Leitsatz (amtlich)

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann ohne Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden, solange der Zurückweisungsbeschluss die Geschäftsstelle noch nicht mit der unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen hat, den Parteien bekannt gegeben zu werden (Fortführung von BGH, Beschl. v. 30.3.2006 - III ZB 123/05, NJW 2006, 2124 Rz. 8).

Zur Verwendung eines Formulars zwecks Belehrung über das Widerrufsrecht bei Abschluss mehrerer Verbraucherdarlehensverträge.

 

Normenkette

ZPO §§ 543, 565 S. 1, § 516 Abs. 1, § 329 Abs. 2; BGB § 355 Abs. 2 Fassung: 2010-06-10

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Beschluss vom 07.06.2016; Aktenzeichen 3 U 120/16)

LG Hannover (Entscheidung vom 03.03.2016; Aktenzeichen 3 O 259/15)

 

Tenor

Der Kläger wird, nachdem er die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den am 7.6.2016 ergangenen Beschluss des 3. Zivilsenats des OLG Celle zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.

Die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde werden ihm auferlegt.

Streitwert: bis 80.000 EUR

 

Gründe

Rz. 1

Der Kläger war nach Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde am 28.7.2017 mit der entsprechenden Kostenfolge gem. §§ 522 Abs. 3, 565 Satz 1, 516 Abs. 3 ZPO seines Rechtsmittels für verlustig zu erklären.

Rz. 2

Zwar hat der Senat vor Eingang der Rücknahme am 11.7.2017 folgenden Beschluss gefasst:

"Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des OLG Celle vom 7.6.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 80.000 EUR.

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des vom Kläger und seiner Ehefrau erklärten Widerrufs ihrer auf den Abschluss dreier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

Die Parteien - der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau - schlossen im November 2009 in drei Vertragsurkunden niedergelegte Immobiliardarlehensverträge über 110.000 EUR zur Darlehensnummer ...5718, über 70.000 EUR zur Darlehensnummer ...5726 und über 30.000 EUR zur Darlehensnummer ...5734. Nach den Feststellungen des LG, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, belehrte die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau über ihr Widerrufsrecht zugleich wie folgt:

Mit Schreiben vom 7.2.2015 widerriefen der Kläger und seine Ehefrau unter Verweis auf alle drei Darlehensnummern ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

Der Kläger, der sich Ansprüche seiner Ehefrau hat abtreten lassen, hat vor dem LG zuletzt beantragt festzustellen, 'dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverhältnisse [...] in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt' worden seien, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger auf der Grundlage des Widerrufs vom 7.2.2015 eine 'Endabrechnung' der Darlehensverhältnisse zu erteilen, festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung der näher bezeichneten Darlehensverträge in Verzug befinde und dem Kläger Ersatz für jeglichen Schaden schulde, der ihm 'durch die Verweigerung der Anerkennung des Widerrufs' entstanden sei, und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.308,24 EUR zu zahlen. Diese Klage hat das LG abgewiesen.

Daraufhin hat der Kläger Berufung eingelegt mit den Anträgen festzustellen, dass die Beklagte aus den näher bezeichneten Darlehensverträgen 'keine Ansprüche mehr' gegen den Kläger habe, hilfsweise festzustellen, dass der Kläger 'seine Vertragserklärung zum Abschluss der mit der Beklagten vereinbarten Darlehen [...] wirksam widerrufen' habe, und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.308,24 EUR zu zahlen. Die Berufung hat das Berufungsgericht nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen, weil die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau zutreffend über ihr Widerrufsrecht belehrt habe.

II.

Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das gilt auch bei einer Beurteilung anhand revisionsrechtlicher Maßstäbe (vgl. BVerfGK 6, 79, 81 ff.; 18, 105, 111 f.; 19, 467, 475).

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht und ohne, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO besteht, davon ausgegangen, die Beklagte habe den Kläger und seine Ehefrau ordnungsgemäß über das ihnen nach § 495 Abs. 1 BGB zustehende Widerrufsrecht belehrt.

a) Der Senat hat inzwischen im Sinne des Ergebnisses des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit von Sammelbelehrungen (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rz. 49 ff.; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 23; BGH v. 24.1.2017 - XI ZR 66/16, WM 2017, 370 Rz. 9 ff.) Stellung genommen. Die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung im Übrigen, die auch nicht durch das Vorhandensein eines weißen Feldes hinter der Angabe 'zwei Wochen' geschmälert wird, ergibt sich ebenfalls aus der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH v. 27.9.2016 - XI ZR 309/15, WM 2016, 2215 Rz. 8 f.).

b) Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass der Kläger und seine Ehefrau ordnungsgemäß belehrt waren, obwohl sie für alle drei Darlehensverträge nur eine einheitliche Widerrufsbelehrung erhielten. Die Widerrufsbelehrung führte alle drei Vertragsnummern in Textform (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rz. 16 f.) in ihrer oberen rechten Ecke auf. Damit war für den Kläger und seine Ehefrau deutlich, dass sich ihre Hinweise auf jede der zum Abschluss der Darlehensverträge abgegebenen Willenserklärungen bezogen (vgl. OLG Nürnberg WM 2012, 650, 651 f.), die auch jeweils gesondert widerrufen werden konnten.

