Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung ungültigen Eigentümerbeschlusses ohne persönliche Nachteile. Befugnis zur Rechtsbeschwerde der Wohnungseigentümer. Verwalterentlastung. Widerspruch zur ordnungsgemäßen Verwaltung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Wohnungseigentümer, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG entgegentreten, sind hinsichtlich einer gerichtlichen Entscheidung, mit der der Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt worden ist, auch dann zur Beschwerde bzw. Rechtsbeschwerde befugt, wenn sie durch die gerichtliche Entscheidung keine persönlichen Nachteile erleiden.

Ein Eigentümerbeschluss, mit dem einem Verwalter Entlastung erteilt wird, steht nicht grundsätzlich im Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung, sondern erst dann, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten.

 

Normenkette

WEG § 45 Abs. 1; FGG § 20 Abs. 1; WEG § 21 Abs. 4

 

Verfahrensgang

BayObLG

LG München I

AG München

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des LG München I v. 22.7.2002 wird, soweit über sie nicht durch den Beschluss des BayObLG v. 13.3.2003 entschieden ist, zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen 82 % der Antragsteller zu 1, 2 % der Antragsteller zu 2) sowie 16 % die Antragsgegner. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 112.500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer und die Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage, die nach der Teilungserklärung als Studentenwohnheim zu nutzen ist.

Nachdem ein inhaltsgleicher Beschl. v. 8.7.1999 rechtskräftig für ungültig erklärt worden war, wurde in der Eigentümerversammlung am 6.7.2000 mit den Stimmen aller anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt 5 beschlossen, die Verwalterin für das Wirtschaftsjahr 1998 zu entlasten. In gleicher Weise wurde außerdem zu Tagesordnungspunkt 8 der Beschluss über die Entlastung der Verwalterin für das Wirtschaftsjahr 1999 gefasst. Die Antragsteller waren zu der Eigentümerversammlung am 6.7.2000 weder erschienen noch vertreten.

Während der Antragsteller zu 2 nur den zu einem anderen Tagesordnungspunkt gefassten Beschluss angefochten hat, wendet sich der Antragsteller zu 1) u. a. gegen die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 5 und 8. Nach Zurückweisung sämtlicher Anträge durch das AG hat das LG neben weiteren auch die Eigentümerbeschlüsse über die Entlastung der Verwalterin für ungültig erklärt.

Das BayObLG, das über die weiter gehenden Rechtsmittel der Beteiligten entschieden hat, möchte die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen die Ungültigerklärung der Entlastungsbeschlüsse als unzulässig verwerfen. Es sieht sich hieran jedoch durch den Beschluss des OLG Schleswig v. 23.1.2002 (ZMR 2002, 382) gehindert und hat insoweit die Sache durch Beschl. v. 13.3.2003 (BayObLG, Beschl. v. 13.3.2003 - BayObLGZ 2003, 53 = ZWE 2003, 195 = WuM 2003, 294 = FGPrax 2003, 119 = NZM 2003, 487) dem BGH vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG i. V. m. § 28 Abs. 2 FGG).

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass das Rechtsmittel der Antragsgegner mangels Beschwerdeberechtigung unzulässig sei. Da der Entlastungsbeschluss ein negatives Schuldanerkenntnis der Wohnungseigentümer enthalte, seien sie bei Ungültigerklärung des Entlastungsbeschlusses wegen des Entfallens der damit verbundenen nachteiligen Folgen nicht beschwert. Demgegenüber hat das OLG Schleswig (ZMR 2002, 382 [383]) die Zulässigkeit einer weiteren Beschwerde der Wohnungseigentümer gegen eine Entscheidung bejaht, mit der ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters für ungültig erklärt worden war. Auch das OLG Köln (NZM 1998, 877 [878]) ist in einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung davon ausgegangen, dass das Rechtsmittel der Wohnungseigentümer gegen die Ungültigerklärung eines Entlastungsbeschlusses zulässig ist. Die Divergenz beider Auffassungen rechtfertigt die Vorlage.

III.

