Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Berufungsbgründungsfrist. Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten bei Anwahl einer falschen Faxnummer

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird die Faxnummer auf fristgebundenen Schriftsätzen zur Übermittlung von einem anderen Telefaxschreiben aus der Akte übernommen, muss das Büropersonal insbesondere im Fall des Übergangs der Sache an das Rechtsmittelgericht angewiesen werden, die angegebene Faxnummer stets noch einmal auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Urteil vom 04.12.2002)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 4.12.2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 51.129,19 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Das LG hat die von einem auswärtigen Rechtsanwalt per Telefax eingereichte Drittwiderspruchsklage abgewiesen. Dagegen ist durch denselben Rechtsanwalt innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils per Telefax an das zuständige OLG Berufung eingelegt worden. Zwei in der Folge wiederum per Telefax gestellte Anträge auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels gelangten, da zwar die richtige Postadresse des OLG angegeben, aber die Faxnummer des LG gewählt worden war, zunächst dorthin, wurden aber jeweils innerhalb kürzester Zeit an das OLG weitergeleitet. Auch der Schriftsatz zur Begründung der Berufung ist auf diesem Wege am letzten Tage der bis zum 23.10.2002 verlängerten Frist nach Dienstschluss zuerst bei dem LG eingegangen. Das OLG erreichte dieser Schriftsatz durch erneute Übermittlung mit nunmehr berichtigter Faxnummer erst am 24.10.2002. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragte die Klägerin am Folgetage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin im Urteil abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen, ohne die Revision zuzulassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Sie hat außerdem die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 S. 1 ZPO beantragt.

II.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) besteht nicht.

Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin treffe an der Fristversäumung ein persönliches Verschulden. Es meint, durch Unterzeichnung des Schriftsatzes mit der falschen Telefaxnummer habe er auch die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Angabe übernommen. Er habe deshalb - mit der Prüfung der anderen Formalitäten - kontrollieren müssen, ob von der Sachbearbeiterin die richtige Faxnummer in den Schriftsatzentwurf eingesetzt worden sei.

Mit dieser Auffassung schränkt das Berufungsgericht den Grundsatz ein, dass der Prozessbevollmächtigte die ausführende Aufgabe der richtigen Telefaxübermittlung im Rahmen einer für die nötige Sicherheit sorgenden Büroorganisation ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Mitarbeitern überlassen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 23.3.1995 - VII ZB 19/94, CR 1996, 10 = BGHR ZPO § 233 - Telekopie 1; im Anschluss an Beschl. v. 2.5.1990 - XII ZB 17/90, MDR 1991, 53 = LM ZPO § 233 Fd Nr. 49 zur Kontrolle der Postanschrift; BAG NJW 2001, 1595, 1596).

1. Die Beschwerde entnimmt dem Inhalt des Berufungsurteils zutreffend den Rechtssatz, dass der Prozessbevollmächtigte die Verwendung der korrekten Telefaxnummer in einer Berufungsbegründung persönlich zu überprüfen habe und dies nicht seinem Büropersonal überlassen dürfe, wenn sich die (falsche) Telefaxnummer bei Unterzeichnung bereits auf dem Schriftsatz befand. Dieser Rechtssatz weicht von den in der Beschwerdebegründung angeführten Entscheidungen des BGH (BGH, Beschl. v. 23.3.1995 - VII ZB 19/94, CR 1996, 10 = BGHR ZPO § 233 - Telekopie 1; v. 20.12.1999 - II ZB 7/99, MDR 2000, 417 = BGHR ZPO § 233 - Telekopie 2) ab. Nach diesen Entscheidungen kann die Verantwortlichkeit des Rechtsanwaltes für die Richtigkeit der Telefaxnummer nicht unterschiedlich danach bemessen werden, ob die Nummer bei Unterzeichnung bereits auf dem Schriftsatz vermerkt ist oder nachher durch das Büropersonal hinzugesetzt wird. Persönlich verantwortlich für die Verwendung der richtigen Telefaxnummer des Gerichts ist der Rechtsanwalt grundsätzlich erst dann, wenn er diese Adressatenangabe selbst in den Schriftsatz aufgenommen hat; denn dann muss die Aushändigung des Schriftsatzes an das Büropersonal in der Regel als Weisung verstanden werden, gerade diese Telefaxnummer bei der Übermittlung auch zu benutzen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.6.1998 - XII ZB 47/98, BGHR ZPO § 233 - Telefax 1).