Eine einheitliche Belehrung genügt schon in Fällen, in denen mehrere Darlehensverträge in einer Vertragsurkunde zusammengefasst sind (OLG Frankfurt WM 2016, 2348, 2350; OLG Hamm WM 2016, 116, 121; offen OLG Köln, Urt. v. 16.12.2015 - 13 U 18/15, juris Rz. 21 [rechtskräftig]), ohne dass mittels der Verwendung einer einheitlichen Belehrung zugleich eine Vorentscheidung darüber getroffen ist, ob der Widerruf der auf den Abschluss eines der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen zugleich Auswirkungen auf den Bestand der übrigen Darlehensverträge hat. Umso mehr gilt dies, wenn die deutlich in Textform auf mehrere - wie hier zwischen denselben Parteien geschlossene - Darlehensverträge bezogene Widerrufsbelehrung über die Widerruflichkeit von Willenserklärungen unterrichtet, die in verschiedenen Vertragsurkunden niedergelegt sind (vgl. OLG Nürnberg WM 2012, 650, 651 f.; die dort zitierte Kommentierung von Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 360 Rz. 2 [6], ebenso BGB, 73. Aufl., § 360 Rz. 3 [6], betrifft nicht den hier zur Entscheidung gestellten Fall). Dann kann erst recht beim Verbraucher keine Fehlvorstellung darüber entstehen, dass seine Willenserklärungen nach den Maßgaben der Widerrufsbelehrung jeweils für sich und gesondert widerruflich sind. Entsprechend haben hier der Kläger und seine Ehefrau ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen - wenn auch in einem Widerrufsschreiben - jeweils einzeln widerrufen.

c) Schließlich kann nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht davon ausgegangen werden, dass - worauf sich der Kläger im Rechtsstreit auch zu keinem Zeitpunkt berufen hat - die Beklagte eine gemessen an § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung falsche Widerrufsfrist angegeben hat. Das Berufungsgericht hat sich die Feststellung des LG zu Eigen gemacht, der Kläger und seine Ehefrau seien nicht nachträglich, sondern bei Vertragsschluss über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Ausweislich der bindenden Feststellungen des LG hat der Kläger schon in erster Instanz vorgetragen, die Widerrufsbelehrung sei ihm 'zusammen mit den Vertragsurkunden vorgelegt' worden.

2. Soweit das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die in der Berufungsinstanz erstmals in dieser Form gestellten Feststellungsanträge § 524 Abs. 4 ZPO nicht beachtet hat (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.2016 - III ZR 84/15, WM 2016, 2342 Rz. 14 ff.), führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Weil die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt hat, kann der Senat ausschließen, dass bei Anlegung richtiger rechtlicher Maßstäbe und im Anschluss an eine zulässige Fassung der Anträge die Frage der Wirksamkeit des Widerrufs von einem anderen Gericht anders beurteilt würde als vom Berufungsgericht (vgl. Senatsbeschluss v. 17.1.2017 - XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rz. 9 f.).

3. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen."

Rz. 3

Dieser Beschluss, der nach § 329 Abs. 2 ZPO nicht zu verkünden war, ist aber nicht existent geworden. Er war nicht bereits mit seiner Übergabe an die Geschäftsstelle am 12.7.2017 erlassen. Zu seinem Erlass hätte es vielmehr der Hinausgabe aus dem inneren Geschäftsbetrieb bedurft. Hinausgegeben worden wäre der Beschluss erst zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Geschäftsstelle mit der unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen hätte, den Parteien bekannt gegeben zu werden (BGH, Urt. v. 1.4.2004 - IX ZR 117/03, MDR 2004, 1076; v. 16.9.2016 - V ZR 3/16, WuM 2017, 234 Rz. 12; Beschl. v. 26.4.2017 - XII ZB 33/17, FamRZ 2017, 1247 Rz. 14, jeweils m.w.N.). Dies ist aufgrund des sonstigen ganz erheblichen Arbeitsanfalls bis zum 28.7.2017 nicht geschehen. Damit hat der Kläger die Rücknahme innerhalb der Frist der §§ 565 Satz 1, 516 Abs. 1 ZPO erklärt, die erst mit der Hinausgabe des Beschlusses vom 11.7.2017 aus dem inneren Geschäftsbetrieb als einer der Verkündung vergleichbaren Entäußerung (vgl. BGH, Urt. v. 16.9.2016, a.a.O.) - wenn auch nicht noch später mit seinem Wirksamwerden gegenüber den Parteien durch Zustellung gem. § 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO - geendet hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2006 - III ZB 123/05, NJW 2006, 2124 Rz. 8 unter Verweis auf OLG Celle OLGReport Celle 2004, 336; Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Aufl., Rz. 1126; Zimmermann, ZPO, 10. Aufl., § 516 Rz. 2; für ein Ende der Frist erst mit Zustellung dagegen Prütting/Gehrlein/Lemke, ZPO, 9. Aufl., § 516 Rz. 5; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 516 Rz. 3).

 

Fundstellen

NJW 2017, 14

NJW 2017, 3239

EWiR 2017, 709

FA 2017, 363

WM 2017, 1901

ZIP 2017, 1851

JZ 2017, 772

JZ 2017, 774

MDR 2017, 1259

VuR 2017, 437

ZBB 2017, 307

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