Soweit der Senat auf Grund der zulässigen Vorlage als Rechtsbeschwerdegericht über die sofortige weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) zu entscheiden hat, ist das Rechtsmittel zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, §§ 27, 29 FGG), bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts scheitert die Zulässigkeit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde nicht an der fehlenden Beschwerdeberechtigung der Antragsgegner (so auch Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 45 Rz. 15; Köhler, ZMR 1999, 293 [300]; Rühlicke, ZWE 2003, 200 [201]; a. A. KG v. 25.2.1998 - 24 W 8414/97, KGReport Berlin 1998, 207 = NJW-RR 1998, 1021; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rz. 16).

a) Da das Wohnungseigentumsgesetz keine eigenständige Regelung der Beschwerdeberechtigung enthält, ist nach § 43 Abs. 1 S. 1 WEG insoweit § 20 FGG maßgebend (BGH v. 10.12.1992 - V ZB 3/92, BGHZ 120, 396 [398] = MDR, 1993, 1241). Diese Vorschrift findet über § 29 Abs. 4 FGG auch für die Berechtigung zur weiteren Beschwerde Anwendung (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rz. 77; Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., § 45 WEG Rz. 33; auch BGH, Beschl. v. 20.2.1991 - XII ZB 163/88, NJW-RR 1991, 962). Nachdem auch im Verfahren der - von den Antragstellern eingelegten - Erstbeschwerde kein Antrag der Antragsgegner verworfen oder zurückgewiesen worden ist, kommt für sie eine Beschwerdeberechtigung allein nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 FGG in Betracht. Entscheidend ist danach, dass die Antragsgegner materiell beschwert sind (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rz. 14), die angefochtene Entscheidung also materielle subjektive Rechte der Wohnungseigentümer unmittelbar beeinträchtigt (vgl. Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., § 45 WEG Rz. 13; auch BGH BGHZ 48, 147 [155]; Beschl. v. 18.'4.1996 - BLw 43/95, LM § 9 LwVG Nr. 27).

b) Hiervon geht im Ansatz auch das vorlegende Gericht aus. Es legt jedoch - wie bereits zuvor das KG (KG v. 25.2.1998 - 24 W 8414/97, KGReport Berlin 1998, 207 = NJW-RR 1998, 1021) - seiner Auffassung für das vorliegende Beschlussanfechtungsverfahren ein zu enges Verständnis von den Rechten der Wohnungseigentümer zugrunde.

aa) Im Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Wohnungseigentümer im Regelfall nicht zu prüfen. Da das Anfechtungsrecht nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz dient, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung, genügt für die Anfechtung grundsätzlich das Interesse eines Wohnungseigentümers, eine ordnungsmäßige Verwaltung zu erreichen (BayObLG, ZfIR 1999, 194 [195] m. w. N.; OLG Frankfurt v. 28.8.1980 - 20 W 351/80, OLGZ 1981, 154 [155]). Es ist demnach nicht erforderlich, dass der anfechtende Wohnungseigentümer durch den Beschluss persönlich betroffen ist oder sonst Nachteile erleidet (Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., Vorbem. §§ 43 ff. WEG Rz. 64; Suilmann, Das Beschlussmängelverfahren im Wohnungseigentumsrecht, 1998, S. 114).

