Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollmachtloser Vertreter. Vertragspartnermehrheit. Vollstreckungsabwehrklage. LPG in Liquidation. Erklärungsadressat. Abgabe der Genehmigungserklärung. Behandlung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel. Rückverweisung an das Berufungsgericht

 

Leitsatz (amtlich)

a) Sind bei einem durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Vertrag mehrere Personen Vertragspartner des Vertretenen, so müssen sie, sofern sich aus ihrem Innenverhältnis nichts anderes ergibt, sämtlich an einer Aufforderung nach § 177 Abs. 2 S. 1 BGB mitwirken.

b) Das Berufungsgericht darf auch nach einer Zurückverweisung der Sache neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur in den Grenzen des § 531 Abs. 2 ZPO zulassen. Ist von dem Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 531 Abs. 2 ZPO zugelassener Tatsachenvortrag (Ausgangsvortrag) unschlüssig, muss das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung ergänzendes, zur Schlüssigkeit des Ausgangsvortrags führendes Parteivorbringen auch dann unberücksichtigt lassen, wenn die Partei vor der Zurückverweisung keine Gelegenheit erhalten hatte, ihren Ausgangsvortrag zu ergänzen.

 

Normenkette

BGB § 177 Abs. 2 S. 1; ZPO § 531 Abs. 2 (2002)

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Urteil vom 27.02.2003)

LG Potsdam

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 27.2.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Kaufvertrag v. 25.6.1992, mit dem sie von der beklagten LPG i.L. verschiedene Gebäude (Lagerhallen, Garagen und Siloanlagen) erworben und sich wegen des Kaufpreises von 750.000 DM der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen haben.

Liquidatoren der Beklagten waren Rechtsanwalt B. und der Steuerberater E. . Das Genossenschaftsregister wies diese als jeweils alleinvertretungsberechtigt aus. Der Vertrag v. 25.6.1992 wurde auf Seiten der Beklagten von H. P. , handelnd als vollmachtloser Vertreter des Liquidators Endris, abgeschlossen.

Nach Vertragsschluss leisteten die Kläger die ersten beiden Kaufpreisraten i. H. v. 75.000 DM und 150.000 DM an E. , welcher sie an die Beklagte weiterleitete. Im August 2001 legte E. sein Amt als Liquidator nieder. Mit notariell beglaubigter Erklärung v. 2.5.2002 genehmigte der Liquidator B. den Vertrag für die Beklagte.

Wegen des Restkaufpreises von 525.000 DM hat die Beklagte im Dezember 2000 die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger eingeleitet. Diese haben ihre Vollstreckungsgegenklage zunächst darauf gestützt, dass die Kaufpreisforderung der Beklagten durch weitere Zahlungen an E. , für den sie die Gebäude nebst dazugehöriger Grundstücke als Treuhänder erworben hätten, erfüllt worden sei. Sie behaupten ferner, der Verkehrswert der Gebäude liege deutlich unter der Hälfte des Kaufpreises, so dass der Kaufvertrag sittenwidrig sei. Mit einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LG eingereichten Schriftsatz v. 17.4.2002 haben die Kläger außerdem geltend gemacht, der Kaufvertrag sei nach § 177 Abs. 2 BGB unwirksam, da E. mit Schreiben des Klägers zu 2) v. 8.9.1992 erfolglos zur Genehmigung des Vertrags aufgefordert worden sei. In der Revisionserwiderung berufen sich die Kläger zusätzlich auf einen Widerruf des Kaufvertrags nach § 178 BGB, den sie in ihrem Schriftsatz v. 17.4.2002, jedenfalls aber in ihrer Berufungsbegründung sehen, und darauf stützen, dass der Kaufvertrag auch der Genehmigung des Liquidators B. bedurft habe, weil die Liquidatoren nur zur Gesamtvertretung berechtigt gewesen seien.

Die Beklagte, die die Existenz des Schreibens v. 8.9.1992 und dessen Zugang bei E. erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bestritten hat, tritt der Vollstreckungsgegenklage entgegen und macht im Wege der Widerklage Zinsansprüche aus der Kaufpreisforderung geltend.

