegenüberstellen dürfen, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil das Berufungsgericht auch auf der Grundlage einer Verkehrswertüberschreitung von nur 68 % zwar nicht von einem besonders groben (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.2003 - XI ZR 422/01, ZIP 2003, 894 [895]), wohl aber von einem auffälligen Missverhältnis ausgehen durfte (BGH, Urt. v. 2.7.2004, a.a.O.).

Rz. 17

(2) Die vom Berufungsgericht herangezogenen weiteren Umstände sind indessen nicht geeignet, im Verein mit einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung den Vorwurf der sittenwidrigen Überteuerung zu begründen.

Rz. 18

Dass der Kläger den Kaufpreis voll finanziert, macht den Kaufvertrag nicht sittenwidrig (BGH, Urt. v. 2.7.2004 - V ZR 213/03, BGHZ 160, 8 [17]; Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, Neubearb. 2011, § 138 Rz. 274 a.E.). Das gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte die Finanzierung von einer Wertermittlung des Wohnungseigentums abhängig gemacht hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats prüfen Kreditinstitute den Wert der ihnen gestellten Sicherheiten im eigenen Interesse sowie im Interesse der Sicherheit des Bankensystems, nicht im Interesse des Kunden (BGH, Urt. v. 8.5.2001 - XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 [349]; v. 16.5.2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rz. 45; v. 6.11.2007 - XI ZR 322/03, WM 2008, 115 Rz. 43; BGH v. 15.6.2010 - XI ZR 318/09, WM 2010, 1448 Rz. 9). Daran ändert die Kundgabe des Vorhabens, eine Wertermittlung durchführen zu wollen, nichts (richtig OLG Frankfurt, Urt. v. 10.4.2013 - 4 U 258/12, juris Rz. 65 in einem dasselbe Grundstück betreffenden Parallelfall). Entsprechend kann die Durchführung einer Wertermittlung die Bewertung des finanzierten Geschäfts als sittenwidrig nicht beeinflussen.

Rz. 19

(3) Das Berufungsgericht hat überdies einen konkreten Wissensvorsprung der Beklagten unzutreffend begründet.

Rz. 20

Eine kreditgebende Bank ist unter dem Gesichtspunkt eines konkreten Wissensvorsprungs zur Aufklärung über eine sittenwidrige Überteuerung nur verpflichtet, wenn sie von ihr positive Kenntnis hat. Die sittenwidrige Überteuerung führt auch im Falle eines institutionalisierten Zusammenwirkens nicht zu der widerleglichen Vermutung, die Bank habe von ihr gewusst (BGH v. 15.6.2010 - XI ZR 318/09, WM 2010, 1448 Rz. 11; BGH, Urt. v. 29.4.2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rz. 17 m.w.N.).

Rz. 21

Zwar steht ausnahmsweise die bloße Erkennbarkeit der sittenwidrigen Überteuerung der positiven Kenntnis gleich, wenn sie sich, was vom Kunden darzulegen und zu beweisen ist (BGH v. 15.6.2010 - XI ZR 318/09, WM 2010, 1448 Rz. 11), einem zuständigen Bankmitarbeiter nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste (BGH, Urt. v. 29.4.2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rz. 20; Senatsbeschluss vom 15.6.2010, a.a.O., Rz. 10 m.w.N.). Voraussetzung ist indessen, dass die sittenwidrige Überteuerung als solche feststeht. Dass ein Bankmitarbeiter vor Umständen die Augen verschließt, die für sich nicht aufklärungspflichtig sind, kann nicht zugleich die aufklärungspflichtige Tatsache und den konkreten Wissensvorsprung der Bank begründen. Das hat das Berufungsgericht verkannt.

III.

Rz. 22

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

Rz. 23

1. Über das Wertverhältnis hinausgehende nachteilige rechtliche Bedingungen des Kaufvertrages, die zusammen mit einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu § 138 Abs. 1 BGB führen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Darauf, ob der Verkäufer das Wohnungseigentum zuvor zu einem Preis erworben hatte, der noch unter dem vom Berufungsgericht angenommenen Verkehrswert lag, kommt es nicht an, weil für die Bestimmung des Missverhältnisses allein die objektiven Wertverhältnisse den Ausschlag geben (BGH, Urt. v. 30.3.1984 - V ZR 61/83, WM 1984, 874 [875]; Urt. v. 20.4.1990 - V ZR 256/88, NJW-RR 1990, 950; Urt. v. 22.12.1999 - VIII ZR 111/99, WM 2000, 431 [432]; Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, Neubearb. 2011, § 138 Rz. 206).