bb) Nichts anderes kann aber auch für die Wohnungseigentümer gelten, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG entgegentreten. Auch ihr Anliegen ist die ordnungsmäßige Verwaltung; denn nach ihrer Einschätzung trägt der angefochtene Beschluss diesem Grundsatz Rechnung, so dass es gilt, eine Ungültigerklärung im gerichtlichen Verfahren zu verhindern. Die Wohnungseigentümer auf der Antragsgegnerseite des Beschlussanfechtungsverfahrens können mithin für sich ebenfalls das berechtigte und schutzwürdige Interesse an einer ordnungsmäßigen Verwaltung in Anspruch nehmen. Hieraus folgt ihre Beschwerdeberechtigung, wenn sie das Ziel einer ordnungsmäßigen Verwaltung (ähnlich OLG Köln, NZM 1998, 877, 878 "Recht auf mehrheitliche Regelung"; OLG Schleswig ZMR 2002, 382 [383] "Recht auf eigenständige Verwaltung") durch die Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung verfolgen, durch die ein Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt worden ist (so im Ergebnis auch Rühlicke, ZWE 2003, 200 [201], der an die Mitgliedschaftsrechte anknüpft, damit aber die Beschwerdeberechtigung der nicht zustimmenden, nicht anfechtenden Wohnungseigentümer schwerlich erklären kann). Anderes wäre zudem unvereinbar mit dem Grundsatz einer "fairen Balance zwischen den Parteien" ("prozessuale Waffengleichheit", vgl. EuGHMR v. 27.10.1993 - 37/1992/382/460, NJW 1995, 1413; BGH v. 19.4.2002 - V ZR 90/01, BGHZ 150, 334 [342] = MDR 2002, 1001 = BGHReport 2002, 667), der auch im vorliegenden echten Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (BGH v. 17.9.1998 - V ZB 14/98, BGHZ 139, 305 [308] = MDR 1999, 28; v. 21.12.2000 - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241 [249] = MDR 2001, 497 = BGHReport 2001, 148) Geltung beanspruchen kann. Für die Rechtsverteidigung der Antragsgegner, die wegen des Unterliegens in der Vorinstanz in die Rolle der Beschwerdeführer wechseln müssen, können keine strengeren Anforderungen gelten als für die Rechtsverfolgung des anfechtenden Wohnungseigentümers. Auf Grund der Besonderheiten des Beschlussanfechtungsverfahrens (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG) steht mithin das Interesse der Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung der nach § 20 Abs. 1 FGG erforderlichen Beeinträchtigung eines materiellen subjektiven Rechts - ähnlich wie bei § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG - zumindest gleich. Der Nachweis einer Beschwerdeberechtigung im Sinne persönlicher Nachteile, die das vorlegende Gericht hier im Hinblick auf den Entfall des negativen Schuldanerkenntnisses verneint (so auch KG v. 25.2.1998 - 24 W 8414/97, KGReport Berlin 1998, 207 = NJW-RR 1998, 1021), kann daher nicht verlangt werden (vgl. Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., § 43 WEG Rz. 14; auch OLG Frankfurt v. 18.3.1982 - 20 W 23/82 OLGZ 1982, 420). Den Antragsgegnern ist somit für das vorliegende Verfahren die Berechtigung zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht abzusprechen.

c) Ebenfalls kein Hindernis für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde der Antragsgegner stellt der Beschwerdewert aus § 45 Abs. 1 WEG dar.

aa) Hier ist die Wertgrenze schon deshalb überschritten, weil neben dem Antrag, der die Ungültigerklärung der Entlastungsbeschlüsse zum Gegenstand hat, mit der Rechtsbeschwerde noch weitere Anträge gestellt worden sind. Bei der danach gegebenen objektiven Antragshäufung ist die Summe der Einzelwerte der Anträge für das Erreichen des Beschwerdewertes entscheidend (KG OLGZ 1979, 348 [349]; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rz. 29; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 45 Rz. 16; Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., § 45 WEG Rz. 10). Ersichtlich geht auch das vorliegende Gericht davon aus, dass zumindest die Summe der einzelnen Werte ausreicht, um den Beschwerdewert zu erreichen.

bb) Zudem stünde der Annahme eines unter Umständen auch 750 Euro übersteigenden Beschwerdewertes allein bezogen auf die Ungültigerklärung der Entlastungsbeschlüsse (vgl. Rühlicke, ZWE 2003, 200 [201) nicht entgegen, dass die Antragsgegner wegen der entfallenen Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses keine finanziellen Nachteile erleiden, sondern im Gegenteil begünstigt werden. Im Hinblick auf diese Folge haben die Antragsgegner naturgemäß kein Interesse an einer Abänderung der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Sie erlangt deshalb für die Bestimmung des für den Beschwerdewert entscheidenden Änderungsinteresses (BGH v. 17.9.1992 - V ZB 21/92, BGHZ 119, 216 [218] = MDR 1992, 1177) keine Bedeutung (a. A. wohl KG v. 25.2.1998 - 24 W 8414/97, KGReport Berlin 1998, 207 = NJW-RR 1998, 1021). Maßgebend ist insoweit das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers (vgl. BGH v. 17.9.1992 - V ZB 21/92, BGHZ 119, 216 [219] = MDR 1992, 1177) an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Entlastungsbeschlüsse (so für das Aktienrecht: BGH, Beschl. v. 6.4.1992 - II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122 [1123]). Dieses wird im Allgemeinen darin bestehen, die Tätigkeit des Verwalters für die Vergangenheit zu billigen und ihm gegenüber - im Interesse einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit - für die Zukunft Vertrauen zu bekunden. Zwar findet dieses Interesse nicht unmittelbar in einer veränderten Vermögenslage Ausdruck (a. A. wohl Rühlicke, ZWE 2003, 200 [202]); das steht aber einer Bemessung des Beschwerdewerts im Wege der Schätzung nicht entgegen (vgl. KG v. 20.1.1995 - 24 W 7247/94, KGReport Berlin 1995, 160 = ZMR 1995, 178 für die Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage).