Das LG hat Klage und Widerklage abgewiesen. Das OLG hat auf die Berufung der Kläger hin der Klage stattgegeben und die Berufung der Beklagten zur Widerklage zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge auf Klageabweisung und zur Widerklage weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, der Kaufvertrag sei unwirksam, weil er zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung beider, nach § 85 Abs. 1 S. 2 GenG nur zur Gesamtvertretung befugten Liquidatoren bedurft habe. Zwar erfordere die Gesamtvertretung kein gemeinsames Handeln der Vertreter. Bei zeitlich gestaffeltem Handeln müsse der zuerst tätig gewordene Vertreter zum Zeitpunkt der Genehmigung des zweiten Gesamtvertreters an seiner Willenserklärung jedoch noch festhalten. Daran fehle es hier. B. habe den Vertrag im Mai 2002 zwar genehmigt. Zu diesem Zeitpunkt habe die Zustimmung durch E. aber nach § 177 Abs. 2 BGB als verweigert gegolten, da er von dem Kläger zu 2) mit Schreiben v. 8.9.1992 erfolglos zur Genehmigung des Vertrags aufgefordert worden sei. Dass die Kläger hierzu erst nach Schluss der erstinstanzlichen Verhandlung vorgetragen hätten, hindere die Berücksichtigung des Vorbringens in der Berufungsinstanz nicht. Der Vortrag sei nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen, weil das LG es versäumt habe, die Beklagte zu ergänzenden Angaben hinsichtlich ihrer Vertretung und zur Genehmigung anzuhalten. Das auf das Aufforderungsschreiben bezogene Bestreiten der Beklagten sei demgegenüber verspätet und deshalb nicht zu berücksichtigen (§§ 530, 296 Abs. 1 ZPO).

II.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Kläger, E. sei mit Schreiben v. 8.9.1992 erfolglos aufgefordert worden, den Kaufvertragabschluss v. 25.6.1992 zu genehmigen, unberücksichtigt lassen müssen. Das gilt unabhängig davon, ob das Vorbringen im Hinblick auf die Vollstreckungsgegenklage als neuer Sachvortrag i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO oder, weil es sich um eine weitere Einwendung gegen den titulierten Anspruch handelt, als Klageänderung i. S. d. § 533 ZPO zu qualifizieren ist (ebenfalls offen gelassen in BGH, Urt. v. 17.4.1986 - III ZR 246/84, NJW-RR 1987, 59; für das Vorliegen einer Klageänderung BGHZ 45, 231; RGZ 55, 101; OLG Celle MDR 1963, 932; OLG Köln v. 6.3.1998 - 19 U 225/97, OLGReport Köln 1998, 186; v. 5.3.1998 - 1 U 86/97, OLGReport Köln 1998, 235 = NJW-RR 1999, 1509; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 767 Rz. 20, 41; Schuschke/Walker, Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 767 Rz. 12; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 767 Rz. 17; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 767 Rz. 22; Geißler, NJW 1985, 1865 [1868]; dagegen Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rz. 54; K. Schmidt in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 767 Rz. 42; K. Schmidt, JR 1992, 89 [91 f.]). In beiden Fällen unterliegt die Zulassung des neuen Vortrags nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

a) Ist von ergänzendem Sachvortrag auszugehen, richtet sich seine Zulassung, wie von dem Berufungsgericht angenommen, nach § 531 Abs. 2 ZPO. Die Behauptung, E. sei im September 1992 zur Genehmigung des Kaufvertrags aufgefordert worden, war in der Berufungsinstanz neu, obwohl die Kläger sie bereits in einem an das LG gerichteten Schriftsatz v. 17.4.2002 aufgestellt hatten. Neu i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO ist ein Angriffsmittel, wenn es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht vorgebracht worden und daher im erstinstanzlichen Urteil gem. § 296a ZPO unberücksichtigt geblieben ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 531 Rz. 22). Das trifft auf das Vorbringen der Kläger zu, da der Schriftsatz v. 17.4.2002 zu Recht keinen Eingang in die erstinstanzliche Entscheidung gefunden hat, nachdem die ihr zu Grunde liegende mündliche Verhandlung am 14.3.2002 ohne Schriftsatznachlass geschlossen worden war.

