Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsräumung einer Mietwohnung. Vergütungsanspruch des Zwangsverwalters während Leerstands. Anspruch auf Nutzungsentschädigung § 571 BGB. Erschwerung der Tätigkeit nach § 24 ZwVerwVO wegen nicht realisierter Mietforderungen. Abrechnung nach Anwaltsgebührenrecht für anwaltliche Führung gerichtlicher Verfahren. Mindestvergütung. Missverhältnisvergütung. Vergütung des erbrachten Zeitaufwands

 

Leitsatz (amtlich)

Wird vom Zwangsverwalter im Verlauf des Kalenderjahres eine Mietwohnung zwangsgeräumt, berechnet sich die Vergütung in der Zeit des Leerstandes nach dem Umfang der Verwaltertätigkeit (§ 26 ZwVerwVO).

Wählt der Zwangsverwalter die Abrechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsrecht, so kann er für eine Geschäftstätigkeit, die mit den gewährten Gebühren durch Anrechnung abgegolten ist, keine Vergütung nach anderen Tatbeständen mehr beanspruchen.

 

Normenkette

ZwVerwVO § 24 ff., §§ 26, 27 Abs. 2; ZwVwV §§ 17, 18 Abs. 1, § 19; BRAGO § 118 Abs. 2 S. 1; RVG § 19 Abs. 1 Nr. 1; VV Vorbem. 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 28.05.2003; Aktenzeichen 3 T 136/03)

AG Wolfhagen

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Zwangsverwalters wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Kassel v. 28.5.2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 1) ordnete das AG Wolfhagen am 18.6.2001 die Zwangsverwaltung des vorbezeichneten Wohnungseigentums an. Zum Verwalter wurde der als Rechtsanwalt tätige Rechtsbeschwerdeführer ernannt. Er stellte nach Inbesitznahme der Wohnung und weiteren Ermittlungen fest, dass dieselbe vermietet, der Mieter mit über 40.000 DM rückständig und der Eigentümer Hausgelder sowie öffentliche Grundstücksabgaben seit längerem schuldig geblieben war.

Der Zwangsverwalter kündigte das Mietverhältnis am 30.7.2001 fristlos und erwirkte Titel zur Räumung der Wohnung und Vollstreckung der Mietschuld. Letztere verlief erfolglos. Die Herausgabe der renovierungsbedürftigen Wohnung an den Zwangsverwalter im Wege der Räumungsvollstreckung erfolgte am 17.1.2002.

Nach Zwangsversteigerung der Wohnung hob das AG die Zwangsverwaltung am 30.8.2002 auf. Der Aufhebungsbeschluss wurde dem Zwangsverwalter am 7.9.2002 zugestellt.

Für die Abrechnungszeiträume 2001 und 2002 fordert der Zwangsverwalter Vergütung nach Zeitaufwand gemäß vorgelegtem Tätigkeitsnachweis und Ersatz von Umsatzsteuer in Gesamthöhe von 15.144,96 EUR, daneben die Erstattung von baren Auslagen für Fahrten, Fotokopien, Porto und Telefon. Außerdem verlangt der Zwangsverwalter Auslagenersatz für die anwaltliche Führung gerichtlicher Verfahren mit Einschluss der Zwangsvollstreckung i.H.v. 4.338,88 EUR.

Das AG hat dem Festsetzungsantrag des Zwangsverwalters im Wesentlichen entsprochen und hiervon lediglich drei Zeitstunden zu 130 EUR nebst anteiliger Umsatzsteuer für die angegebene Restabwicklung abgesetzt.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) hat das LG die Vergütung des Zwangsverwalters nebst Auslagen auf 5.128,45 EUR ermäßigt. Hiergegen wendet sich seine - zugelassene - Rechtsbeschwerde.

II.

Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Sachverhalt ist nicht soweit geklärt, dass bereits jetzt hinreichende Sicherheit für eine Zurückweisung der Rechtsbeschwerde gem. § 577 Abs. 3 ZPO bestünde. Daher führt das Rechtsmittel nach § 577 Abs. 4 S. 1 ZPO zur Zurückverweisung.

1. Das LG hat den Vergütungsanspruch des Zwangsverwalters nach § 24 ZwVerwVO unter Heranziehung einer geschätzten Brutto-Sollmiete von monatlich 1.000 DM (= 511,29 EUR) berechnet. Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Durch die wirksame Kündigung des Zwangsverwalters v. 30.7.2001 war die Vermietung der zwangsverwalteten Wohnung beendet. Im Anschluss daran hatte der Zwangsverwalter einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem. den §§ 571, 546a BGB für die Dauer der Vorenthaltung. Auch dieses Rechtsverhältnis kann als Nachwirkung der Wohnraummiete vergütungsrechtlich noch einer Grundstücksnutzung durch Vermietung nach § 24 ZwVerwVO (§ 18 ZwVwV) gleichgestellt werden, weil sie dem Zwangsverwalter ähnliche Mühewaltung der Geschäftsführung abverlangt wie ein intaktes Mietverhältnis. Allenfalls können sich hier Erschwerungen seiner Tätigkeit ergeben, die nach § 25 ZwVerwVO zu berücksichtigen wären. Dafür spricht auch, dass der Zwangsverwalter die Mietsache während ihrer rechtswidrigen Vorenthaltung durch den gekündigten Mieter nicht anderweitig nutzen kann, mithin ein Vergütungsanspruch infolge einer Neuvermietung in dieser Zeit ausscheidet.