2. Die hiernach zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat die Beschlüsse über die Entlastung der Verwalterin zu Recht für ungültig erklärt, weil diese nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

a) Allerdings steht - entgegen einer im Vordringen begriffenen Auffassung (BayObLGZ 2002, 417; BayObLGZ 2002, 420 f.; AG Kerpen ZMR 1998, 376 [379 f.]; AG Köln ZMR 2002, 793 [794]; Sauren, WEG, 4. Aufl., § 28 Rz. 68; Köhler, ZMR 1999, 293 [296]; Köhler, ZMR 2001, 865 [866 f.]; WE 2003, 31; Demharter, ZWE 2001, 256 [257]; ZMR 2002, 369 [370]; Riecke, WE 2002, 197; ders., WuM 2003, 256; Greiner, WE 2003, 54, 56; Greiner/Vogel, ZMR 2003, 465) - die Entlastung eines Verwalters nicht schon grundsätzlich im Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Zur Begründung dieser Auffassung wird angeführt, mit der Entlastung erfolge ein Verzicht der Wohnungseigentümer auf mögliche Ansprüche gegen den Verwalter in Form eines negativen Schuldanerkenntnisses. Ein solcher Verzicht auf mögliche Ansprüche gegen einen gegen Entgelt gewerblich tätigen Verwalter, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, entspreche nicht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (so BayObLGZ 2002, 417 [420]). Anderes soll nur gelten, wenn in dem Verwaltervertrag - was vorliegend nicht festgestellt ist - ein Anspruch auf Entlastung vereinbart wurde (AG Kerpen ZMR 1998, 376 [380]; Köhler, ZMR 1999, 293 [296]).

aa) Dies überzeugt nicht. Richtig ist zwar, dass mit der Entlastung eines Verwalters regelmäßig die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) der Wohnungseigentümer verbunden wird. Dieses erfasst vor allem etwaige - nicht aus einer Straftat herrührende - Ersatzansprüche gegen den Verwalter (BGH, Urt. v. 6.3.1997 - III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106 [2108]), soweit sie den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren (BayObLG BayObLGZ 1975, 161 [166]; BayObLGZ 1983, 314 [318]; BayObLGZ 1986, 263 [266]; v. 18.7.1989 - BReg.2 Z 66/89, BayObLGZ 1989, 310 [314]; v. 21.3.1989 - BReg.1b Z 14/88, NJW-RR 1989, 840 [841]; v. 15.10.1986 - 24 W 910/86, MDR 1987, 237 = NJW-RR 1987, 79 [80]; v. 30.11.1992 - 24 W 1188/92, KGReport Berlin 1993, 19 = NJW-RR 1993, 404; OLG Celle v. 2.2.1983 - 4 W 196/82, OLGZ 1983, 177 [179]; OLG Frankfurt v. 11.7.1988 - 20 W 76/88, OLGZ 1989, 60; OLG Düsseldorf NZM 1999, 269; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 122; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 28 Rz. 31; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rz. 438). Hierauf sollen die Wirkungen des Verzichts jedoch nicht beschränkt bleiben, sondern namentlich auch vertraglichen Ansprüchen aus der Geschäftsbesorgung sowie einer Abberufung oder Kündigung aus den präkludierten Gründen entgegenstehen können (vgl. Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rz. 438, 444; Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 2002, Rz. 239; Köhler, ZMR 1999, 293 [294]). Indem die neuere Auffassung jedoch allein diese Folge eines Entlastungsbeschlusses erörtert, verstellt sie sich den Blick auf dessen tatsächliche Bedeutung.