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lagen die für die Zulassung neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Das Schreiben des Klägers zu 2) v. 8.9.1992 betraf weder einen von dem erstinstanzlichen Gericht übersehenen Gesichtspunkt (Nr. 1) noch hat das LG in diesem Zusammenhang einen nach § 139 ZPO erforderlichen Hinweis unterlassen (Nr. 2).

Dabei kann dahinstehen, ob das LG - wie das Berufungsgericht meint - gehalten war, die Beklagte zu ergänzenden Angaben über ihre Vertretungsverhältnisse anzuhalten. Denn der neue Sachvortrag der Kläger bezieht sich nicht auf die Vertretungsverhältnisse der Beklagten, sondern darauf, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, die für und gegen E. als Liquidator - sei er alleinvertretungsberechtigt oder nicht - wirkt.

An Letzterem zu zweifeln hatte das LG keinen Grund. Es konnte nach dem unstreitigen Vorbringen der Kläger davon ausgehen, dass E. den Vertragsschluss durch P. genehmigt hatte (§ 177 Abs. 1 BGB). Nach § 182 Abs. 2 BGB bedurfte die Genehmigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Diese Vorschrift gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch für die Genehmigung eines gem. § 313 S. 1 BGB a. F. formbedürftigen Rechtsgeschäfts (BGH v. 25.2.1994 - V ZR 63/93, BGHZ 125, 218 = MDR 1994, 985). Damit war eine Erteilung der Genehmigung durch E. auch durch schlüssiges Verhalten möglich. Sie konnte von dem LG darin gesehen werden, dass E. Zahlungen der Kläger auf den Kaufvertrag, nämlich die ersten beiden Raten von 75.000 DM und 150.000 DM, zur Weiterleitung an die Beklagte entgegengenommen und damit ihnen ggü. zu erkennen gegeben hatte, dass der Vertrag durchgeführt werden sollte. Näherer Vortrag der Beklagten zu der Genehmigung der Erklärung P. war damit entbehrlich. Anhaltspunkte dafür, dass E. den Vertrag zu diesem Zeitpunkt möglicherweise nicht mehr genehmigen konnte, weil er von den Klägern zuvor erfolglos aufgefordert worden war, sich über die Genehmigung zu erklären (§ 177 Abs. 2 BGB), waren für das LG nicht ersichtlich, ein entsprechender Hinweis nach § 139 Abs. 1 ZPO damit nicht veranlasst.

bb) Die fehlerhafte Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO bleibt in der Revisionsinstanz allerdings folgenlos. Die der Rechtsprechung zu der Vorgängerregelung über die Präklusion neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz (§ 528 ZPO a. F.) zu Grunde liegenden Überlegungen führen auch für § 531 Abs. 2 ZPO n. F. zu dem Ergebnis, dass die fehlerhafte Berücksichtigung neuen Tatsachenvortrags durch das Berufungsgericht mit der Revision nicht geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2004 - V ZR 187/03, BGHReport 2004, 614). Das Berufungsgericht soll das erstinstanzliche Urteil in Erster Linie mit dem Ziel der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung überprüfen und deshalb neuen Tatsachenvortrag nur in besonderen Ausnahmefällen berücksichtigen. Dieses Ziel lässt sich nicht mehr erreichen, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen entgegen § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen hat. Auch in diesem Fall besteht daher kein Grund, den in der Berufung bereits berücksichtigten Sachvortrag nachträglich wieder auszuscheiden und damit eine Entscheidung in Kauf zu nehmen, die dem wahren Sachverhalt nicht in jeder Hinsicht entspricht, es sei denn, das Berufungsgericht hätte, was hier ausscheidet, willkürlich gehandelt (vgl. BVerfG BVerfGE 3, 359 [365]).

