Entscheidungsstichwort (Thema)

Pressemitteilung über Lohnsteuerberatung. Pressemitteilung als zulässiger Hinweis auf Steuerberatung des DGB

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Erlaubnis gewisser, wenngleich begrenzter, Formen von Werbung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte durch die neue Bestimmung des § 57 a StBerG i.d. Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I, S. 1387) ist auch für die Auslegung der die Werbung von Körperschaften und Vereinigungen im Sinne des § 4 Nr. 3, 7 und 11 StBerG beschränkenden Vorschriften (§ 8 Abs. 2 StBerG, §§ 1 bis 8 WerbeVOStBerG) nicht ohne Bedeutung.

b) Gibt eine zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugte Berufsvertretung eine Pressemitteilung heraus, die in sachlicher Form und unter Beschränkung auf die nach § 3 WerbeVOStBerG zulässigen Angaben über die Aufnahme der Tätigkeit berichtet, verstößt sie damit – ungeachtet des entgegenstehenden Wortlauts des § 3 WerbeVOStBerG – nicht gegen § 8 Abs. 2 StBerG.

 

Normenkette

StBerG § 8 Abs. 2; WerbeVOStBerG § 3; GG Art. 9 Abs. 1, Art. 12; StBerG § 4 Nrn. 3, 7, 11, § 57a; StBerGWerbeVO §§ 2-8; UWG § 1

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Urteil vom 24.06.1993)

LG Magdeburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 24. Juni 1993 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist eine Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in Steuersachen für seine Mitglieder. Er unterhält in den neuen Bundesländern etwa 1.000 Beratungsstellen. Der Kreisverband Magdeburg des beklagten Deutschen Gewerkschaftsbundes gab unter dem 21. Februar 1992 eine Presseinformation folgenden Inhalts heraus:

„DGB bietet Steuerberatungen für Arbeitnehmer an.

Der DGB Kreis Magdeburg gibt bekannt, daß seit Montag, den 03. Februar 1992 in den Gewerkschaftshäusern M. und D. sowie in der Außenstelle Burg eine Steuerberatung für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerinnen angeboten wird. Die Steuerberatung, einschließlich der Erstellung von Lohn- und Einkommensteuererklärungen, erfolgt durch ein Steuerberatungsbüro aus Westdeutschland. Die Steuerberatung findet statt im Gewerkschaftshaus M., O.-Straße …, Erdgeschoß, jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag von 10.00–17.00 Uhr. In D. findet die Steuerberatung statt im Gewerkschaftshaus, L.platz a. W., ab Dienstag, den 04.02.1992 alle 14 Tage in der Zeit von 10.00–17.00 Uhr.

In der Ö.-Außenstelle B., N. Straße (B. Maschinen- und Anlagenfabrik) findet die Steuerberatung statt ab Donnerstag, den 06.02.1992 alle 14 Tage in der Zeit von 10.00–17.00 Uhr.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Beratung und Bearbeitung kostenpflichtig sind. Weitere Auskünfte und Terminabsprachen unter der Telefonnummer ….”

Der Kläger hat diese Informationen beanstandet, weil der Beklagte gegen die in der Werbeverordnung zum Steuerberatungsgesetz (WerbeVOStBerG) gezogenen Grenzen und damit gegen § 8 StBerG und zugleich gegen § 1 UWG verstoßen habe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. dem Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

    im geschäftlichen Verkehr in Mitteilungen gegenüber der Presse in Erwartung des Abdrucks derselben über die Hilfeleistung in Lohn- und Einkommensteuersachen durch Kreisverbände unter Angabe des Ortes, der Beratungsstelle und ihrer Öffnungszeiten zu informieren;

