Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung der Erben eines verstorbenen LPG-Mitgliedes

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Die auf Auszahlung des Inventarbeitrages gerichteten Ansprüche der Erben von LPG-Mitgliedern, die vor dem 16.3.1990 gestorben waren, sind im Verhältnis 1:1 zu erfüllen.
  2. § 45 VI LPG-Gesetz i. d. F. des Gesetzes vom 6.3.1990 (GBL I, 133) hat keine (echte) Rückwirkung entfaltet.
 

Normenkette

LwAnpG a.F. § 49 Abs. 1; LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluß des Kreisgerichts - Landwirtschaftsgericht - Bautzen vom 9. September 1992 aufgehoben.

Der Zahlungsantrag wird in Höhe von 56.460 DM zurückgewiesen. Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landwirtschaftsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Erben nach der am 26. März 1980 verstorbenen Irene F. (Erblasserin). Diese war Alleinerbin des am 5. Mai 1971 verstorbenen Reinhold F. der einen landwirtschaftlichen Betrieb in die Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 3 eingebracht hatte.

Die Beteiligte zu 1 war selbst auch Mitglied dieser LPG. Sie hat die Mitgliedschaft mit Schreiben vom 11. September 1990 gekündigt. Die Beteiligte zu 2 war Mitglied einer anderen LPG.

Am 19. September 1990 faßte die Mitgliederversammlung der LPG den Beschluß, die Genossenschaft in die Beteiligte zu 3 umzuwandeln.

Mit Schreiben vom 27. April 1992 bot die Beteiligte zu 3 den Beteiligten zu 1 und 2 eine Abfindung in Höhe des geleisteten Inventarbeitrages (17.680 DM) nebst 4 % Zinsen ab 1. November 1980 (1.060,80 DM) sowie eines fiktiven Aktienanteils im Nennwert von 1.108 Aktien à 50 DM (55.400 DM) an. Der Gesamtbetrag von 74.140,80 DM sollte zinsfrei in fünf Jahresraten bis 31. Dezember 1996 zahlbar sein.

Mit Schreiben vom 4. Juni 1992 nahmen die Beteiligten zu 1 und 2 das Angebot der Höhe nach an, erklärten sich jedoch mit der vorgeschlagenen Zahlungsweise nicht einverstanden. Die Beteiligte zu 3 bestand weiter auf Ratenzahlungen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt, die Beteiligte zu 3 zu verurteilen, an sie 74.140 DM zu zahlen.

Das Landwirtschaftsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde.

II.

Das Landwirtschaftsgericht meint, der geltend gemachte Anspruch sei als Abfindung gemäß § 49 Abs. 1 LwAnpG a.F. fällig. Die Beteiligte zu 3 könne Ratenzahlungen nicht verlangen, weil § 49 Abs. 3 LwAnpG n.F. keine Anwendung finde. Dies hält der rechtlichen Prüfung nur zum Teil stand.

III.

1.

Ein vertraglicher Zahlungsanspruch steht den Beteiligten zu 1 und 2 nicht zu, weil eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist. Die anderslautende Feststellung in dem angefochtenen Beschluß ist Verfahrensfehlerhaft getroffen, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt. Sie berücksichtigt nicht ausreichend den Schriftwechsel der Parteien. Danach haben diese sich nicht über die Zahlungsweise der Abfindungssumme einigen können, auf die sich nach dem Willen der Beteiligten zu 3 die Vereinbarung erstrecken sollte (§ 154 Abs. 1 BGB). Die mit Schreiben der Beteiligten zu 1 auch in Vollmacht der Beteiligten zu 2 erklärte Annahme des Vertragsangebotes der Beteiligten zu 3 unter Ausklammerung der von der Beteiligten zu 3 angebotenen Zahlungsmodalitäten gilt insoweit als Ablehnung des Angebots (§ 150 Abs. 2 BGB). Die hierauf mit Schreiben der Beteiligten zu 3 vom 15. Juni 1992 erfolgte Bestätigung der Verständigung über die Höhe der Abfindungssumme ist nicht bindend, weil die Zahlungsweise für die Beteiligte zu 3 aus Liquiditätsgründen von erheblicher Bedeutung war und sie sich deswegen nicht ohne Vereinbarung einer für sie tragbaren Zahlungsweise binden wollte (§ 154 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zu einer entsprechenden Auslegung der Schriftstücke ist das Rechtsbeschwerdegericht selbst befugt, weil insoweit weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. BGHZ 65, 107, 112 für die Revision).