b) Sofern das Nachschieben einer Einwendung im Rahmen einer Zwangsvollstreckungsgegenklage als Klageänderung zu qualifizieren ist, scheitert eine revisionsrechtliche Nachprüfung zwar nicht notwendig daran, dass die Zulassung einer Klageänderung der Anfechtung grundsätzlich entzogen ist (§ 268 ZPO). Hat das erkennende Gericht den Gesichtspunkt einer Klageänderung nämlich übersehen und der Klage stattgegeben, ohne über die Zulässigkeit ihrer Änderung zumindest stillschweigend zu befinden, so soll die Möglichkeit eröffnet sein, den Verfahrensfehler zu rügen und ihn in der Rechtsmittelinstanz zu korrigieren (so Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 268 Rz. 13; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 268 Rz. 1; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 268 Rz. 2). Ob eine solche Rüge hier als erhoben angesehen werden kann (§ 551 Abs. 3 Nr. 2b ZPO), ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung. Begründet wäre sie nur, wenn die unter Verstoß gegen § 533 Nr. 2 i. V. m. § 531 Abs. 2 ZPO erfolgte Zulassung einer auf neues Vorbringen gestützten Klageänderung revisionsrechtlich nachprüfbar wäre. Das ist jedoch aus den vorstehend unter II. 1. a) bb) aufgeführten Erwägungen, die insoweit entsprechend gelten, nicht der Fall.

2. Erfolg hat die Revision indessen, soweit sie die Anwendung materiellen Rechts betrifft. Die - sowohl für den Erfolg der Vollstreckungsgegenklage als auch für die Abweisung der Widerklage maßgebliche - Auffassung des Berufungsgerichts, der Kaufvertrag sei mangels fristgerecht erteilter Genehmigung des Liquidators E nach § 177 Abs. 2 BGB unwirksam, wird von seinen Feststellungen nicht getragen.

a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass eine fehlende Genehmigung der von P. abgegebenen Erklärungen durch E. im Fall einer wirksamen Aufforderung der Kläger nach § 177 Abs. 2 BGB dazu geführt hätte, dass der Kaufvertrag nicht zustande gekommen wäre. Nach Fristablauf hätte die Genehmigung als endgültig verweigert gegolten (§ 177 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. BGB). Die bis dahin schwebende Unwirksamkeit des Kaufvertrags hätte sich in eine endgültige, keiner nachträglichen Genehmigung mehr zugänglichen Unwirksamkeit umgewandelt. Der hilfsweise vorgetragene Einwand der Revision, der Kaufvertrag sei spätestens durch die von B. erteilte Genehmigung v. 2.5.2002 wirksam geworden, könnte dann keinen Erfolg haben, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die Liquidatoren ursprünglich zur Einzelvertretung oder lediglich zur Gesamtvertretung befugt waren.

b) Jedoch konnte das Berufungsgericht allein auf der Grundlage des Schreibens des Klägers zu 2) v. 8.9.1992 nicht davon ausgehen, dass E. wirksam zur Erteilung der Genehmigung i. S. d. § 177 Abs. 2 BGB aufgefordert worden ist.

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift obliegt die Zuständigkeit zur Aufforderung dem "anderen Teil", also dem Vertragsgegner des Vertretenen. Besteht er aus mehreren Personen, so müssen diese sämtlich an der Aufforderung mitwirken, wenn sich nicht aus deren Innenverhältnis, beispielsweise auf Grund bestehender Vertretungsmacht, etwas anderes ergibt (so zu dem in § 1829 Abs. 2 BGB geregelten Parallelfall der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung KGJ 36, A 160; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1829 Rz. 19; Erman/Holzhauer, BGB, 10. Aufl., § 1829 Rz. 7; Wagenitz in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1829 Rz. 27; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1829 Rz. 14; Staudinger/Engler, BGB, 1999, § 1829 Rz. 35; Dölle, Familienrecht, S. 800; Huken, DNotZ 1966, 388 [392 f.]; vgl. im Übrigen zur Zuständigkeit einer Erbengemeinschaft bei der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 326 BGB a. F. BGH v. 22.10.1999 - V ZR 401/98, BGHZ 143, 41 [45] = MDR 2000, 215).