2. Die aufgezeigte Abweichung ist jedoch für den Streitfall nicht entscheidungserheblich und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision (BGH, Beschl. v. 19.12.2002 - VII ZR 101/02, MDR 2003, 468 = BGHReport 2003, 347 = WM 2003, 992 [993]; v. 7.1.2003 - X ZR 82/02, BGHZ 153, 254 = MDR 2003, 649 = BGHReport 2003, 298 = WM 2003, 402 [403]).

Der Rechtsanwalt muss für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung der per Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer gewährleistet (BGH, Beschl. v. 3.12.1996 - XI ZB 20/96, NJW 1997, 948; v. 20.12.1999 - II ZB 7/99, MDR 2000, 417 = BGHR ZPO § 233 - Telekopie 2; v. 24.4.2002 - AnwZ 7/01, BRAK-Mitt 2002, 171; BAG v. 30.3.1995 - 2 AZR 1020/94, BAGE 79, 379 [382 f.] = MDR 1995, 1171 = CR 1996, 32). Diese Kontrolle ist insbesondere dann unerlässlich, wenn - wie hier - angesichts des unmittelbar bevorstehenden Fristablaufs und der Übermittlungszeit des Telefax nach Dienstschluss nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass eine etwaige Übermittlung an die falsche Nummer von dem tatsächlichen Empfänger noch rechtzeitig festgestellt und an den richtigen Empfänger weitergeleitet werden kann.

Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeordnete und danach durchgeführte Kontrolle des "Kommunikationsergebnisberichts" konnte keinen Hinweis auf eine falsch eingesetzte Empfängernummer geben. Sie hätte nur eine unvollständige Übermittlung nach der mitgeteilten Seitenzahl oder einen Eingabefehler bei der Telefaxnummer erkennen lassen.

Wurde die Faxnummer, wie nach der eidesstattlichen Erklärung der Bürosachbearbeiterin im vorliegenden Fall, von einem anderen Telefaxschreiben aus der Akte übernommen, so konnte es dabei leicht zu Verwechslungen kommen. Eine solche Gefahr besteht insbesondere, wenn sich der gerichtliche Schriftsatzempfänger infolge einer Verweisung des Rechtsstreits oder des Übergangs der Sache an das Rechtsmittelgericht auch in der vom Anwalt geführten Handakte im Laufe des Rechtsstreits geändert hat. Das Büropersonal muss daher für solche Fälle angewiesen werden, die angegebene Faxnummer stets noch einmal auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Nur so kann die bekannte Fehlerquelle beherrscht werden, dass fristgebundene Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelbegründungen per Fax trotz richtiger Gerichtsadressierung weiter an das Gericht der Vorinstanz geleitet werden.

Die Klägerin hat nach § 85 Abs. 2 ZPO das in dieser Hinsicht feststehende Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten zu vertreten. Dies war für die Fristversäumung auch ursächlich; denn nach ihrer eigenen Erklärung hat die Bürosachbearbeiterin die Richtigkeit der von ihr eingesetzten Faxnummer nicht mehr überprüft, weil sie glaubte, hierzu keinen Anlass zu haben. Bei richtiger Organisation hätte schon die Fehlleitung des ersten Fristverlängerungsgesuchs an das Berufungsgericht verhindert werden können. Die weitere Fehlerhäufung bestätigt lediglich die Tatsache, dass es im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an ausreichender Organisation zur Verhinderung solcher Vorkommnisse fehlte.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ein Hinweis des Berufungsgerichts auf die falsche Faxnummer unterblieben ist. Hier fehlt es insoweit schon an einem gerichtlichen Mitverschulden, weil das LG die ebenfalls fehlgeleiteten Fristverlängerungsanträge in kürzester Zeit per Telefax an das OLG weitergeleitet hat, ohne auf den Schriftstücken einen Eingangsstempel anzubringen. Die übergedruckte Absenderangabe in der Kopfzeile musste beim Berufungsgericht nicht notwendig auffallen und zu einem richtig stellenden Hinweis an den Klägervertreter in Bezug auf die Faxnummer führen. Keinesfalls durfte sich der Klägervertreter auf einen solchen Hinweis verlassen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist danach im Ergebnis richtig. Grundsatzfragen stellen sich in diesem Zusammenhang nicht.

III.

Mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag der Klägerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung v. 11.2.2004, mit dem ihr die Veräußerung hinderndes Recht vorläufig gesichert werden sollte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1141285

BGHR 2004, 978

FamRZ 2004, 866

NJOZ 2004, 1427

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