Gründe

I.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durch nachfolgenden Beschluß dergestalt geregelt, daß von dem Versicherungskonto der Beschwerdeführerin (Ehefrau) auf das Versicherungskonto des Ehemannes Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 44,02 DM übertragen werden. Dieser Beschluß wurde der Ehefrau am 4. Januar 1994 und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) am 5. Januar 1994 zugestellt.

Die BfA legte am 25. Januar 1994 Beschwerde ein. Die Beschwerdeschrift, in der das Datum der Zustellung des Beschlusses an die BfA angegeben ist, wurde der Ehefrau am 3. Februar 1994 zugestellt.

Am 11. Februar 1994 legte die Ehefrau ihrerseits Beschwerde ein, mit der sie begehrte, den Versorgungsausgleich unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1587 c BGB auszuschließen. Zugleich beantragte sie, ihr wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs trug sie vor, die Frist aufgrund eines ihr nicht zuzurechnenden Verschuldens einer sonst stets zuverlässigen Büroangestellten ihres Verfahrensbevollmächtigten versäumt zu haben:

Dessen Bürovorsteherin habe nach Zustellung des Beschlusses am 4. Januar 1994 eine Vorfrist auf den 26. Januar 1994 und eine Ablauffrist für den 2. Februar 1994 notiert. Am Tage der Vorfrist seien die Akten mit Vorfristvermerk dem Anwalt zur Bearbeitung vorgelegt worden; dieser habe die Bearbeitung jedoch zurückgestellt. Am 2. Februar 1994 habe die Bürovorsteherin die Akte beigezogen und festgestellt, daß die Beschwerdeschrift noch nicht gefertigt worden sei. Dies sei ihr nicht weiter problematisch erschienen, weil sie aufgrund ihrer beruflichen Kenntnisse gewußt habe, daß die Beschwerdefrist erst am 4. Februar 1994 ablaufe. Da sie wegen eines nach Dienstschluß um 14 Uhr wahrzunehmenden Arzttermins in Zeitnot gewesen sei, habe sie die Vorlage unterlassen und gegen die für derartige Fälle erteilte Weisung verstoßen, den Anwalt zu informieren und ihn zu fragen, ob der fristwahrende Schriftsatz noch zu fertigen sei oder die notierte Frist mit dem Vermerk "noch heute zum Gericht" auf den zutreffenden Ablauftermin 4. Februar 1994 "umgetragen" werden könne. Statt dessen habe sie die Akte an ihrem Arbeitsplatz beiseite gelegt, um das Erforderliche am folgenden Tag zu veranlassen. Wegen der am 3. Februar 1994 eingegangenen Beschwerdeschrift der BfA sei die Akte dann aber wieder in den Geschäftsgang gelangt; sie habe sie deshalb an diesem Tage nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz vorgefunden und sich auch nicht mehr an die noch unerledigte Frist erinnert. Da für diesen Tag im Fristenkalender keine Fristen notiert gewesen seien, sei an diesem Tage im Hinblick auf die Fristenüberwachung nichts zu veranlassen gewesen; die nicht gestrichene Frist vom Vortage habe sie dabei übersehen. Diese sei dem Anwalt erst am 8. Februar 1994 anläßlich einer Oberprüfung des Fristenkalenders aufgefallen.

Das Kammergericht änderte den angefochtenen Beschluß auf die Beschwerde der BfA ab, wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Ehefrau zurück und verwarf deren Beschwerde als unzulässig.

Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Ehefrau, mit der sie ihren Wiedereinsetzungsantrag und ihr Begehren, den Versorgungsausgleich auszuschließen, weiterverfolgt.

II.

Die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Kammergericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Ehefrau im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Deren Beschwerde ist aus den insoweit zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auch nicht als unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig.

1. Das Kammergericht sieht ein der Ehefrau nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten darin, daß dieser die Vorlage der Beschwerdeschrift der BfA am 3. Februar 1994 nicht zum Anlaß genommen habe, sich auch die Handakte vorlegen zu lassen und den Ablauf der Beschwerdefrist zu prüfen. Hierzu sei er verpflichtet gewesen, weil der kurzen und übersichtlichen Beschwerdeschrift der BfA zu entnehmen gewesen sei, daß dieser der Beschluß des Amtsgerichts am 5. Januar 1994 zugestellt worden sei. Da die Zustellung an die Verfahrensbeteiligten regelmäßig etwa zeitgleich erfolge, sei dies ein deutlicher Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Ablauf der Beschwerdefrist gewesen, dem der Anwalt um so mehr habe nachgehen müssen, als die Ehefrau ihm die Informationen, für deren Beschaffung die Beschwerdefrist habe ausgeschöpft werden sollen, zwei Tage zuvor habe zukommen lassen.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der Anwalt die Berechnung, Eintragung und Überwachung üblicher und rechtlich einfach zu ermittelnder Fristen seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen darf (vgl. BGHZ 43, 148, 154). Erst wenn ihm die Akten zur Vorbereitung einer fristwahrenden Prozeßhandlung vorgelegt werden, muß er den Fristablauf eigenverantwortlich nachprüfen und darf sich nicht auf die Fristberechnung des Büropersonals verlassen (vgl. Senatsbeschluß vom 15. Februar 1995 - XII ZB 11/95 - FamRZ 1995, 671, 672). Er genügt regelmäßig seiner Sorgfaltspflicht, wenn er die ihm selbst obliegende Prüfung des Fristablaufs vornimmt, sobald ihm die Sache zur Fertigung der Rechtsmittelschrift vorgelegt wird, dies allerdings unabhängig davon, ob er sich sogleich zur Bearbeitung der Sache entschließt oder nicht (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Januar 1997 - VI ZB 24/96 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 51 m.N.).

