Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstreitigkeit über den Fortbestand eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses vor dem Zivilgericht. Gebührenstreitwert § 17 Abs. 3 GKG a.F. auch bei Organmitgliedern von Handelsgesellschaften kein Verfassungsverstoß

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Streitigkeiten über den Bestand eines privatrechtlichen dauernden Dienstverhältnisses vor den ordentlichen Gerichten (hier: Hauptgeschäftsführer einer Handwerkskammer) bestimmt sich der Gebührenstreitwert grundsätzlich in Anlehnung an § 17 Abs. 3 GKG a.F. (§ 42 Abs. 3 n.F.). § 13 Abs. 4 GKG a.F. und § 12 Abs. 7 ArbGG a.F. (§ 52 Abs. 4 GKG n.F. und § 42 Abs. 4 GKG n.F.) sind nicht entsprechend anwendbar (Bestätigung von: BGH, Beschl. v. 13.2.1986 - IX ZR 114/85, MDR 1986, 669 = NJW-RR 1986, 676). Das verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

GKG i.d.F. v. 15.12.1975 § 17 Abs. 3 (GKG i.d.F. v. 5.5.2004 § 42 Abs. 3; ZPO § 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 30.09.2004; Aktenzeichen 14 U 34/03)

LG Freiburg i. Br.

 

Tenor

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung im Senatsbeschluss v. 30.9.2004 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Kläger war auf der Grundlage eines privatrechtlichen Dienstvertrags mit einem Jahresgehalt von 190.000 DM Hauptgeschäftsführer der erstbeklagten Handwerkskammer. Am 12.2.2001 wurde ihm fristlos gekündigt. Anschließend schlossen die Parteien unter Vereinbarung einer Abfindung i.H.v. 250.000 DM einen Aufhebungsvertrag, den der Kläger später wegen widerrechtlicher Drohung anfocht. Mit der Klage hat er in erster Linie die Feststellung begehrt, dass der Aufhebungsvertrag unwirksam und das Dienstverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) nicht aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Vertragsbedingungen fortbestehe, und hat seine Weiterbeschäftigung als Hauptgeschäftsführer verlangt, hilfsweise - soweit von Interesse -, die Erstbeklagte zu verurteilen, eine rückständige Umlage für die Altersversorgung des Klägers i.H.v. 2.132,39 EUR abzuführen.

LG und OLG haben diese Anträge abgewiesen. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Senat durch Beschluss v. 30.9.2004 zurückgewiesen. Den Gegenstandswert der Beschwerde hat er zugleich auf 235.281,48 EUR festgesetzt. Dabei ist der Senat in Übereinstimmung mit dem LG von dem dreifachen Jahresbetrag der Vergütung des Klägers unter Abzug von 20 % wegen der Feststellungsklage ausgegangen (190.000 DM x 3 = 570.000 DM x 80 % = 456.000 DM = 233.149,09 EUR) und hat die mit dem Hilfsantrag zu 1) zusätzlich geforderte Zahlung von 2.132,39 EUR streitwerterhöhend berücksichtigt.

Gegen diese Festsetzung wendet sich der Kläger mit einer am 30.3.2005 eingegangen Gegenvorstellung. Er vertritt die Ansicht, das nach § 3 ZPO bei der Ermittlung des Streitwerts auszuübende Ermessen habe sich in solchen Fällen an der für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten geltenden Bestimmung des § 42 Abs. 4 GKG n.F. auszurichten, mindestens aber an den Regelungen in § 52 Abs. 5 GKG n.F. für öffentlich-rechtliche Dienst- und Amtsverhältnisse. In der ersten Alternative wäre der Streitwert vorliegend auf 24.286,36 EUR festzusetzen, in der zweiten auf 83.060,40 EUR. Die hiervon abweichende Rechtsprechung des BGH führe zu einem erheblichen Missverhältnis bei den verschiedenen Arbeitnehmergruppen und sei mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

II.

Die Gegenvorstellung ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Auf das Streitverhältnis ist gem. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 5.5.2004 (BGBl. I, 718) das Gerichtskostengesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 15.12.1975 (BGBl. I, 3047; im Folgenden: GKG) weiterhin anzuwenden. Die danach auch bei der Gegenvorstellung gegen eine sonst nicht mehr anfechtbare Streitwertfestsetzung zu wahrende Frist von sechs Monaten seit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung gem. § 25 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 3 GKG (BGH, Beschl. v. 12.2.1986 - IVa ZR 138/83, MDR 1986, 654 = NJW-RR 1986, 737) ist gewahrt.