2.

Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch steht den Beteiligten zu 1 und 2 nur als Erben der Irene F. zu. Denn das Landwirtschaftsgericht geht erkennbar davon aus, daß diese den Betrieb ihres verstorbenen Ehemannes wieder in die LPG eingebracht hat (§ 24 Abs. 2 LPG-Gesetz vom 3. Juni 1959, GBl I, S. 577). Soweit die Beteiligte zu 1 darüber hinaus selbst Mitglied der LPG war, hat sie einen ihr daraus erwachsenen Abfindungsanspruch nicht geltend gemacht.

Als Erben können die Beteiligten zu 1 und 2 gemäß §§ 51 a Abs. 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG n.F. nur eine Abfindung in Höhe des Wertes der Inventarbeiträge beanspruchen, welche die Erblasserin in Form von Sach- oder Geldleistungen erbracht hat. Dieser Anspruch ist im Verhältnis 1: 1 auszuzahlen, weil er erst durch das Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 3. Juli 1991 (BGBl I, S. 1410), d.h. nach Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990, begründet wurde (vgl. § 16 Abs. 1 DMBilG; Schweizer, DtZ 1991, 279, 281). Zwar hat bereits das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des LPG-Gesetzes vom 6. März 1990 (GBl. I S. 133), in Kraft getreten am 16. März 1990, durch die Einfügung des § 45 Abs. 6 LPG-Gesetz bestimmt, daß Pflichtinventarbeiträge, die bis dahin zum unverteilbaren genossenschaftlichen Fonds gehörten, nach dem Tod eines Genossenschaftsbauern zurückzuzahlen sind, wenn die Erben nicht LPG-Mitglieder sind oder werden. Dieses Gesetz hat jedoch keine (echte) Rückwirkung entfaltet, weil es - anders als § 51 a Abs. 1 (vgl. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 23/92, WM 1993, 466) und Abs. 2 LwAnpG n.F. den Beginn seines zeitlichen Anwendungsbereichs weder ausdrücklich noch sinngemäß auf einen Zeitpunkt festgelegt hat, der vor seinem Inkrafttreten am 16. März 1990 liegt. § 45 Abs. 6 LPG-Gesetz findet daher in denjenigen Fällen, in denen der Erbfall - wie hier - vor dem 16. März 1990 eingetreten ist (a.A.: Arlt/Schramm in: Vermögen in der ehemaligen DDR, LwAnpG Rdn. 294; offenbar auch Schweizer, DtZ 1991, 279, 281).

Unter der Voraussetzung, daß ein entsprechendes anteiliges Eigenkapital vorhanden ist, steht den Beteiligten zu 1 und 2 folglich nur eine Forderung in Höhe des Inventarbeitrages von unstreitig 17.680 DM zu. Dieser Anspruch ist gemäß §§ 51 a Abs. 2 Satz 3, 49 Abs. 2 Satz 1 LwAnpG n.F. nach Feststellung der Jahresbilanz fällig geworden und gemäß § 51 a Abs. 2 Satz 2 LwAnpG n.F. in fünf gleichen Jahresraten zu erfüllen. Maßgeblich ist das anteilige Eigenkapital in der Jahresbilanz für das Jahr, in dem die Forderung geltend gemacht worden ist (§ 51 a Abs. 3 Satz 2 LwAnpG n.F.).

Die durch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz n.F. erfolgte Einordnung der Inventarbeiträge als Anteil am Eigenkapital ist aus verfassungsrechtlichen Gründen ebensowenig zu beanstanden wie die rückwirkende Fälligkeits- und Tilgungsregelung in § 51 a Abs. 2 LwAnpG n.F. (Schweizer, Das Recht der landwirtschaftlichen Betriebe nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, 1992, S. 154). Sie dient der Erhaltung des Betriebes bzw. des Nachfolgeunternehmens sowie seiner Liquidität.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben. Soweit die Beteiligten zu 1 und 2 eine Verzinsung des Inventarbeitrages in Höhe von 1.060 DM sowie die Auszahlung eines fiktiven Aktienanteils in Höhe von 55.400 DM beanspruchen, ist ihr Antrag zurückzuweisen. Im übrigen ist die Sache zwecks weiterer Feststellungen zum Leistungsvermögen der Beteiligten zu 3 und zur Fälligkeit des Abfindungsanspruchs nach §§ 51 a Abs. 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG n.F. an das Landwirtschaftsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Hagen

Vogt

Wenzel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456425

ZIP 1993, 871

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