Entscheidungsstichwort (Thema)

Wert des Beschwerdegegenstands. Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Kindes- und Trennungsunterhalt. Erstinstanzliche Streitwertfestsetzung. Wertermittlung durch Sachverständigengutachten. Mieteinkünfte. Mitwirkung eines Steuerberaters

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes bei der Verpflichtung zur Auskunftserteilung (im Anschluss an die BGH v. 22.1.2014 - XII ZB 278/13, FamRZ 2014, 644; v. 14.2.2007 - XII ZB 150/05, FamRZ 2007, 711).

 

Normenkette

FamFG § 61 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Beschluss vom 16.10.2015; Aktenzeichen 25 UF 93/15)

AG Köln (Beschluss vom 22.04.2015; Aktenzeichen 315 F 3/15)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats, als Senat für Familiensachen, des OLG Köln vom 16.10.2015 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Beschwerdewert: bis 600 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die getrennt lebenden Beteiligten, aus deren Ehe drei Kinder hervorgegangen sind, streiten um Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt.

Rz. 2

Das AG hat den Antragsgegner mit Teilbeschluss verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über sein Vermögen durch Vorlage eines spezifizierten Vermögensverzeichnisses über alle aktiven und passiven Vermögenswerte im In- und Ausland zum 31.12.2014 sowie über sein Einkommen im Zeitraum vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2014. Ferner hat es den Antragsgegner verpflichtet, die Auskunft zu belegen durch Vorlage der abgegebenen Steuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2014 nebst den dazugehörigen Steuerbescheiden, das Einkommen insb. durch detaillierte Gehaltsabrechnungen, das Renteneinkommen insb. durch Rentenbescheide und -abrechnungen, die Kapitaleinkünfte insb. durch Abrechnungen und Ausschüttungsbescheinigungen, das Einkommen aus Vermietung und Verpachtung insb. durch spezifizierte Abrechnungen und die Anlage V zur Einkommenssteuererklärung sowie selbständige Einkünfte insb. durch vollständige Gewinnermittlungen und detaillierte Verzeichnisse über das betriebliche Anlagevermögen, steuerliche Gewinnerklärungen, Umsatzsteuererklärungen und -bescheide.

Rz. 3

Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde hat das OLG verworfen, weil der Wert der Beschwer 600 EUR nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

Rz. 4

Die gem. §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, § 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.

Rz. 5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der auf "bis zu 600 EUR" festzusetzende Beschwerdewert erreiche den nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderlichen Beschwerdewert nicht. Zur Begründung werde auf die Darlegungen im Beschluss vom 16.10.2015 im Parallelverfahren 25 UF 106/15 Bezug genommen, dessen Erwägungen auch im vorliegenden Verfahren gälten. In dem in Bezug genommenen Beschluss wird ausgeführt, dass das Beschwerdegericht bei der Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstandes an die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung auf 1.000 EUR nicht gebunden sei. Maßgeblich für den Wert sei nicht der von der Antragstellerin voraussichtlich beabsichtigte Zahlungsantrag, sondern das Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Die vom Antragsgegner aufgrund der angefochtenen Entscheidung verlangte Auskunft sei nicht dergestalt, dass sie die Hinzuziehung eines Steuerberaters, Anwalts oder Sachverständigen erfordere. Die geforderten Verzeichnisse könne der Antragsgegner in seiner Freizeit selbst erstellen. Dies erfordere keinen Zeitaufwand, der zu einer 600 EUR übersteigenden Beschwer führe. Im Übrigen sei der Antragsgegner zur Erstellung von Steuererklärungen, Abrechnungen o.Ä. nicht verpflichtet worden.

Rz. 6

2. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

Rz. 7

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde enthält die angefochtene Entscheidung die nach § 69 Abs. 2 FamFG zwingend erforderliche Begründung. Die angefochtene Entscheidung stellt den Sachverhalt ausreichend und klar dar, wobei sogar die vom Antragsgegner allein im Parallelverfahren 25 UF 106/15 erhobenen Einwände gegen die in beiden Verfahren ausdrücklich angekündigte beabsichtigte Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands wiedergegeben werden. Damit ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung der Sach- und Streitstand in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang, so dass das Ziel der Begründungspflicht - die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen - im vorliegenden Einzelfall erreicht wird. Eine Aufhebung der Entscheidung wegen mangelnder Begründung ist daher nicht geboten (vgl. BGH, Urt. v. 25.5.2004 - X ZR 258/01, NJW-RR 2004, 1576 m.w.N.).

Rz. 8

b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht nach dem - mit dem Auskunftsanspruch vorbereiteten - beabsichtigten Leistungsanspruch bemisst, sondern nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist dafür auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. BGH v. 27.7.2016 - XII ZB 53/16, FamRZ 2016, 1681 Rz. 6; v. 22.1.2014 - XII ZB 278/13, FamRZ 2014, 644 Rz. 6; v. 14.2.2007 - XII ZB 150/05, FamRZ 2007, 711 Rz. 6 jeweils m.w.N.).

Rz. 9

Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei der Bemessung der Beschwer eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH, Beschl. v. 27.7.2016 - XII ZB 53/16, FamRZ 2016, 1681 Rz. 7 m.w.N.).