  2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die zu a) genannten Handlungen bereits entstanden ist und/oder noch entstehen wird;
  3. den Beklagten zu verurteilen, ihm schriftlich in geordneter Form Auskunft zu erteilen über sämtliche zu a) beschriebenen Handlungen unter Angabe des Datums, der Mitteilungen gegenüber der Presse sowie der Namen und Anschriften der Empfänger dieser Pressemitteilungen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat vorgetragen, der Verfasser der Pressenotiz habe mündlich gegenüber allen Medienvertretern betont, daß die Steuerberatung ausschließlich für Mitglieder erteilt werde. Wenn bei der Wiedergabe der Pressemitteilung in einzelnen Zeitungen dies nicht enthalten gewesen sei, habe er das nicht zu vertreten. Die Pressemitteilung habe eine nach der WerbeVOStBerG zulässige sachliche Information zum Inhalt gehabt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte gehöre zu den Vereinigungen, die nach § 8 Abs. 2 StBerG im Rahmen des sachlich Gebotenen auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hinweisen dürften. Der Bezirksverband Magdeburg des Beklagten habe sich zwar nicht, wie es die WerbeVOStBerG zulasse, ausschließlich an seine Mitglieder gewandt (§ 2), oder durch Anzeigen (§ 3), durch Bekanntmachung an Aushangtafeln (§ 4) oder durch Rundschreiben (§ 5) auf seine Tätigkeit aufmerksam gemacht. Deshalb sei das Verhalten des Beklagten aber nicht nach § 1 UWG zu beanstanden, weil sich der Hinweis im Rahmen des sachlich Gebotenen gehalten habe. Der Bezirksverband des Beklagten hätte den Inhalt der Mitteilung auch zum Inhalt einer Anzeige machen dürfen. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, das Verhalten nur deshalb wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, weil der Beklagte nur eine andere Maßnahme als die nach der WerbeVOStBerG zulässige Anzeige gewählt habe. Daß ein Presseorgan die Mitteilung in anderer Form als die Information des Beklagten übernehme, könne dem Informanten nicht angelastet werden.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg.

1. Als zutreffend erweist sich allerdings die Beanstandung der Revision, der Beklagte habe in einer vom Wortlaut des § 8 Abs. 2 StBerG nicht gedeckten Weise gehandelt, weil danach Berufsvertretungen wie dem Beklagten Hinweise auf ihre (begrenzt zulässige) steuerberatende Tätigkeit im Rahmen des sachlich Gebotenen lediglich in dem in §§ 3 bis 7 der Verordnung über Art und Inhalt der zulässigen Hinweise auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen (WerbeVOStBerG) vom 25. November 1976 (BGBl. I, S. 3245) bestimmten Umfang erlaubt sind und der Beklagte auf die Aufnahme entsprechender Beratungstätigkeiten nicht, wie in § 3 WerbeOStBerG allein vorgesehen, mit einer unmittelbar an seine Mitglieder gerichteten Zeitungsanzeige, sondern in Form einer Pressemitteilung hingewiesen hat, die – was auch die Revisionserwiderung nicht in Abrede stellt – vom Wortlaut der genannten Ausnahmevorschrift nicht erfaßt wird und damit grundsätzlich nach § 8 WerbeVOStBerG i.V. mit § 8 StBerG untersagt ist.

2. Mit ihrer Rüge, das Berufungsgericht hätte in der vom Wortlaut der einschlägigen Vorschriften nicht gedeckten Handlung einen rechtserheblichen Verstoß gegen das Werbeverbot des § 8 Abs. 2 StBerG und zugleich gegen § 1 UWG sehen müssen, weil § 3 WerbeVOStBerG die Form der nicht unter das Werbeverbot fallenden Hinweise abschließend und zwingend regele, bleibt die Revision jedoch ohne Erfolg; denn die Beanstandung wird Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 StBerG sowie der verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Auslegung der §§ 3 und 8 WerbeVOStBerG nicht gerecht.

