Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Wiederverheiratungsklausel in einer Versorgungsordnung und ihre Anwendung beim verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wegfällt, wenn der Witwer oder die Witwe wieder heiratet (sog. Wiederverheiratungsklausel), kann ein geschiedener, wieder verheirateter Ehegatte von dem Träger der Versorgung nicht die Zahlung einer Ausgleichsrente im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gem. § 3a VAHRG verlangen (hier: Versorgungsordnung der Volkswagen AG).

 

Normenkette

VAHRG § 3a

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Beschluss vom 04.01.2001; Aktenzeichen 2 UF 68/00)

AG Wolfsburg (Beschluss vom 24.03.2000; Aktenzeichen 18 F 1419/99)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des OLG Braunschweig v. 4.1.2001 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.826 EUR (= 3.571,56 DM).

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auf Zahlung einer Ausgleichsrente in Anspruch.

Sie war mit einem früheren Werksangehörigen der Antragsgegnerin verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des AG - FamG - v. 2.2.1984 geschieden. Mit Beschluss v. 26.2.1986 wurde der Versorgungsausgleich geregelt; dabei blieb der Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes bei der Antragsgegnerin dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.

Nach dem Renteneintritt der geschiedenen Ehegatten hat das AG auf Antrag der Antragstellerin dem Ehemann aufgegeben, im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs eine monatliche Ausgleichsrente i.H.v. 297,63 DM ab 1.1.1998 zu zahlen.

Die Antragstellerin hat im Jahre 1990 wieder geheiratet; ihr zweiter Ehemann ist am 16.9.1999 verstorben. Auch der erste Ehemann ist eine zweite Ehe eingegangen; er ist am 14.6.1999 verstorben.

Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin beantragt, gem. § 3a VAHRG anzuordnen, dass die Antragsgegnerin als Trägerin der auszugleichenden Versorgung aus der Hinterbliebenenversorgung einen Betrag von monatlich 297,63 DM an sie zu zahlen habe. Die Versorgungsordnung der Antragsgegnerin enthält insofern folgende Regelung:

§ 5

VW.-Hinterbliebenenrente

(1) VW.-Hinterbliebenenrente wird im Falle des Todes von Werksangehörigen (= vorzeitiger Versorgungsfall) oder im Falle des Todes von Beziehern einer VW.-Rente (= Versorgungsfall) gezahlt, im ersten Fall jedoch nur, wenn die Wartezeit (§ 2) erfüllt ist.

(2) Hinterbliebene sind die Witwe oder der Witwer ...

(3) ...

(4) ...

(5) VW.-Hinterbliebenenrente für eine Witwe oder einen Witwer wird bei Wiederverheiratung letztmals für den Monat der Wiederverheiratung gezahlt.

(6) Lebt für eine Witwe oder einen Witwer die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Nichtigkeitserklärung oder Auflösung der nachfolgenden Ehe durch Tod des Ehegatten oder Scheidung wieder auf, so gilt dies auch für die VW.-Hinterbliebenenrente.

(7) ...

Das AG hat den Antrag abgewiesen, da nach der Versorgungsordnung der Antragsgegnerin für den Fall der Wiederverheiratung kein Anspruch einer Witwe auf Hinterbliebenenversorgung bestehe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb erfolglos. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde verfolgt sie ihr Begehren auf Zahlung einer Ausgleichsrente weiter.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsrente im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gem. § 3a VAHRG zu.

1. a) Nach der vorgenannten Bestimmung kann der Berechtigte nach dem Tod des Verpflichteten in den Fällen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs von dem Träger der auszugleichenden Versorgung, von dem er, wenn die Ehe bis zum Tode des Verpflichteten fortbestanden hätte, eine Hinterbliebenenversorgung erhielte, die Ausgleichsrente nach § 1587g Abs. 1 S. 2 BGB verlangen. § 3a Abs. 1 S. 1 VAHRG sieht demnach nur dann einen Leistungsanspruch vor, wenn bei - angenommenem - Fortbestehen der Ehe der Ausgleichsberechtigte von dem Träger der Versorgung eine Hinterbliebenenversorgung als Witwe oder Witwer erhielte.

