Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgewiesener Insolvenzantrag mangels Masse. Eigenantrag. Kosten vorläufiger Insolvenzverwalter. Unzureichendes Schuldnervermögen: Keine Ausfallhaftung der Staatskasse

 

Leitsatz (amtlich)

Wird auf einen Eigenantrag des Schuldners, dem die Verfahrenskosten nicht gestundet wurden, das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet und reicht das Schuldnervermögen nicht aus, um Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters zu decken, so haftet der Staat grundsätzlich nicht für den Ausfall.

 

Normenkette

InsO § 26 Abs. 1 S. 1, § 63; InsVV; InsO § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Passau (Beschluss vom 30.04.2003)

AG Passau

 

Nachgehend

AG Göttingen (Beschluss vom 05.05.2010; Aktenzeichen 74 IN 281/09)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Passau v. 30.4.2003 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert beträgt 4.560,73 EUR.

 

Gründe

I.

Auf Grund eines Eigenantrags der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts v. 17.9.2002 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet; die Antragstellerin wurde zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt und mit der Erstellung eines Insolvenzgutachtens beauftragt. Darin kam die Antragstellerin zu dem Ergebnis, dass ein die Kosten des Verfahrens deckendes, kurzfristig verfügbares Schuldnervermögen nicht zur Verfügung stehe. Mit Beschluß v. 4.12.2002 wies das Insolvenzgericht deshalb den Insolvenzantrag ab. Die Vergütung der Antragstellerin nebst Auslagen wurde antragsgemäß auf 5.457,77 EUR festgesetzt.

Unter Hinweis darauf, dass sich in dem verwalteten Vermögen lediglich ein Betrag von 897,04 EUR befunden habe, hat die vorläufige Insolvenzverwalterin beantragt, ihr den restlichen Betrag von 4.560,73 EUR aus der Staatskasse zu erstatten. Diesen Antrag hat das Insolvenzgericht zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

II.

Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 7 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO); sie hat indes keinen Erfolg. Wird auf einen Eigenantrag des Schuldners das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet (§ 26 Abs. 1 S. 1 InsO) und reicht das Schuldnervermögen nicht aus, um den Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters zu decken, so kommt eine Ausfallhaftung des Staates grundsätzlich nicht in Betracht.

1. Bereits unter der Geltung der Konkursordnung und der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats (VergVO) v. 25.5.1960 (BGBl. I S. 329) war umstritten, wer im Fall der Nichteröffnung des Konkurses mangels Masse Schuldner der Sequestervergütung ist und ob, falls sich der Anspruch gegen den Inhaber des sequestrierten Vermögens richtet, eine Ausfallhaftung der Staatskasse besteht (bejahend z. B. LG Mosbach v. 10.5.1983 - 1 T 33/83, ZIP 1983, 710 f.; LG Frankfurt/O v. 30.1.1995 - 16 T 444/94, ZIP 1995, 485, betr. GesO; LG Stuttgart v. 23.3.1995 - 10 T 123/95, ZIP 1995, 762 [763]; LG Mainz v. 26.2.1998 - 8 T 302/97, RPfleger 1998, 364; LG Offenburg v. 19.1.1999 - 4 T 148/98, ZIP 1999, 244 [245]; Eickmann, ZIP 1982, 21 f.; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 106 KO Anm. 4; verneinend z. B.: OLG Düsseldorf RPfleger 1955, 78; LG Saarbrücken JurBüro 1997, 148 f.; LG Göttingen v. 23.1.1997 - 6 T 265/96, Rpfleger 1997, 402 f.; Castendieck, KTS 1978, 9 [16]; Noack, KTS 1957, 73 [74]; Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 106 Rz. 14; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 106 Rz. 20b - 20d). Der BGH hat diese Frage nicht entschieden. Für die Vergütung des vorläufigen Vergleichsverwalters hat er eine Ausfallhaftung der Staatskasse allerdings verneint (BGH v. 5.2.1981 - III ZR 66/80, MDR 1981, 824 = NJW 1981, 1726 [1727]); auch für den Konkursverwalter ist er davon ausgegangen, dass diesen bei masselosem Konkurs ein Ausfallrisiko treffe (vgl. BGH v. 5.12.1991 - IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233 [241] = MDR 1992, 253).