a) Die hier in Rede stehende Vorschrift des § 8 Abs. 2 StBerG stellt eine Durchbrechung des in § 8 Abs. 1 StBerG generell statuierten Werbeverbots für Angehörige steuerberatender Berufe dar, die sich daraus rechtfertigt, daß – anders als bei letzteren – eine Befugnis der in § 4 Nr. 3, 7 und 11 StBerG bezeichneten Körperschaften und Vereinigungen zur Hilfeleistung in Steuersachen dem Publikum weithin unbekannt ist und demgemäß insoweit ein Hinweis- bzw. Informationsbedürfnis anzuerkennen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.11.1991 – 1 BvR 1469/86, NJW 1992, 550; BGH, Urt. v. 26.11.1969 – I ZR 34/68, GRUR 1970, 179, 181 = WRP 1970, 217 – Lohnsteuerzahler). Die Ermächtigung zur näheren Bestimmung der Art und des Inhalts zulässiger Hinweise in § 8 Abs. 2 Satz 2 StBerG hatte konkrete Regeln zum Ziel, durch die eine den Einschränkungen der Werbung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte vergleichbare Werbebeschränkung auch für deren Konkurrenten geschaffen und Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden sollten (vgl. BVerfG a.a.O. sowie BVerfG, Beschl. v. 9.10.1991 – 1 BvR 397/87, NJW 1992, 549, 550, jeweils m.w.N.). Diese Zielsetzung darf bei der Auslegung der aufgrund der Ermächtigungsnorm ergangenen Verordnung vom 25. November 1976 (WerbeVOStBerG) nicht unberücksichtigt bleiben; denn eine über sie hinausgehende Beschränkung des Werberechts stieße, auch wenn sie dem Wortlaut der Bestimmung zu entnehmen wäre, auf verfassungsrechtliche Bedenken.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berühren Werbebeschränkungen Rechte, die grundsätzlich verfassungsrechtlichen Schutz genießen, da werbende Hinweise auf berufliche Leistungen zur Berufsfreiheit im Sinne des Art. 12 GG (BVerfG a.a.O. NJW 1992, 550; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 11.2.1992 – 1 BvR 1531/90, NJW 1992, 2341) und die Freiheit der. Selbstdarstellung und Mitgliederwerbung von Vereinigungen zur Vereinsfreiheit im Sinne des Art. 9 GG (BVerfG a.a.O. NJW 1992, 549) gehören. Daher müssen bei der Auslegung einschränkender gesetzlicher Vorschriften die Bedeutung und der Schutzbereich der betroffenen Grundrechte, insbesondere deren Tragweite, beachtet werden. In Anwendung dieser Grundsätze hat auch das Bundesverfassungsgericht eine zwar wortlautgerechte, aber den Regelungszweck vernachlässigende Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 WerbeVOStBerG als verfassungswidrig beurteilt (BVerfG a.a.O. NJW 1992, 550, 551). Nicht anders wäre die Anwendung der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 WerbeVOStBerG (i.V. mit § 8 derselben Verordnung) im vorliegenden Fall zu beurteilen.