Rz. 24

2. Ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung, das ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubte, hat das Berufungsgericht nicht ermittelt. Zum einen fehlen sichere Feststellungen zu einem Wert des Wohnungseigentums im Herbst 2005 von nur 97.000 EUR. Zum anderen hat das Berufungsgericht bei seinen Überlegungen, welche Werte zueinander ins Verhältnis zu setzen seien, nicht bedacht, dass, was ihm hätte Anlass geben müssen, einem entsprechenden Einwand der Beklagten nachzugehen, in den Kaufpreis eingerechnete Nebenkosten von der Leistung des Klägers abzuziehen gewesen wären (BGH, Urt. v. 18.4.2000 - XI ZR 193/99, WM 2000, 1245 [1247]; v. 26.2.2008 - XI ZR 74/06, WM 2008, 683 Rz. 38). Nur ein Kaufpreis von 190.000 EUR steht zu einem Verkehrswert von 97.000 EUR in einem besonders groben Missverhältnis. Ein besonders grobes Missverhältnis liegt dagegen nicht in einer Verkehrswertüberschreitung von 84 %, die sich ergibt, wenn 178.600 EUR (190.000 EUR abzgl. 11.400 EUR) zu 97.000 EUR ins Verhältnis zu setzen sind (vgl. BGH, Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370 [1372]; v. 18.3.2003 - XI ZR 188/02, WM 2003, 918 [921]). Bezogen auf ein besonders grobes Missverhältnis mangelt es schließlich - vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet konsequent - an Feststellungen zu einem konkreten Wissensvorsprung der Beklagten.

Rz. 25

3. Auch sonst ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts die Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht nicht.

Rz. 26

a) Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf ein bloß ungünstiges Verhältnis von Verkehrswert und Kaufpreis hinzuweisen, bestand unabhängig davon, ob die Beklagte dazu über Erkenntnisse verfügte, nicht. Schon der Verkäufer muss im Regelfall darauf nicht hinweisen. Erst recht trifft die Bank, die nur die Finanzierung übernimmt, vorvertraglich keine Verpflichtung, den Käufer auf einen für ihn unwirtschaftlichen Kauf hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rz. 47; v. 3.6.2008 - XI ZR 131/07, WM 2008, 1394 Rz. 25; v. 23.4.2013 - XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 Rz. 20; zur Haftung beim Beratungsvertrag BGH, Urt. v. 15.6.2000 - III ZR 305/98, WM 2000, 1548 ff.).

Rz. 27

b) Die Beklagte schuf mittels der Gewährung einer Vollfinanzierung keinen besonderen Gefährdungstatbestand, an den eine vorvertragliche Aufklärungspflicht anzuknüpfen wäre. Eine solche Gefährdung ist zu bejahen, wenn das Kreditinstitut das eigene wirtschaftliche Wagnis auf den Kunden verlagert und diesen bewusst mit einem Risiko belastet, das über die mit dem zu finanzierenden Vorhaben normalerweise verbundenen Gefahren hinausgeht (BGH, Urt. v. 18.11.2003 - XI ZR 322/01, WM 2004, 172 [174]; BGH, Urt. v. 11.2.1999 - IX ZR 352/97, WM 1999, 678 [679]). Eine Vollfinanzierung vergrößert indessen in erster Linie nur das eigene Ausfallrisiko der Bank.

IV.

Rz. 28

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Rz. 29

Soweit der Kläger in gewillkürter Prozessstandschaft für seine Ehefrau vorgeht, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insoweit ist die Berufung des Klägers, was ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot geschehen kann (BGH, Urt. v. 13.1.2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rz. 24 ff., 34; BGH, Urt. v. 5.3.2009 - IX ZR 141/07, WM 2009, 918 Rz. 15; Urt. v. 10.12.1998 - III ZR 2/98, WM 1999, 753, 754, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 140, 208 ff.), mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Vollstreckungsabwehrklage als unzulässig abzuweisen ist.

Rz. 30

Im Übrigen ist die Sache mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sollte das Berufungsgericht eine Einwendung nach § 242 BGB wegen einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises nach nochmaliger Überprüfung anhand der oben dargestellten Maßstäbe verneinen, wird es dem weiteren Vortrag zu einer arglistigen Täuschung des Klägers durch den Vermittler nachzugehen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6355503

BB 2014, 129

EBE/BGH 2014

NJW-RR 2014, 653

EWiR 2014, 235

WM 2014, 124

ZAP 2014, 305

ZIP 2014, 118

ZfIR 2014, 162

JZ 2014, 140

JZ 2014, 143

MDR 2014, 170

NJ 2014, 5

RÜ 2014, 161

ZBB 2014, 82

JM 2014, 196

Kreditwesen 2014, 499

Mitt. 2014, 248

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