2. Die Wertfestsetzung im Beschluss des Senats v. 30.9.2004 entspricht den gesetzlichen Vorschriften.

a) Weder das Gerichtskostengesetz noch die Zivilprozessordnung enthalten über die Ermittlung des Gegenstandswerts in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen oder die Beendigung eines Dienstverhältnisses des bürgerlichen Rechts besondere Bestimmungen. § 13 Abs. 4 GKG (jetzt § 52 Abs. 4 GKG n.F.), der für Statusstreitigkeiten als Streitwert den 13-fachen Betrag des Endgrundgehalts zzgl. ruhegehaltsfähiger Zulagen bzw. die Hälfte dieses Betrags oder des für die Dauer eines Jahres vereinbarten Gehalts vorsieht, gilt nur für öffentlich-rechtliche Dienst- oder Amtsverhältnisse. Auch die ähnliche Streitwertbestimmung in dem früheren, durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz aufgehobenen § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG (heute § 42 Abs. 4 S. 1 GKG n.F.), wonach in Streitigkeiten dieser Art für die Wertberechnung höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend ist, beschränkt sich nach Wortlaut und Gesetzessystematik auf Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsverhältnisse i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen. Auf Verfahren vor den ordentlichen Gerichten über andere Dienstverhältnisse lässt sich diese Sonderregelung nicht übertragen (BGH, Beschl. v. 13.2.1986 - IX ZR 114/85, MDR 1986, 669 = NJW-RR 1986, 676).

b) In Ermangelung spezieller Normen ist der Gebührenstreitwert im Zivilprozess gem. § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgebend ist das vom Gericht zu schätzende Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung. Als Anhaltspunkt hierfür kann die in § 17 Abs. 3 GKG (jetzt § 42 Abs. 3 GKG n.F.) getroffene, der Regelung des § 9 ZPO vorgehende Bestimmung über die Wertberechnung bei Klagen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen mit dem dreifachen Jahresbetrag dieser Leistungen dienen. Denn mit der Klage auf Fortbestehen des Dienstverhältnisses wird der Kläger i.d.R. vorrangig seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung wahren wollen. Sein Interesse entspricht daher in etwa dem Wert einer alternativ möglichen Klage auf Feststellung, dass der Dienstberechtigte zur Fortzahlung der Vergütung über den Kündigungszeitpunkt hinaus verpflichtet sei (BGH, Beschl. v. 13.2.1986 - IX ZR 114/85, MDR 1986, 669 = NJW-RR 1986, 676). Das entspricht der ganz überwiegenden Meinung und gilt auch für Organmitglieder von Handelsgesellschaften oder juristischen Personen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 17 Abs. 3 GKG auf die Mitglieder von Vertretungsorganen: BGH, Beschl. v. 24.11.1980 - II ZR 183/80, MDR 1981, 733 = NJW 1981, 2465 f.; zur Wertberechnung bei Bestandsstreitigkeiten: OLG Bamberg JurBüro 1988, 227; OLG Celle, Beschl. v. 22.6.1994 - 20 W 12/94, OLGReport Celle 1994, 298; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.8.1995 - 19 W 22/95, OLGReport Frankfurt 1995, 238; KG v. 21.6.1996 - 5 W 2444/96, KGReport Berlin 1996, 249 = NJW-RR 1997, 543 [544]; OLG München v. 12.3.1998 - 20 W 1073/98, OLGReport München 1998, 162; OLG Naumburg v. 20.7.1995 - 7 U 122/94, OLGReport Naumburg 1995, 214 [215]; LG Hamburg NZS 2002, 336; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 42 Rz. 43 [44]; Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 11. Aufl., Rz. 256 [3527]; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 9 Rz. 32 f.; Germelmann in Germelmann/Matthes/Glöge/Prütting, ArbGG, 5. Aufl., § 12 Rz. 91; Vollstädt in Schwab/Weth, ArbGG, 2004, § 12 Rz. 165; abweichend, jedenfalls bei der Verweisung eines Rechtsstreits vom ArbG an das ordentliche Gericht: Mümmler, JurBüro 1979, 167 [173]; Meyer, GKG, 6. Aufl., § 42 Rz. 28). Eine Ausnahme wird im Wesentlichen nur dann zugelassen, wenn der andere Vertragsteil vor Ablauf von drei Jahren zu einer ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses befugt gewesen wäre (OLG Köln v. 8.9.1994 - 19 W 31/94, OLGReport Köln 1994, 268 = NJW-RR 1995, 318; OLG München v. 1.9.1987 - 5 W 2184/87, NJW-RR 1988, 190). Demgegenüber können die erwähnten Vorschriften des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG und des § 13 Abs. 4 GKG, die für Bestandsstreitigkeiten - im Gegensatz zu Klagen auf wiederkehrende Leistungen (§ 17 Abs. 3 GKG und § 12 Abs. 7 S. 2 ArbGG, jetzt § 42 Abs. 3 S. 1 GKG n.F.) - den Streitwert i.d.R. weit unterhalb des tatsächlichen Interesses des Klägers am Fortbestand des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ansetzen, bei einer Schätzung des Gegenstandswerts nach § 3 ZPO auch nicht in ihren Rechtsgedanken herangezogen werden. Es handelt sich bei diesen Bestimmungen um eng begrenzte Ausnahmen zum Schutz der zumeist sozial schwächeren Arbeitnehmer im engeren, arbeitsrechtlichen Sinn oder öffentlich-rechtlichen Bediensteten in ähnlicher Stellung. Diese Zielsetzung entfällt bei einem freien Dienstverhältnis jedenfalls dann, wenn es - wie hier - um Beschäftigte juristischer Personen in einer Gehaltsklasse weit jenseits des durchschnittlichen Verdienstes von Arbeitnehmern oder Beamten geht, bei denen von einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit keine Rede sein kann.