2. Da die neue Insolvenzordnung und die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) v. 19.8.1998 (BGBl. I, 2205) diese Frage nicht regeln, hat sich der Meinungsstreit fortgesetzt (für eine Ausfallhaftung des Staates: Eickmann, InsVV, 2. Aufl., Vor § 1 Rz. 45 ff.; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 11 InsVV, 2003, S. 98 ff.; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 91 ff.; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl,. § 11 InsVV Rz. 21 ff.; Lorenz in FK-InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 35 f.; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 23; verneinend: LG Fulda NZI 2002, 61; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2000, Rz. 177; Kirchhof in HK-InsO, 3. Aufl., § 22 Rz. 90; Pape in Kübler/Prütting, InsO, § 26 Rz. 37; Schmerbach in FK-InsO, § 26 Rz. 70; Smid/Thiemann, InsO, 2. Aufl., § 22 Rz. 134; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 22 Rz. 238; eher verneinend auch OLG Celle ZInsO 2000, 223 [224] und - allerdings mit verfassungsrechtlichen Bedenken - Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 11 InsVV Rz. 54; sowie Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 22 Rz. 255 ff.).

Der BGH war mit dieser Frage bisher nicht befasst. Er hat (insofern BGHZ 116, 233, 241 folgend) lediglich ausgesprochen, dass der Insolvenzverwalter hinsichtlich seiner Vergütung bei einer vermögensarmen Insolvenzmasse leer ausgehen könne (BGH v. 1.10.2002 - IX ZB 53/02, MDR 2003, 174 = BGHReport 2003, 204 = WM 2002, 2476 [20477]).

3. Der BGH schließt sich nunmehr der Auffassung an, die eine Ausfallhaftung des Staates verneint.

a) Dies entspricht den Absichten des Gesetz- und Verordnungsgebers. Der Bundesrat hat im Hinblick auf § 30 Abs. 1 S. 1 RegE-InsO (jetzt § 26 Abs. 1 S. 1 InsO) darum gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob es näherer gesetzlicher Regelung bedürfe, wer bei Abweisung eines Eröffnungsantrags mangels Masse die entstandenen Verfahrenskosten zu tragen habe. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter bei einem Eigenantrag des Schuldners und nicht kostendeckender Masse Gefahr laufe, hinsichtlich seiner Vergütung und seiner Auslagen leer auszugehen. Dies sei unbillig und solle ihm nicht zugemutet werden (BT-Drucks. 12/2443, 249). Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung dieses Ansinnen ausdrücklich abgelehnt (BT-Drucks. 12/2443, 262). Sie hat ausgeführt, den vorläufigen Insolvenzverwalter treffe ein begrenztes Ausfallrisiko. Dies sei gerechtfertigt, weil er darauf achten müsse, nicht zu Lasten der übrigen Beteiligten weiterzuwirtschaften, wenn eine Abweisung mangels Masse geboten sei. Das Anliegen des Bundesrats ist daraufhin im Gesetzgebungsverfahren nicht weiterverfolgt worden.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat der Gesetzgeber seine Auffassung auch später nicht geändert.

Allerdings gewährt nunmehr § 63 Abs. 2 InsO i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze v. 26.10.2001 (BGBl., 2710) dem Insolvenzverwalter, falls die Kosten des Verfahrens nach § 4a InsO gestundet sind, für seine Vergütung und seine Auslagen einen Anspruch gegen die Staatskasse, soweit die Insolvenzmasse nicht ausreicht. Die amtliche Begründung (BT-Drucks. 14/5680, 26) dazu lautet:

"Die Stundung der Gerichtskosten allein ist nicht ausreichend, um bei Massearmut ein Insolvenzverfahren durchführen zu können. Vielmehr muss auch dafür Sorge getragen werden, dass in diesem Verfahren tätige Personen, also insbesondere der vorläufige Insolvenzverwalter, der Insolvenzverwalter und der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren, einen werthaltigen Anspruch auf ihre Vergütung erhalten. ... Insofern besteht eine gewisse Parallele zu § 1836a BGB. Nach Ablauf der Stundungsfrist kann die Staatskasse die verauslagten Beträge bei dem Schuldner geltend machen, da in Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz unter Nr. 9017 hierfür ein neuer Auslagentatbestand geschaffen wird."