b) Diese Voraussetzung hat das OLG als nicht erfüllt angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt: In § 5 Abs. 5 der insofern maßgebenden Versorgungsordnung der Antragsgegnerin sei bestimmt, dass die Hinterbliebenenrente für eine Witwe bei Wiederverheiratung letztmals für den Monat der Wiederverheiratung gezahlt werde. Eine derartige allgemeine Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung durch die jeweilige Versorgungsordnung des Versorgungsträgers in Form einer sog. Wiederverheiratungsklausel sei zulässig. Sie wirke sich auch zu Lasten des geschiedenen Ausgleichsberechtigten aus und berühre demnach auch den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Infolge der im Jahre 1990 erfolgten Wiederverheiratung der Antragstellerin sei demnach ein Anspruch auf Durchführung des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach dem Tode des geschiedenen Ehemannes nicht gegeben. Daran ändere auch der Umstand, dass der zweite Ehemann der Antragstellerin am 16.9.1999 verstorben sei, nichts. Gemäß § 5 Abs. 6 der Versorgungsordnung lebe zwar die betriebliche Hinterbliebenenrente nach Auflösung der nachfolgenden Ehe u.a. durch Tod des Ehegatten wieder auf, dies jedoch nur, wenn auch die Rente für eine Witwe oder einen Witwer aus der gesetzlichen Rentenversicherung wieder auflebe. Das sei vorliegend mit Rücksicht auf die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach der Scheidung von dem früheren Ehemann aber nicht der Fall.

Diese Auffassung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2. Die Ausgestaltung der Hinterbliebenenregelung in § 5 Abs. 5 und 6 der Versorgungsordnung der Antragsgegnerin steht einem Anspruch der Antragstellerin auf Fortzahlung der schuldrechtlichen Ausgleichsrente entgegen.

a) Die Regelung des § 3a VAHRG soll die schwache Stellung des auf Grund schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ausgleichsberechtigten Ehegatten durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Trägers der schuldrechtlich auszugleichenden Versorgung so weit wie möglich beseitigen. Mit dem Tod des Verpflichteten erlischt der Anspruch auf die schuldrechtliche Ausgleichsrente nach § 1587g Abs. 1 BGB. Da dieser Anspruch auch nicht als Nachlassverbindlichkeit auf die Erben übergeht, bleibt der Berechtigte in diesem Fall unversorgt. Zweck der Regelung des § 3a VAHRG ist es, diese Versorgungslücke zu schließen (BT-Drucks. 10/5447, 10 f.).

b) Der gegen den Versorgungsträger gerichtete Anspruch ist von dem Bestehen einer Hinterbliebenenversorgung abhängig. Der schuldrechtlich Ausgleichsberechtigte hat nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen nur dann einen Zahlungsanspruch gegen den Versorgungsträger, wenn er im Falle des Fortbestehens der Ehe als Witwer oder Witwe von diesem eine Hinterbliebenenversorgung verlangen könnte. Bei der zugesagten - generellen - Hinterbliebenenversorgung muss es sich um eine Witwen- oder Witwerversorgung handeln (Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 12; Glockner in MünchKomm/VAHRG, 4. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 5; Soergel/Häußermann, BGB, 13. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 5; RGRK/Wick, 12. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 7; Borth, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rz. 692; Grün, FPR 2000, 332 [333 f.]).