bb) In Rechtsverhältnissen, bei denen Rechenschaft über eine längerfristig angelegte Geschäftsbesorgung durch Rechnungslegung zu geben ist, steht dieser Verpflichtung als Korrelat das Institut der Entlastung gegenüber (vgl. Barner, Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts, 1990, S. 1). Raum für eine Entlastung ist hiernach auch im Verhältnis zwischen den Wohnungseigentümern und dem Verwalter. Der Verwaltervertrag hat die Geschäftsbesorgung für die Wohnungseigentümer - für eine längere Zeit (vgl. § 26 Abs. 2 WEG) - zum Gegenstand (BGH, Beschl. v. 20.6.2002 - V ZB 39/01, BGHReport 2002, 808 = NJW 2002, 3240 [3244] zur Veröffentlichung in BGH v. 20.6.2002 - V ZB 39/01, BGHZ 151, 164 = MDR 2002, 1427 = BGHReport 2002, 808 vorgesehen) und verpflichtet den Verwalter - teilweise modifiziert gem. § 28 Abs. 3 und 4 WEG - zur Rechnungslegung (BGH, Urt. v. 6.3.1997 - III ZR 248/95, MDR, 1997, 537 = NJW 1997, 2106 [2108]). Mithin gibt es keinen Grund, die Entlastung im Wohnungseigentumsrecht anders als i. S. d. allgemeinen Grundsätze zu verstehen, ihr also eine hiervon abweichende rechtliche Bedeutung beizulegen. Im Regelfall billigen die Wohnungseigentümer danach mit dem Beschluss über die Entlastung des Verwalters dessen zurückliegende Amtsführung im jeweils genannten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig; sie sprechen ihm auf diese Weise gleichzeitig für die künftige Verwaltertätigkeit ihr Vertrauen aus (vgl. BGH v. 20.5.1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324 [326] = GmbHR 1985, 356 = MDR 1986, 125 = AG 1986, 21 für die GmbH; Urt. v. 25.11.2002 - II ZR 133/01, MDR 2003, 515 = BGHReport 2003, 434 = AG 2003, 273 = NJW 2003, 1032 [1033] zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; für das Wohnungseigentumsrecht: Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 28 Rz. 31; Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 2002, Rz. 232; Gottschalg, NJW 2003, 1293; Niedenführ, NZM 2003, 305 [307]; Rühlicke, ZWE 2003, 54 [60]). Da der Entlastungsbeschluss typischerweise in der Annahme gefasst wird, dass Ansprüche gegen den Verwalter nicht bestehen, zielt er nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses, diese sind vielmehr lediglich Folge der geschilderten Vertrauenskundgabe (Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rz. 438; Gottschalg, NJW 2003, 1293; Rühlicke, ZWE 2003, 54 [60]; für das Gesellschaftsrecht: K. Schmidt, Gesellschaftrecht, 4. Aufl., § 14 VI 2 b; auch BGH v. 20.5.1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324 [326] = MDR 1986, 125 = GmbHR 1985, 356 = AG 1986, 21).