c) Auf dieser Grundlage ist der vom Senat festgesetzte Streitwert, wie auch der Kläger nicht in Abrede stellt, richtig errechnet. Eine Herabsetzung wegen eines vorzeitigen ordentlichen Kündigungsrechts des Dienstherrn kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 1) nach § 4 Abs. 3 des von den Parteien geschlossenen Dienstvertrags lediglich zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war.

3. Die - wie dem Kläger zuzugeben ist - sehr unterschiedliche Bemessung des Streitwerts in Streitigkeiten über den Bestand eines Dienstverhältnisses, je nachdem, ob es sich um Arbeitnehmer oder öffentlich-rechtliche Bedienstete einerseits oder um durch freie Dienstverträge Beschäftigte andererseits handelt (höchstens der Verdienst eines Vierteljahres bzw. die 13-fachen Monatsbezüge oder die Hälfte des jährlichen Gehalts auf der einen Seite im Gegensatz zu dem dreifachen Jahresbetrag der Einkünfte auf der anderen Seite) mag rechtspolitisch nicht zweifelsfrei sein. Sie verstößt aber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen beruht, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen übereinstimmen. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG v. 10.12.1985 - 2 BvL 18/83, BVerfGE 71, 255 [271]; v. 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242 [258]; ähnlich: BVerfG v. 12.2.2003 - 2 BvR 709/99, BVerfGE 107, 257 [270]). Eine gewisse Typisierung und Generalisierung ist hierbei unvermeidbar (BVerfG v. 11.11.1998 - 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 [290] = FR 1999, 254; v. 4.4.2001 - 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 [319]; v. 22.5.2001 - 1 BvL 4/96, BVerfGE 103, 392 [397]). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind ferner grundsätzlich hinzunehmen (BVerfGE 14, 288 [301]; BVerfG v. 8.2.1994 - 1 BvR 1237/85, BVerfGE 89, 365 [376]). Allein daraus, dass einer Gruppe aus besonderem Anlass besondere Vergünstigungen zugestanden werden, kann niemand für sich ein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, dieselben Vorteile für sich in Anspruch nehmen zu dürfen (BVerfGE 49, 192 [208]; BVerfG v. 17.7.1984 - 1 BvL 24/83, BVerfGE 67, 231 [238]).

Daran gemessen ist die in den kostenrechtlichen Bestimmungen vorgenommene Differenzierung im Wesentlichen zwischen den abhängig Beschäftigten und den sonstigen in einem dauernden Dienstverhältnis stehenden Dienstverpflichteten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet, wie ausgeführt, ihre Rechtfertigung in der typischerweise gegebenen besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer oder der vergleichbar eingestuften öffentlich-rechtlichen Bediensteten, die ebenso regelmäßig bei freien Dienstverhältnissen wegen der im Allgemeinen dort wesentlich höheren Bezüge und der in diesen Fällen außerdem vorauszusetzenden Geschäftsgewandtheit der Dienstverpflichteten weitgehend entfällt. Eine gleichartige Privilegierung dieses Personenkreises ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Härten und Ungleichgewichte, die etwa - worauf der Kläger verweist - wegen der nicht immer trennscharf möglichen Zuordnung des Dienstvertrags zu einem Arbeitsverhältnis oder freien Dienstverhältnis entstehen können, müssen bei einer solchen, notwendigerweise typisierenden Regelung hingenommen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1381789

NJW-RR 2006, 213

FA 2005, 242

JurBüro 2005, 543

NZA 2006, 287

ZAP 2005, 1070

ZAP 2006, 1237

MDR 2005, 1376

AGS 2005, 454

BayVBl. 2005, 702

RENOpraxis 2005, 156

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