Dass der Gesetzgeber nunmehr außerhalb der Stundungsfälle eine werthaltige Absicherung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters durch eine Subsidiärhaftung des Staates für angemessen und zur Durchführung von Insolvenzverfahren trotz Massearmut für erforderlich hält, ergibt sich daraus nicht. Vielmehr ist die Vorschrift als Ausnahmebestimmung (vgl. in der amtlichen Begründung: "Insofern ...") konzipiert (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 22 InsO Rz. 238). Es sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das Insolvenzgericht trotz unzureichender Masse das Verfahren deshalb eröffnet, weil dem Schuldner die Verfahrenskosten nach § 4a InsO gestundet worden sind (so auch Lorenz in FK-InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 38). Zu den Verfahrenskosten gehören auch die Vergütungen und Auslagen des - vorläufigen wie auch endgültigen - Insolvenzverwalters (§ 54 Nr. 2 InsO). Die Stundung darf jedoch nicht zu dessen Lasten gehen. Beantragt der Schuldner als natürliche Person keine Stundung oder wird diese versagt oder handelt es sich um eine juristische Person, liegt das volle Kostenerstattungsrisiko auch nach der gesetzlichen Neuregelung beim Insolvenzverwalter (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 63 InsO Rz. 31). Wenn der Gesetzgeber dieses Ergebnis hätte vermeiden wollen, hätte er § 63 Abs. 2 InsO nicht auf den Anwendungsbereich des § 4a InsO beschränkt.

c) Da eine ungewollte Gesetzeslücke somit nicht vorliegt, begegnet ihre Schließung im Wege einer Analogie von vornherein Bedenken. Im Übrigen fehlen Normen, an die hierfür angeknüpft werden könnte.

aa) Die Vorschrift des § 50 GKG ist im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil diese Bestimmung nur die Zahlungspflicht von Verfahrensbeteiligten gegenüber dem Fiskus regelt, nicht eine solche des Fiskus gegenüber Verfahrensbeteiligten (ebenso Eickmann, InsVV, 2. Aufl., Vor § 1 Rz. 45; Haarmeyer in MünchKomm/InsO, § 26 Rz. 36; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 92; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl,. § 11 InsVV Rz. 23).

bb) Die Auslagentatbestände des Kostenverzeichnisses (Teil 9) gewähren keinen Anspruch, sondern setzen diesen voraus. Der Anspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Vergütung und Auslagenersatz fällt unter Nr. 9017 KV nur dann, wenn eine Stundung nach § 4a InsO vorausgegangen ist. In diesem Falle ergibt sich der Anspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters aus § 63 Abs. 2 InsO. Fehlt es an einer Stundung, so gibt es auch keinen Anspruch; dieser Mangel kann nicht durch eine "Analogie zu Nr. 9007 KV" überspielt werden (OLG Celle ZInsO 2000, 223 [224]; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2000, Rz. 177 Fn. 484; Kirchhof in HK-InsO, § 22 Rz. 91; a. A. LG Stuttgart v. 23.3.1995 - 10 T 123/95, ZIP 1995, 762 [764]; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 11 InsVV, 2003, S. 100; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 94).

cc) Eine Analogie zu den §§ 675, 612, 632 BGB (dies erwägen - im Anschluss an LG Mosbach v. 10.5.1983 - 1 T 33/83, ZIP 1983, 710; LG Kassel ZIP 1985, 170; LG Frankfurt RPfleger 1986, 496 Anmerkung der Redaktion: offensichtliches Fehlzitat; LG Offenburg v. 19.1.1999 - 4 T 148/98, ZIP 1999, 244 [245]; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 92; Lorenz in FK-InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 36; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 23) liegt fern, weil der vorläufige Insolvenzverwalter zwar vom Insolvenzgericht bestellt wird, jedoch für den Staat weder Dienste noch Werkleistungen erbringt.