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt wird und welchen Umfang diese hat, kann der Versorgungsträger frei bestimmen. Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht (mehr) besteht, so entfällt mithin auch eine Zahlungspflicht des Versorgungsträgers nach § 3a VAHRG. Andererseits kann ein Anspruch nach § 3a VAHRG nicht isoliert durch eine Bestimmung der Versorgungsordnung ausgeschlossen werden, etwa indem festgelegt wird, dass die Witwenrente nur im Fall des Fortbestehens der Ehe bis zum Tod des Ehemannes gezahlt wird. Denn durch eine solche Regelung würde die zwingende Vorschrift des § 3a VAHRG umgangen, nach der eine vorgesehene Hinterbliebenenversorgung auch dem - geschiedenen - ausgleichsberechtigten Ehegatten zugute kommen muss (Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 12; Soergel/Häußermann, BGB, 13. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 5; Borth, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rz. 692; RGRK/Wick, 12. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 7; Glockner in MünchKomm/VAHRG, 4. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 5; Grün, FPR 2000, 332 [334 f.]; Wagenitz, FamRZ 1987, 1 [5 f.]; OLG Karlsruhe v. 17.5.1988 - 2 UF 122/87, FamRZ 1988, 1290 [1291]; OLG Stuttgart v. 22.5.1995 - 16 UF 436/94, NJW-RR 1996, 259 [260]; BT-Drucks. 10/5447, 11).

c) Eine Regelung, durch die der verlängerte schuldrechtliche Versorgungsausgleich allgemein beschränkt wird, stellt auch eine sog. Wiederverheiratungsklausel dar, nach der im Fall der Wiederheirat des hinterbliebenen Ehegatten der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ruht oder wegfällt. Solche Regelungen führen im Fall des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs dazu, dass ein Anspruch entfällt, wenn der ausgleichsberechtigte geschiedene Ehegatte eine neue Ehe eingeht. Denn eine solche Regelung enthält - anders als eine Scheidungsklausel - keine Umgehung der Regelung des § 3a VAHRG. Die dieser Bestimmung zu Grunde liegende Fiktion des Fortbestehens der Ehe würde sich in einem solchen Fall darüber hinwegsetzen, dass bei fiktivem Fortbestand der früheren Ehe eine neue Ehe nicht hätte geschlossen werden können (im Ergebnis ebenso: Glockner in MünchKomm/VAHRG, 4. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 9; Soergel/Häußermann, BGB, 13. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 5; RGRK/Wick, 12. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 7; Staudinger/Rehme, BGB, 2004, § 3a VAHRG Rz. 9; Erman/Klattenhoff, BGB, 11. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 2; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 3a VAHRG Rz. 12; Grün, FPR 2000, 332 [334]; OLG Frankfurt EzFamR aktuell 2001, 188 [189]; BT-Drucks. 10/5447, 11).

3. Danach begegnet die Annahme des OLG, § 5 Abs. 5 der Versorgungsordnung wirke sich zu Lasten der Antragstellerin aus, keinen rechtlichen Bedenken. Auf Grund der eine Wiederverheiratungsklausel enthaltenen Regelung ruht der Anspruch der wiederverheirateten Witwe auf Hinterbliebenenversorgung. Er lebt nach Abs. 6 der Regelung nur dann wieder auf, wenn für einen Witwer oder eine Witwe auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung u.a. nach Auflösung der nachfolgenden Ehe durch Tod eines Ehegatten wieder auflebt. Das ist, wie das OLG ebenfalls zu Recht angenommen hat, hier nicht der Fall.

Durch das 1. Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts v. 14.6.1976 (BGBl. I, 1421) ist mit dem Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs vielmehr die abgeleitete Hinterbliebenenversorgung durch eine eigenständige Versorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten ersetzt worden (Kreikebohm/Jörg, SGB VI, § 243 Rz. 3; BVerfG SozR 2200 § 1265 Nr. 78). Ein geschiedener, wieder verheirateter Ehegatte hat - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - deshalb auch nach § 46 Abs. 3 SGB VI keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach dem vorletzten Ehegatten. Die genannte Bestimmung gewährt einen solchen Anspruch nur dem überlebenden (also verwitweten), wieder verheirateten Ehegatten, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist. Für einen geschiedenen, wieder verheirateten Ehegatten ergibt sich zwar aus der Übergangsregelung des § 243 Abs. 4 SGB VI ein Anspruch auf Witwen/Witwer-Rente, wenn die neue Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist. Dies setzt jedoch voraus, dass die erste Ehe vor dem 1.7.1977 geschieden wurde, was hier nicht der Fall ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1474850

BGHR 2006, 424

FamRZ 2006, 326

NJW-RR 2006, 433

MDR 2006, 814

FamRB 2006, 138

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