Aus dem Innenverhältnis der Kläger ergeben sich keine Umstände, die eine Mitwirkung der Klägerin zu 1) an der Aufforderung verzichtbar erscheinen lassen. Die Kläger wollten die vertragsgegenständlichen Gebäude zu Miteigentum erwerben. Damit stand ihnen auch der im Kaufvertrag begründete Übereignungsanspruch gem. §§ 432, 741 BGB in Bruchteilsgemeinschaft zu (BGH, Urt. v. 3.11.1983 - IX ZR 104/82, MDR 1984, 310 = NJW 1984, 795 [796]; BayObLG v. 14.5.1992 - BReg.2 Z 139/91, BayObLGZ 1992, 131 [136]; K. Schmidt in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 741 Rz. 20; vgl. i.Ü. zu "Hausherstellungsverträgen" BGH v. 21.3.1985 - VII ZR 148/83, BGHZ 94, 117 [119] = MDR 1985, 750). Nach den für die Bruchteilsgemeinschaft maßgeblichen Regeln war die Mitwirkung der Klägerin zu 1) erforderlich, da die Aufforderung nach § 177 Abs. 2 BGB eine Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand darstellt (Huken, DNotZ 1966, 388 [392 f.]; zur Fristsetzung nach § 326 BGB a. F. vgl. BGH v. 22.10.1999 - V ZR 401/98, BGHZ 143, 41 [45] = MDR 2000, 215; v. 29.5.1991 - VIII ZR 214/90, BGHZ 114, 360 [366] = MDR 1991, 941), eine solche aber nur durch die Teilhaber gemeinschaftlich erfolgen kann (§ 747 S. 2 BGB). Nur eine gemeinschaftliche Zuständigkeit steht im Übrigen auch im Einklang mit dem Rechtsgedanken des § 356 BGB a. F. (§ 351 BGB n. F.), der im Falle des Rücktrittsrechts die Kompetenz zur Auflösung des Vertrags ebenfalls der Gesamtheit der Mitglieder einer Vertragspartei zuordnet. Enthält das Aufforderungsschreiben des Klägers zu 2) somit keine wirksame Aufforderung i. S. d. § 177 Abs. 2 BGB, kommt es auf das Bestreiten des Zugangs dieses Schreibens durch die Beklagte nicht an.

c) Ergänzend sei allerdings darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht das Bestreiten der Beklagten nicht ohne weiteres als verspätet zurückweisen durfte. Solange die Kläger keinen Beweis dafür angeboten hatten, dass das Schreiben v. 8.9.1992 E. zugegangen war, verursachte es jedenfalls keine Verzögerung des Rechtsstreits i. S. d. §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO. Erforderlichenfalls wäre den Klägern hierzu eine Schriftsatzfrist einzuräumen gewesen (§ 283 ZPO). Dass die Kläger es unterlassen haben, den nach § 283 ZPO erforderlichen Antrag zu stellen, stand dem nicht entgegen. Denn die von verspätetem Vorbringen überraschte Partei kann das Gericht auf diese Weise nicht zu dessen Zurückweisung zwingen (vgl. BVerfG v. 22.5.1979 - 1 BvR 1077/77, NJW 1980, 277; BGH v. 24.4.1985 - VIII ZR 95/84, BGHZ 94, 195 [214] = MDR 1985, 754).

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revisionserwiderung, der Kaufvertrag sei nach § 178 BGB aufgelöst worden, weil er der Genehmigung beider Liquidatoren bedurft habe und vor der Genehmigung durch den Liquidator B. von den Klägern widerrufen worden sei. Dabei bedarf es auch in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob die Liquidatoren der Beklagten nur gesamtvertretungsberechtigt waren. Im Fall der Gesamtvertretung reicht es aus, dass ein Vertreter bei Abschluss des Rechtsgeschäfts für den Vertretenen formgerecht mitgewirkt und der andere Gesamtvertreter das Geschäft nachträglich formlos genehmigt hat, sofern der erste Vertreter im Zeitpunkt der Genehmigung noch an seiner Willenserklärung festhält (BGH, Urt. v. 16.11.1987 - II ZR 92/87, AG 1988, 167 = GmbHR 1988, 101 = MDR 1988, 380 = NJW 1988, 1199 [1200]; Urt. v. 14.6.1976 - III ZR 105/74, WM 1976, 1053 [1054]; Urt. v. 10.3.1959 - VIII ZR 44/58, LM § 164 Nr. 15).