dd) Für die entsprechende Anwendung der § 1835a Abs. 3 Halbs. 1, § 1836a BGB (dafür plädieren Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl,. § 11 InsVV Rz. 26 sowie - alternativ zur analogen Anwendung der §§ 675, 612, 632 BGB - Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 92; Lorenz in FK-InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 36; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 23) könnte zwar sprechen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter - ähnlich wie der Vormund - eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahrnimmt. Dies trifft jedoch mindestens im gleichen Maße auch für den endgültigen Insolvenzverwalter zu (vgl. für den Konkursverwalter BGH v. 5.12.1991 - IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233 [238] = MDR 1992, 253), ohne dass bisher jemand ernsthaft erwogen hat, ihm sein Ausfallrisiko durch eine Subsidiärhaftung des Staates abzunehmen (darauf weist LG Göttingen v. 23.1.1997 - 6 T 265/96, RPfleger 1997, 402 zutreffend hin).

d) Der dargestellte Rechtszustand ist nicht verfassungswidrig.

aa) Allerdings gehört zur Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) auch die Freiheit, eine angemessene Vergütung zu fordern (BVerfG v. 1.7.1980 - 1 BvR 349/75, 1 BvR 378/76, BVerfGE 54, 251 [271] = MDR 1980, 995; v. 30.3.1993 - 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, MDR 1993, 753 = ZIP 1993, 838 [841]). Gesetzliche Regelungen, die eine Gebührenbegrenzung - oder gar einen Gebührenausfall - bei freiberuflich Tätigen vorsehen, sind verfassungsrechtlich nur dann nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die finanziellen Folgen für die in Anspruch genommenen Berufstätigen in Rechnung stellt (vgl. BVerfG v. 17.10.1990 - 1 BvR 283/85, BVerfGE 83, 1 [16]; v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz I, 4. Aufl., Art. 12 Rz. 173). Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit muss durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (BVerfG v. 17.10.1990 - 1 BvR 283/85, BVerfGE 83, 1 [16]). Führt die in einer Verordnung getroffene Vergütungsregelung zu unangemessenen Folgen, sind die Gerichte nicht daran gebunden (BVerfG v. 9.2.1989 - 1 BvR 1165/87, ZIP 1989, 382 [383]; BGH v. 12.12.2002 - IX ZB 39/02, BGHZ 152, 18 [25]).

Der Staat nimmt die Insolvenzverwalter im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in Anspruch. Sie werden von ihm von Fall zu Fall bestellt und sollen nach dem gesetzlich geregelten Anforderungsprofil durch besondere Geschäftskunde qualifiziert sein (§ 56 Abs. 1 InsO). Die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erfordert einen erheblichen zeitlichen Aufwand und ist mit nicht unbeträchtlichen Haftungsrisiken verbunden. Da sie als Freiberufler von dem Ertrag dieser Tätigkeit leben, darf ihnen eine angemessene Vergütung nicht vorenthalten werden.

bb) Es ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Tätigkeit eines - hier: vorläufigen - Insolvenzverwalters in jedem konkreten Einzelfall angemessen zu vergüten. Vielmehr reicht es aus, dass die Einkünfte aus ihrer Tätigkeit insgesamt auskömmlich sind. Das BVerfG hat es zwar abgelehnt, einen wesentlichen Teil der beruflichen Inanspruchnahme von Berufsvormündern nur deshalb gänzlich unvergütet zu lassen, weil die Übernahme anderweitiger Vormundschaften zu einem wirtschaftlichen Ausgleich führt (BVerfG v. 1.7.1980 - 1 BvR 349/75, 1 BvR 378/76, BVerfGE 54, 251 [272 f.] = MDR 1980, 995). Andererseits hat es jedoch ausgesprochen, dass Rechtsanwaltsgebühren nicht dem Wert der anwaltlichen Leistung im Einzelfall entsprechen müssen; sie müssen nur so bemessen sein, dass der Rechtsanwalt aus seinem Gebührenaufkommen insgesamt - nach einer Mischkalkulation - sowohl seinen Kostenaufwand als auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann (BVerfG v. 9.5.1989 - 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103 [109]; v. 12.2.1992 - 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337 [349] = MDR 1992, 713; v. 28.1.2003 - 1 BvR 487/01, MDR 2003, 353 = NJW 2003, 737 [738]).