Die an die Sorgfalt des Anwalts zu stellenden Anforderungen würden hingegen überspannt, wollte man von ihm verlangen, den Fristablauf stets auch dann selbst zu prüfen, wenn ihm die Sache aus anderen Gründen vorgelegt wird (vgl. BGH, Beschluß vom 12. Juli 1983 - VI ZB 6/83 - VersR 1983, 988 f.) oder die angeforderte Gerichtsakte eingeht (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - FamRZ 1997, 813, 814). Auch für den Eingang von Informationen der eigenen Partei oder einer Rechtsmittelschrift eines weiteren Verfahrensbeteiligten gilt nichts anderes, und zwar selbst dann nicht, wenn sich daraus Anhaltspunkte für einen nahe bevorstehenden Ablauf der Frist zur Einlegung des eigenen Rechtsmittels ergeben können. Auch dann noch darf der Anwalt darauf vertrauen, daß ihm die Sache rechtzeitig aufgrund der im Fristenkalender notierten Fristen (erneut) vorgelegt wird.

2. Eine Wiedereinsetzung kommt indes aus anderen Gründen nicht in Betracht. Der Sachverhalt, den die Ehefrau zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, schließt ein ihr zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht aus.

Dem Vorbringen der Ehefrau, insbesondere dem Hinweis auf die "für solche Fälle geltende Weisung", ist zu entnehmen, daß in der Kanzlei ihres Verfahrensbevollmächtigten regelmäßig nicht der tatsächliche Ablauf der Frist, sondern der Tag als "Ablauffrist" eingetragen wird, an dem ein fristgebundener Schriftsatz bei normaler Postlaufzeit zur Post gegeben werden muß, um seinen rechtzeitigen Eingang bei Gericht zu gewährleisten.

Darin ist ein Organisationsverschulden des Anwalts zu sehen, das sich die Ehefrau ebenfalls zurechnen lassen muß.

Für eine ordnungsgemäße Fristenüberwachung ist es nämlich unerläßlich, daß das tatsächliche Ende der Frist notiert wird. Die Eintragung einer anderen Frist genügt diesem Erfordernis auch dann nicht, wenn sie - gleichsam als "Sicherheitszone" - vor dem eigentlichen Ablauf der Frist liegt; sie ist vielmehr lediglich als (hier: weitere) Vorfrist anzusehen. Andernfalls wäre etwa auch die Korrektur einer bei Herausgabe einer Rechtsmittelschrift eingetragenen vorläufigen Begründungsfrist anhand der Eingangsmitteilung des Gerichts (vgl. Senatsbeschluß vom 6. Oktober 1993 - XII ZB 122/93 - FamRZ 1994, 437) entbehrlich, weil auch sie jedenfalls vor dem tatsächlichen Ablauf der Frist liegt.

Den Gefahren, die mit der Eintragung einer vor dem tatsächlichen Ablauf liegenden Frist verbunden sind, kann auch durch die hier vorgetragenen Weisungen des Anwalts nicht hinreichend begegnet werden. Wie der vorliegende Fall zeigt, besteht die Gefahr, daß Fristen, die einen "Sicherheitszuschlag" enthalten, weniger streng beachtet werden als exakt berechnete Fristen, und zu nachlässiger Handhabung verleiten. Nur eine Fristenüberwachung am Tage des tatsächlichen Fristablaufs vermag endgültig und zuverlässig darüber Aufschluß zu geben, ob fristwahrende Maßnahmen noch erforderlich sind. Die bloße Notierung von Vorfristen vermag diese Sicherheit nicht zu bieten (vgl. Senatsbeschluß vom 21. Oktober 1987 - IVb ZB 158/87 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 6 = NJW 1988, 568). So ist auch hier davon auszugehen, daß die sonst zuverlässige Bürovorsteherin die Akte auch unter Zeitdruck nicht unerledigt für den folgenden Tag beiseite gelegt hätte, wenn die notierte Ablauffrist dem tatsächlichen Fristablauf entsprochen hätte.

c) Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob ein für die Fristversäumnis ursächliches Anwaltsverschulden auch deshalb nicht auszuschließen ist, weil die Ehefrau nicht vorgetragen hat, daß für die abendliche Ausgangskontrolle (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 1) angesichts des frühen Dienstschlusses der Bürovorsteherin um 14 Uhr eine zuverlässige Vertretungsregelung bestand (vgl. BGH, Beschluß vom 8. November 1988 - VI ZB 26/88 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 9). Wäre das Fristenbuch am Abend des 2. Februar 1994 von einer hierzu beauftragten anderen Bürokraft oder vom Anwalt selbst überprüft worden, wäre die für diesen Tag notierte und noch nicht gestrichene Frist rechtzeitig bemerkt worden, so daß die Frist hätte eingehalten werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993540

NJW-RR 1998, 1526

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