cc) Kann demnach die Bedeutung der Entlastung des Verwalters nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses reduziert werden, so verbietet es sich auch, die Folge der Präklusion von Ansprüchen als alleiniges Kriterium für die Prüfung einer ordnungsmäßigen Verwaltung zu wählen. Auch wenn der Verwalter anders etwa als der Geschäftsführer einer GmbH nicht die Verantwortung für den geschäftlichen Erfolg eines Unternehmens trägt, so sind doch auch ihm beträchtliche Vermögenswerte anderer anvertraut. Er hat insbesondere für eine ordnungsgemäße Verwaltung, Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Sorge zu tragen; seine persönliche und fachliche Qualifikation ist somit entscheidend für den Erhalt des Wertes der Wohnanlage (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 26 Rz. 2; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 26 WEG Rz. 99). Die Wohnungseigentümer müssen daher dem Verwalter ein hohes Maß an persönlichem Vertrauen in dessen Redlichkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft entgegenbringen. Umgekehrt ist auch der Verwalter für den Erfolg seiner Tätigkeit auf eine von solchem Vertrauen getragene Zusammenarbeit mit den Wohnungseigentümern angewiesen (vgl. Lüke, WE 1997, 164 [166]). Die Entlastung stellt für die Wohnungseigentümer eine Möglichkeit dar, gegenüber dem Verwalter kundzutun, dass ihm das notwendige Vertrauen entgegengebracht wird (vgl. Niedenführ, NZM 2003, 305 [307]; Bogen, Die Amtsniederlegung des Verwalters im Wohnungseigentumsrecht, 2002, S. 53). Hiermit wird die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft geschaffen (vgl. Rühlicke, ZWE 2003, 54 [62]). Eine solche liegt im Interesse der Wohnungseigentümer, weil ihre Rechtsbeziehungen zu dem Verwalter auf längere Zeit angelegt und als Dauerschuldverhältnis zu charakterisieren sind (vgl. Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 26 WEG Rz. 205). Weder ist es danach Ziel der Entlastung, den Verwalter schlicht "bei Laune zu halten" (so aber BayObLGZ 2003, 417 [420]), noch kann die Situation mit der bei Beauftragung eines Rechtsanwalts oder Handwerkers verglichen werden (so aber Greiner, WE 2003, 54 [55 f.]), durch die regelmäßig kein Dauerschuldverhältnis begründet wird. Auch der Hinweis, dass dem Verwalter kein Anspruch auf eine Entlastung zusteht (vgl. BayObLGZ 2003, 417 [420]; AG Kerpen ZMR 1998, 376 [379]), kann die neuere Auffassung nicht stützen. Zwar trifft es zu, dass der Verwalter, falls sich aus dem Vertragsverhältnis nichts anderes ergibt, seine Entlastung nicht verlangen kann (vgl. BGH v. 20.5.1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324 [326] = MDR 1986, 125 = GmbHR 1985, 356 = AG 1986, 21 für den GmbH-Geschäftsführer; für das Wohnungseigentumsrecht: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 125; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 28 Rz. 167; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rz. 452 m. w. N.; a. A. Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 28 Rz. 32), dem lässt sich für die hier zu beantwortende Frage indessen nichts entnehmen. Selbst wenn sie hierzu keine Verpflichtung trifft, können die Wohnungseigentümer ein vernünftiges Interesse daran haben, aus freien Stücken durch die Entlastung eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter zu sichern.

dd) Kein Argument für die neuere Ansicht kann der Vermutung entnommen werden, der Mehrzahl der Wohnungseigentümer sei nicht bekannt, welche Bedeutung der Entlastung beigelegt werde (a. A. Köhler, ZMR 1999, 293 [296]; Demharter, ZMR 2002, 396 [370]). Kein Wohnungseigentümer ist gezwungen, einem Beschlussvorschlag zuzustimmen, dessen Tragweite er nicht erfasst. Stimmt er gleichwohl für eine Entlastung, so handelt es sich bei der mit ihr verbundenen Verzichtswirkung um eine nicht erkannte gesetzliche "Nebenfolge" der Entlastung. In diesem Fall muss sich der Wohnungseigentümer an seiner Stimmabgabe - wie jeder andere auch an seiner Erklärung (vgl. BGH v. 29.11.1996 - BLw 16/96, BGHZ 134, 152 [156] = MDR 1997, 258 m. w. N.) - festhalten lassen.