Wenn einem vorläufigen Insolvenzverwalter hinsichtlich seiner Ansprüche auf Vergütung und Auslagenersatz ein Ausfallrisiko zugemutet wird, bleibt kein "wesentlicher Teil seiner beruflichen Inanspruchnahme" unvergütet. Das Ausfallrisiko ist in den Fällen gering, in denen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. In diesem Falle gehört die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu den Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 Nr. 2 InsO. Sie ist deshalb aus der Masse voll zu bezahlen; bei Masseunzulänglichkeit ist sie mit den übrigen Kosten erstrangig zu berichtigen (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten deckenden Masse abgelehnt, droht die Gefahr, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seinen Anspruch wegen der Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens nicht realisieren kann, lediglich in zwei Fällen: wenn der Schuldner den Antrag gestellt hat, ihm die Verfahrenskosten jedoch nicht gestundet worden sind, und wenn der Gläubiger den Antrag gestellt hat. Eine Zweithaftung des Gläubigers für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, die dessen Ausfallrisiko weiter verringern würde, kommt nicht in Betracht (OLG Celle ZInsO 2000, 223; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl,. § 11 InsVV Rz. 21; Kirchhof in HK-InsO, § 22 Rz. 91; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2000, Rz. 177; Lorenz in FK-InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 35; Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 22 Rz. 255, § 26 InsO Rz. 54; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 22; Smid/Thiemann, InsO, 2. Aufl., § 22 Rz. 134; a. A. LG Münster v. 18.1.1990 - 5 T 1189/89, MDR 1990, 453 = ZIP 1990, 807; LG Mainz NZI 1998, 131 f.; Graeber, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 11 InsVV, 2003, S. 99), weil die Vergütung nicht zu den nach § 50 Abs. 1 Satz 2 GKG erstattungsfähigen Auslagen gehört (BT-Drucks. 12/3803, 72).

Eine weitere Verminderung des Risikos folgt aus der Verpflichtung des Insolvenzgerichts, bei erkennbarer Masseunzulänglichkeit von der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung von vornherein abzusehen und statt dessen lediglich einen Gutachtenauftrag zu erteilen (Pape in Kübler/Prütting, § 26 InsO Rz. 37). Falls das Insolvenzgericht durch Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung trotz erkennbarer Masseunzulänglichkeit einen Ausfall des vorläufigen Insolvenzverwalters verursacht hat, kann dies eine Amtshaftung begründen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 93; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl,. § 11 InsVV Rz. 27; Pape in Kübler/Prütting, § 26 InsO Rz. 38).

Schließlich trägt auch die Vorschrift des § 25 Abs. 2 S. 1 InsO zu einer Risikominimierung bei. Danach hat der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, vor der Aufhebung seiner Bestellung aus dem von ihm verwalteten Vermögen die entstandenen Kosten zu berichtigen. Dem entspricht die Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters, seine Vergütung und Auslagen aus dem verwalteten Vermögen zu entnehmen, bevor der Eröffnungsantrag abgelehnt wird (Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 90; Lorenz in FK-InsO, 3. Aufl., § 11 InsVV Rz. 35; Nowak in MünchKomm/InsO, § 11 InsVV Rz. 22). Den Zeitpunkt der Ablehnung kann er beeinflussen (vgl. unten ee).