c) Die Beschränkung erlaubter Tätigkeitshinweise allein auf die Form der Zeitungsanzeige konnte als berechtigter normativer Interessenausgleich im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden, solange den im Wettbewerb mit Körperschaften und Vereinigungen stehenden freiberuflichen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten eigene Werbung so weitgehend untersagt war, wie zur Zeit des Erlasses der Verordnung, inzwischen hat der Gesetzgeber jedoch mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I, S. 1387) das Werbeverbot für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte gelockert, indem er auch ihnen – ähnlich wie bislang den in § 8 Abs. 2 StBerG genannten Körperschaften und Vereinigungen – die in Form und Inhalt sachliche Unterrichtung des Publikums über ihre berufliche Tätigkeit erlaubt hat (§ 57 a StBerG). Da mit dieser Erlaubnis eine mit der in § 3 Abs. 1 WerbeVOStBerG statuierten Regelung vergleichbare Beschränkung allein auf Zeitungsanzeigen nicht verbunden worden ist, ist nunmehr unter dem vom Bundesverfassungsgericht wiederholt als die Werbebeschränkung allein rechtfertigend in den Vordergrund gestellten Gesichtspunkt der Gleichstellung von Körperschaften und Vereinigungen mit den Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten (vgl. BVerfG a.a.O. NJW 1992, 549 f.; BVerfG a.a.O. 1992, 550 f.) ein wesentlicher Grund entfallen, der eine grundsätzliche Beschränkung einer Körperschaft oder Vereinigung auf das alleinige Mittel einer Zeitungsanzeige rechtfertigen könnte. Danach ist allein noch zu prüfen, ob die vorliegend an deren Stelle gewählte Form der Pressemitteilung den Anforderungen genügt, die sowohl bei Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten (§ 57 a StBerG) als auch bei den in § 4 Nr. 3, 7 und 11 StBerG bezeichneten Körperschaften und Vereinigungen (§ 8 Abs. 2 StBerG) weiter an Inhalt und Form eines Tätigkeitshinweises zu stellen sind, wofür die Vorschrift des § 3 WerbeVOStBerG allerdings Anhaltspunkte insofern bietet, als danach jedenfalls solche Hinweise, die nach Inhalt und Form den darin aufgestellten Anforderungen im wesentlichen entsprechen, nicht als unangemessen angesehen werden können.

Um einen solchen Fall handelt es sich hier.

Nach den vom Berufungsgericht beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen geht die den Anlaß des Rechtsstreits bildende Pressemitteilung des Beklagten inhaltlich nicht über das hinaus, was nach § 3 WerbeVOStBerG als Inhalt einer (dort vorgesehenen) Zeitungsanzeige erlaubt wäre. Sie beschränkt sich ohne reklamehafte Angaben allein auf die sachliche Mitteilung, daß der Beklagte nunmehr zu bestimmten Zeiten auch in verschiedenen Städten der neuen Bundesländer Hilfeleistungen in Steuersachen erbringen läßt, und zwar für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer, also – mit anderen Worten – für seine Mitglieder.

Auch die Form einer Pressemitteilung, die der Beklagte für den somit inhaltlich nicht zu beanstandenden Hinweis gewählt hat, läßt letzteren nicht gesetzwidrig erscheinen.

Die Nachricht, die der Inhalt der Mitteilung vermittelt, konnte – gerade für Bewohner der neuen Bundesländer, die damals mit den neuen Verhältnissen noch wenig vertraut waren – auf ein gewisses Informationsinteresse allgemeinerer Art stoßen, so daß ihre redaktionelle Verbreitung durchaus noch dem Aufgabenbereich der Presse, nämlich der Vermittlung von die Öffentlichkeit interessierenden Informationen, zugerechnet werden kann. Hierfür Material zur Verfügung zu stellen, das inhaltlich nicht über erlaubte Werbung im Sinne des § 57 a StBerG bzw. § 8 Abs. 2 StBerG hinausgeht, kann weder als unerlaubte unmittelbare Werbung noch deshalb als bedenklich angesehen werden, weil eine solche Mitteilung – stärker als ein Anzeigenauftrag – die Gefahr einer Verfälschung des Inhalts oder seiner Darbietung in werbeträchtiger Form eröffnet; denn eine Beschränkung des Rechts auf zutreffende und inhaltlich in der gewählten Weise erlaubten Selbstdarstellung allein im Blick auf die abstrakte Gefahr einer Verfälschung des Bildes durch eigenverantwortliche Zeitungsredakteure wäre unangemessen, zumal in Fällen einer durch solche Verfälschungen bewirkten redaktionellen Werbung das Presseorgan selbst in Anspruch genommen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1994 – I ZR 167/92, GRUR 1994, 819 = WRP 1994, 728 – Produktinformation II).

III. Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Teplitzky, Erdmann, Mees, Ullmann, Starck

 

Fundstellen

NJW 1995, 2358

GRUR 1995, 494

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