ee) Zudem bleibt die neuere Auffassung den Nachweis dafür schuldig, dass sie den Wohnungseigentümern einen weiter gehenden Schutz als die bisher herrschende Meinung bietet. Zum einen findet die von ihr zugrunde gelegte Annahme, die Entlastung führe zu einem Verlust aller "möglichen" Ansprüche gegen den Verwalter (so BayObLGZ 2003, 417 [420]) - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung der Obergerichte keine Grundlage. Die Verzichtswirkungen werden allgemein auf solche Ansprüche beschränkt, die den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie bei sorgfältiger Prüfung erkennbar sind. Diese Einschränkung findet sich auch in der Rechtsprechung des BGH zu den Wirkungen der Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers (BGH v. 20.5.1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324 [326] = MDR 1986, 125 = GmbHR 1985, 356 = AG 1986, 21 m. w. N.) sowie des Vorstands eines Vereins (BGH, Urt. v. 14.12.1987 - II ZR 53/87, MDR 1988, 646 = NJW-RR 1988, 745 [748] m. w. N.) oder einer Genossenschaft (BGH, Urt. v. 3.12.2001 - III ZR 308/99, WM 2002, 220 [222]). Zum anderen ist auch nach bisherigem Verständnis eine Entlastung grundsätzlich dann mit einer ordnungsmäßigen Verwaltung nicht zu vereinbaren, wenn sie mit einem Verzicht auf erkennbare Ansprüche gegen den Verwalter verbunden ist (unten 2 b). Mithin lässt sich nicht ersehen, welcher weiter gehende Schutz der Wohnungseigentümer mit der Annahme eines grundsätzlichen Widerspruchs zur Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung einhergehen soll (so auch Rühlicke, ZWE 2003, 54 [63]); insbesondere lehnt auch die neuere Auffassung eine Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses ab (BayObLG NZM 2001, 537).

b) Gibt es mithin keinen Grund, den Wohnungseigentümern schlechthin ein wohlverstandenes Interesse an der Entlastung des Verwalters abzusprechen, so ist für die Vereinbarkeit eines Entlastungsbeschlusses mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung weiterhin maßgebend, ob Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen. Ist das der Fall, so ist eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (vgl. BayObLGZ 1983, 314 [318 f.]; BayObLG ZMR 1999, 185 [186]; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rz. 561; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 28 Rz. 162).

Vorliegend kommen Ansprüche gegen die Verwalterin für die von den Entlastungen betroffenen Zeiträume schon deshalb in Betracht, weil die Verwalterin ihrer Verpflichtung zur Vorlage von Vermögensübersichten für die Wirtschaftsjahre 1998 und 1999 nicht nachgekommen ist. Dabei kann offen bleiben, ob die Vermögensübersichten als Abrechnung des gemeinschaftlichen Vermögens außerhalb der Geldkonten und Kassenbestände (Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rz. 368) als Bestandteil der Jahresabrechnungen geschuldet sind (vgl. BayObLG v. 21.12.1999 - 2 Z BR 79/99, NJW-RR 2000, 603 [604 f.]; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 28 WEG Rz. 397). Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich hier jedenfalls aus der insoweit rechtskräftigen und für alle Beteiligten bindenden (§ 45 Abs. 2 S. 2 WEG) Entscheidung des Beschwerdegerichts. Es hat nämlich der Verwalterin aufgegeben, die Jahresabrechnungen für 1998 und 1999 um eine Vermögensübersicht zu ergänzen; die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde der Antragsgegner hat das vorlegende Gericht als unzulässig verworfen. Solange die Verwalterin ihren damit begründeten Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, fehlt es an Voraussetzungen für eine Entlastung, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Es gibt keinen Hinweis auf besondere Umstände, die den Verlust der geschilderten Ansprüche rechtfertigen könnten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG und berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsmittelanträge, die sich aus der Entscheidung des vorlegenden Gerichts über einen Teil der Rechtsbeschwerde der Antragsgegner und über die Anschlussrechtsbeschwerden der Antragsteller ergibt. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und orientiert sich an den Wertfestsetzungen der Vorinstanzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 972506

BGHZ 2004, 19

NJW 2003, 3124

NWB 2003, 3274

BGHR 2003, 1189

EWiR 2003, 1213

FGPrax 2003, 254

NZG 2003, 968

NZM 2003, 764

WM 2004, 238

ZMR 2003, 750

ZfIR 2003, 823

MDR 2003, 1222

WuM 2003, 650

ZWE 2003, 365

BTR 2003, 298

GuT 2003, 237

MietRB 2003, 74

RdW 2004, 62

AIM 2003, 204

AIM 2003, 220

IWR 2003, 62

LMK 2003, 224

MK 2003, 167

MK 2003, 168

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