Leitsatz (amtlich)

›1. Ob die Beweiskraft einer Urkunde erschütternde Mängel i.S.d. § 419 ZPO gegeben sind, ist in freier richterlicher Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu entscheiden.

2. Der Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage ergibt sich aus dem gestellten Antrag und dem geltend gemachten materiell-rechtlichen Einwand. Werden neue Einwände nachgeschoben, liegt ein neuer Streitgegenstand vor, der auch in der Berufungsinstanz ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO ermöglicht.‹

 

Gründe

(Gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)

Die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung hat nur einen Teilerfolg, soweit der Beklagte die Einwendungen gegen den titulierten Anspruch anerkannt hat. Mit seinem Haupteinwand, es sei ein Vergleich geschlossen worden, dringt der Kläger allerdings nicht durch.

Die auf den behaupteten Abschluß eines Vergleichs gestützte Vollstreckungsabwehrklage des Klägers hat keinen Erfolg, da ihm der Nachweis von Einwendungen im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den durch Versäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 30.10.1995 - 15 O 471/95 - titulierten Anspruch des Beklagten nicht gelungen ist.

Nach allgemeinen Grundsätzen muß der Schuldner die von ihm behaupteten, mit der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend gemachten Einwendungen darlegen und beweisen. Dieser Obliegenheit kommt der Kläger mit der von ihm vorgelegten, auf den 08.07.1996 datierten Urkunde nicht ausreichend nach.

Das Landgericht hat dieses Schriftstück mit zutreffenden Erwägungen als nicht hinreichend beweiskräftig für das Zustandekommen eines Vollstreckungsvergleichs angesehen. Zwar wird nach § 440 Abs. 2 ZPO gesetzlich vermutet, daß die über einer Unterschrift stehende Erklärung vom Aussteller abgegeben wurde. Die tatbestandliche Grundlage für diese Vermutung ist jedoch zerstört, wenn die Urkunde Mängel im Sinne des § 419 ZPO aufweist. Ein die Beweiswirkung zerstörender Mangel liegt danach vor, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde eine Änderung des Textes nach der Unterzeichnung möglich erscheint (BGH NJW RR 1987, 1151; NJW 1980, 893; NJW 1966, 1657 (1658)). Ob die äußere Gestaltung der Urkunde den Verdacht einer Fälschung rechtfertigt, ist dabei in freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO zu entscheiden. Als Hinweis auf eine Verfälschung ist in der Rechtsprechung (BGH NJW 1980 aaO.; BGH NJW 1966 aaO.) insbesondere anerkannt, daß der über der Unterschrift stehende Text in ungewöhnlicher Form "zusammengequetscht" ist. Für den Verfälscher stellt sich nämlich regelmäßig das Problem, den von ihm hinzugefügten Inhalt entgegen der ursprünglichen Konzeption der Urkunde noch über der Unterschrift unterzubringen.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die vom Kläger vorgelegte Urkunde durch eine für eine nachträgliche Ergänzung sprechende unharmonische, ungleichmäßige Zusammendrängung desjenigen Textes gekennzeichnet, den der Beklagte nicht unterschrieben haben will. Insoweit kann zunächst auf die überzeugenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Hinzu kommt, daß das Schriftbild der Urkunde im streitigen und unstreitigen Inhalt wechselt. Während die unstreitige Quittung "Scheck erhalten" in Schreibschrift geschrieben wurde, ist der übrige Text in Druckbuchstaben verfaßt. Eine vernünftige Erklärung für diese Änderung der Schriftart liefert der Kläger nicht, der nach seinem eigenen Vorbringen den gesamten Text vorformuliert haben will. Auch der Wechsel der Schriftart deutet auf eine nachträgliche Verfälschung hin.

Schließlich weist der streitige Urkundentext auch noch eine weitere inhaltliche Unstimmigkeit auf. Der letzte besonders gedrängt zusammengeschriebene Halbsatz ("und zieht dies zurück") ergibt keinen Sinn. Er ist offensichtlich nachträglich angesetzt worden. Der Kläger dieses Verfahrens konnte auch bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre sinnvollerweise nicht das Versäumnisurteil zurückziehen. Nur der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, auf die Rechte aus dem Titel zu verzichten. Offenbar sollte der Text hinsichtlich des Schicksals des Titels mit dem letzten Halbsatz nachgebessert werden.

Angesichts der urkundlichen Auffälligkeiten kann bei der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO nicht unberücksichtigt bleiben, daß der vom Kläger behauptete Urkundeninhalt mit der Interessenlage der Beteiligten im Juli 1996 nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Nach dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 06.08.1996 stand dem Beklagten nach Abzug der Gegenforderungen von 8.028,21 DM und der Scheckzahlung von 2.000,00 DM noch eine offene Restforderung von 22.545,56 DM zu. Da das Landgericht Köln unmittelbar vor dem Treffen der Parteien vom 08.07.1996, nämlich am 03.06.1996 den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers (dortigen Beklagten) hinsichtlich der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil zurückgewiesen hatte, gab es für den Beklagten, der nach der zu den Akten gereichten Erklärung zum Prozeßkostenhilfeantrag über die pe...

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