Rz. 10

c) Derartige Ermessenfehler liegen hier nicht vor.

Rz. 11

aa) Soweit die Rechtsbeschwerde die Auffassung vertritt, das Beschwerdegericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass ausweislich der vorgelegten Mitteilungen des Steuerberaters allein für die Erstellung der Steuererklärungen für 2012, 2013 und 2014 ein Honorar von jeweils ca. 1.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer anfalle, muss dies schon deshalb außer Betracht bleiben, weil der Antragsgegner zu einer Erstellung von Steuererklärungen nicht verpflichtet worden ist.

Rz. 12

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann ein erhöhter Kostenaufwand auch nicht aus der Verpflichtung zur Vermögensauskunft über Darlehen, Konten und Aktiendepots hergeleitet werden. Die entsprechenden Saldenmitteilungen zum 31.12.2014 übermitteln die Banken grundsätzlich - für die jeweiligen Steuererklärungen - ohne gesonderte Kosten.

Rz. 13

cc) Soweit der Antragsgegner Eigentümer bzw. Miteigentümer von sieben Immobilien ist, ist er zur Ermittlung und Angabe der Vermögenswerte nur insoweit verpflichtet, als er selbst dazu imstande ist. Eine Wertermittlung durch einen Sachverständigen schuldet der Auskunftspflichtige nicht (BGH, Beschl. v. 14.2.2007 - XII ZB 150/05, FamRZ 2007, 711 Rz. 7 f.; BGH BGHZ 84, 31 = FamRZ 1982, 682, 683). Die für die wertbildenden Merkmale der Immobilien erforderlichen Informationen kann der Antragsgegner - bei einem Erwerb 2012 und 2013 - den ihm vorliegenden Unterlagen entnehmen.

Rz. 14

dd) Die erforderlichen Angaben und Belege über seine Mieteinkünfte, die mit den Mieteinkünften verbundenen Ausgaben, seine Kapitaleinkünfte und die Finanzierungskosten für seine Immobilien kann der Antragsgegner unmittelbar seinen Unterlagen entnehmen. Warum er hierfür auf die Mitwirkung eines Steuerberaters angewiesen sein soll, erschließt sich aus dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht.

Rz. 15

ee) Der eigene Zeitaufwand des auskunftspflichtigen Antragsgegners kann für die hier relevante Zeit maximal mit 21 EUR pro Stunde bewertet werden (zu § 22 JVEG a.F. vgl. BGH v. 22.1.2014 - XII ZB 278/13, FamRZ 2014, 644 Rz. 12 m.w.N.). Dass danach ein Gesamtaufwand von über 600 EUR entstünde, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

Rz. 16

d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht schließlich auch nicht versäumt, selbst über die Zulassung der Beschwerde zu entscheiden.

Rz. 17

Zwar ist die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG grundsätzlich dem Gericht des ersten Rechtszugs vorbehalten. Hat indessen - wie hier - kein Beteiligter die Zulassung der Beschwerde beantragt, ist eine ausdrückliche Entscheidung entbehrlich; das Schweigen in der Entscheidung des AG bedeutet zumindest in diesem Fall Nichtzulassung (vgl. BGH v. 2.7.2014 - XII ZB 219/13, FamRZ 2014, 1445 Rz. 10 m.w.N.).

Rz. 18

Allerdings muss nach der Rechtsprechung des BGH das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht hierzu keine Veranlassung gesehen hat, weil es den Streitwert auf über 600 EUR festgesetzt hat und deswegen von einem entsprechenden Wert der Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, aber das Gericht des zweiten Rechtszugs diesen Wert nicht für erreicht hält (vgl. BGH v. 2.7.2014 - XII ZB 219/13, FamRZ 2014, 1445 Rz. 10 m.w.N.). Eine vergleichbare Konstellation liegt hier indessen nicht vor.

Rz. 19

Beim Auskunftsanspruch zur Geltendmachung von Unterhalt fallen der Streitwert und die Beschwer des zur Auskunft verpflichteten Antragsgegners in aller Regel auseinander. Während der Streitwert mit einem nach §§ 112 Nr. 1, 113 FamFG, 3 ZPO zu schätzenden Teilwert des Unterhaltsanspruchs zu bemessen ist, richtet sich die Beschwer des zur Auskunft verpflichteten Antragsgegners nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Daher kann aus der Streitwertfestsetzung für den Auskunftsanspruch nichts für die Bemessung der Beschwer des unterlegenen Antragsgegners entnommen werden. Damit scheidet auch die Annahme der Rechtsbeschwerde aus, das AG sei aufgrund der Festsetzung des Streitwerts von 1.000 EUR davon ausgegangen, die Beschwer des zur Auskunft verpflichteten Antragsgegners habe einen entsprechenden Wert, so dass die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 FamFG erfüllt seien und kein Anlass für eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde bestehe (vgl. BGH v. 2.7.2014 - XII ZB 219/13, FamRZ 2014, 1445 Rz. 12 m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 10090686

FamRZ 2017, 227

FuR 2017, 141

JZ 2017, 115

MDR 2017, 105

AGS 2017, 121

ErbR 2017, 83

FamRB 2017, 142

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