cc) Falls gleichwohl ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit anzunehmen wäre, würde dieser - wie sich aus den Ausführungen zu bb ergibt - die Erheblichkeitsschwelle nicht überschreiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zugleich zum Gutachter bestellt worden ist, der das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes prüfen soll (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO). Für dieses Gutachten wird er in jedem Fall aus der Staatskasse entlohnt (§§ 3, 8, 15, 16 ZSEG). Das BVerfG hat für diesen Fall verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Belastung eines Sequesters mit dem Risiko eines Ausfalls seiner Vergütung nicht geäußert (BVerfG v. 9.11.1981 - 1 BvR 969/81, KTS 1982, 221; vgl. ferner LG Göttingen v. 23.1.1997 - 6 T 265/96, RPfleger 1997, 402 [403]; LG Fulda NZI 2002, 61; Eickmann, InsVV, 2. Aufl., Vor § 1 Rz. 48; Mönning, in Nerlich/Römermann, InsO, § 22 Rz. 257, § 26 InsO Rz. 54).

dd) Jedenfalls wäre dieser Eingriff durch das in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Anliegen gerechtfertigt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter dadurch angehalten werden soll, nicht zu Lasten der übrigen Beteiligten weiterzuwirtschaften, wenn eine Abweisung mangels Masse geboten ist (BT-Drucks. 12/2443, 262). Dabei handelt es sich um einen Gemeinwohlbelang von Gewicht. Wenn eine Ausfallhaftung des Staates für die Vergütung und die Aufwendungen des vorläufigen Verwalters bestünde, könnte nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich - zum Nachteil des Steuerzahlers - in hoffnungslosen Fällen ein ungerechtfertigter Aufwand getrieben und das Eröffnungsverfahren in die Länge gezogen wird. Der Eingriff wäre geeignet, dies zu verhindern, und er wäre zugleich erforderlich. Ein weniger einschneidendes Mittel zur zuverlässigen Erreichung des angegebenen Zwecks stünde nicht zur Verfügung. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter darüber zu streiten, welche Dauer des Eröffnungsverfahrens und welche der in diesem Rahmen getroffenen Maßnahmen er aus seiner Sicht für erforderlich halten durfte, verspricht wenig Erfolg.

ee) Der Eingriff wäre auch nicht unverhältnismäßig. Es stehen nicht nur dem Insolvenzgericht (vgl. oben bb) sondern auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter Mittel zu Gebote, um das Risiko eines Ausfalls zu verringern. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt und verpflichtet, seine Tätigkeit gar nicht erst aufzunehmen oder jedenfalls sofort einzustellen, wenn er erkennt, dass nicht einmal die Kosten der vorläufigen Verwaltung gedeckt sind (LG Göttingen v. 23.1.1997 - 6 T 265/96, RPfleger 1997, 402; Mönning, in Nerlich/Römermann, InsO, § 26 InsO Rz. 54; Pape in Kübler/Prütting, § 26 InsO Rz. 37). Gerade in den Fällen, in denen er zugleich als Gutachter die vorhandene Vermögensmasse feststellen muss, wird er sehr schnell diese Kenntnis erhalten. Ein weiteres Instrument, um das Ausfallrisiko in Grenzen zu halten, ist die rechtzeitige Entnahme von Vorschüssen (Keller, DZWIR 2003, 101 [102]; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 90; vgl. ferner BVerfG, Beschl. v. 14.10.2003 - 1 BvR 538/02). Wenn die äußeren Umstände auf den ersten Blick eine Masseinsuffizienz befürchten lassen, kann der vorläufige Insolvenzverwalter die Aufnahme seiner Tätigkeit von einem Vorschuss abhängig machen.

III.

Ob ausnahmsweise eine Haftung des Staates für die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters insoweit gerechtfertigt ist, als diesem nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 3 InsO die Zustellungen übertragen wurden, die sonst dem Insolvenzgericht obliegen und unter den Begriff der erstattungsfähigen Auslagen nach dem Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz fallen (so Blersch, in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 11 Rz. 59), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

 

Fundstellen

BGHZ 2004, 370

BB 2004, 735

DB 2004, 2101

NJW 2004, 1957

BGHR 2004, 781

EBE/BGH 2004, 4

EWiR 2004, 609

WM 2004, 698

WuB 2004, 437

ZIP 2004, 571

DZWir 2004, 418

InVo 2004, 320

MDR 2004, 652

NZI 2004, 245

ZInsO 2004, 336

ZVI 2004, 200

LMK 2004, 149

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