Nach diesen Grundsätzen scheitert eine Vertragsauflösung gem. § 178 BGB jedenfalls daran, dass der Kaufvertrag zum Zeitpunkt eines möglichen Widerrufs, den die Kläger entweder im Schriftsatz v. 17.4.2002 oder aber spätestens in der Berufungsbegründung v. 19.7.2002 sehen, durch den zweiten Liquidator B. bereits genehmigt und damit wirksam zustande gekommen war. Eine konkludente Genehmigung durch B. könnte bereits in den von der Beklagten unter seiner Mitwirkung Ende 2000 eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Kläger liegen; spätestens ist sie für die Kläger im Rahmen der von ihnen mit der Klageschrift eingereichten vorprozessualen Korrespondenz (Anlage K 10, K 11) zwischen ihrem Prozessbevollmächtigten und B. deutlich geworden. Anhaltspunkte dafür, dass E. , der damals noch Liquidator der Beklagten war, im Zeitpunkt der Genehmigung an dem Kaufvertragsabschluss nicht mehr festhielt, sind von dem Berufungsgericht nicht festgestellt worden.

4. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Revisionsgericht nur möglich, wenn das Berufungsgericht den Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt hat und beachtlicher neuer Sachvortrag nicht mehr zu erwarten ist (BGH BGHZ 46, 281 [284]). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

a) Allerdings ist ergänzender Vortrag der Kläger zur Wirksamkeit der Aufforderung v. 8.9.1992 nach der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nicht mehr möglich. Zwar ist die fehlende Mitwirkung der Klägerin zu 1), soweit ersichtlich, in der Berufungsinstanz nicht erörtert worden, so dass die Kläger bislang keine Möglichkeit hatten, zu diesem Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Jedoch darf das Berufungsgericht auch nach einer Zurückverweisung der Sache neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur in den Grenzen des § 531 Abs. 2 ZPO zulassen (vgl. Wenzel in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsbd,. § 563 Rz. 6). Wie vorstehend unter II. 1. a) aa) ausgeführt, hätte bei richtiger Verfahrensweise schon das bisherige Vorbringen der Kläger zu der Genehmigungsaufforderung unberücksichtigt bleiben müssen. Für ergänzenden Vortrag zu diesem Komplex gilt dies in gleicher Weise; auch an seiner Zulassung ist das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung gem. § 531 Abs. 2 ZPO gehindert.

Dass die fehlerhafte Zulassung neuen Vortrags durch das Berufungsgericht in der Revisionsinstanz nicht korrigiert werden kann (vgl. vorstehend II. 1. a) bb), führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach einer Zurückverweisung der Sache bleiben nur die Feststellungen verwertbar, die das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage des neuen Vorbringens - verfahrensfehlerhaft - getroffen hat. Erweist sich dieser Vortrag, wie hier, in der Revisionsinstanz als unschlüssig, so kann er in der erneuten Entscheidung des Berufungsgerichts schon aus Gründen des materiellen Rechts keine Berücksichtigung finden (§ 563 Abs. 2 ZPO). Ließe das Berufungsgericht in diesem Fall nach einer Zurückweisung ergänzenden Sachvortrag zu, so handelte es sich nicht nur um eine Auswirkung des ursprünglichen, in der Revisionsinstanz folgenlos gebliebenen Verfahrensfehlers, sondern um einen erneuten Verstoß des Berufungsgerichts gegen die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO.

b) Der Rechtsstreit ist aber nicht zur Endentscheidung reif, weil die Kläger weitere Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhoben haben, zu denen das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - noch nicht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Feststellungen fehlen insb. zu dem für die Anwendung des § 138 BGB maßgeblichen Wert der veräußerten Gebäude zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zu den von den Klägern behaupteten Zahlungen auf den Restkaufpreis (§ 362 Abs. 1 BGB).

5. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1150567

BB 2004, 1073

DB 2004, 1881

NJW 2004, 2382

BGHR 2004, 997

JurBüro 2004, 566

MittBayNot 2004, 433

WM 2005, 141

WuB 2005, 213

ZAP 2004, 864

MDR 2004, 866

NotBZ 2004, 229

ProzRB 2004, 190

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