Nach Zwangsräumung einer Wohnung und vor einer Neuvermietung scheiden jedoch die §§ 24, 25 ZwVerwVO als Vergütungstatbestand für die Geschäftsführung des Zwangsverwalters aus. Das AG hat für den Zeitraum nach dem 17.1.2002 hier den Vergütungsanspruch des Zwangsverwalters somit dem Grunde nach zu Recht auf § 26 ZwVerwVO gestützt.

Die zu Beginn bestehende Nutzungsform des § 24 ZwVerwVO oder § 26 ZwVerwVO kann auch nicht unbeschadet tatsächlicher Übergänge für die gesamte Dauer eines Abrechnungszeitraums vergütungsrechtlich eingefroren werden. Denn damit würde sich die Berechnung der Vergütung entgegen § 152a S. 2 ZVG von der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie von der Leistung des Zwangsverwalters entfernen. Wenn schon Veränderungen der Miethöhe im Laufe eines Abrechnungszeitraums gem. § 24 ZwVerwVO berücksichtigt werden müssen, kann erst recht eine nach Zwangsräumung der Wohnung wegfallende Miete oder wegfallende Nutzungsentschädigung nicht - wie vom Beschwerdegericht angenommen - vergütungsrechtlich dennoch als weiter eingezogen gelten. Dies widerspräche dem am Nutzen der Gläubiger ausgerichteten Leistungsprinzip, ließe aber auch die nach der Räumung veränderte Aufgabe des Zwangsverwalters außer Acht.

b) Der BGH hat - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses - bereits entschieden, dass nicht realisierte Mietforderungen im Einklang mit dem Wortlaut der Bestimmung nach § 24 Abs. 1 ZwVerwVO nicht vergütungswirksam sind, sondern außer dem Mindestbetrag gem. § 24 Abs. 3 ZwVerwVO nur eine Missverhältnisvergütung gem. § 25 ZwVerwVO entstehen lassen können (BGH, Beschl. v. 25.6.2004 - IXa ZB 44/03, MDR 2004, 1442 = BGHReport 2004, 1526 = ZinsO 2004, 911 [912] = ZIP 2004, 2022 [2023]). Eine Missverhältnisvergütung kann hier aber, anders als in der vorstehend angeführten Senatsentscheidung, auch nicht in Anlehnung an § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ZwVwV zugebilligt werden, weil der Zwangsverwalter eine außergerichtliche Inkassotätigkeit nicht entfaltet hat. Er hat eine solche Tätigkeit vielmehr mit gutem Grund als aussichtslos angesehen und ist sogleich gerichtlich gegen den säumigen Mieter vorgegangen.

Die im Beschwerdefall noch nicht anwendbare Zwangsverwalterverordnung v. 19.12.2003 (BGBl. I, 2804) hat mit § 17 Abs. 3 ZwVwV die landgerichtliche Rechtsprechung zu den §§ 25, 27 Abs. 2 ZwVerwVO bestätigt, dass der Zwangsverwalter, welcher - wie hier - als Rechtsanwalt zugelassen ist, für die anwaltliche Führung gerichtlicher Verfahren, die ein anderer Verwalter einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte abrechnen kann. Diese Vorschrift entspricht § 5 Abs. 1 InsVV und gibt dem Zwangsverwalter wie dem Vormund nach § 1 Abs. 2 BRAGO i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB ein Wahlrecht, ob er Auslagenerstattung (künftig gem. § 17 Abs. 3 ZwVwV) oder eine erhöhte Vergütung nach § 25 ZwVerwVO beanspruchen will (BGH, Beschl. v. 25.8.2004 - IXa ZB 32/03, ZinsO 2004, 1026, red. LS).

Im Beschwerdefall hat sich der Zwangsverwalter für die Auslagenerstattung nach Maßgabe des Anwaltsgebührenrechts entschieden. Das umfasst nicht nur die Titulierung der Mietforderungen, sondern auch den von ihm geführten Räumungsprozess gegen den Mieter. In beiden Angelegenheiten gilt zu Lasten des Zwangsverwalters nach Wahl der Auslagenerstattung (Gebührenerstattung gem. § 17 Abs. 3 ZwVwV) aber auch das Anrechnungsprinzip des § 118 Abs. 2 S. 1 der hier noch anwendbaren Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (vgl. neuerdings § 19 Abs. 1 Nr. 1 RVG und Vorbemerkung 3 Abs. 4 Vergütungsverzeichnis RVG). Der Zwangsverwalter kann nicht nach den §§ 25, 27 Abs. 2 ZwVerwVO Auslagenerstattung nach Gebührenrecht fordern und zugleich noch für damit gebührenrechtlich durch Anrechnung abgegoltene Geschäftstätigkeit eine weitere Missverhältnisvergütung gem. § 25 ZwVerwVO beanspruchen. Die Bedeutung dieses Gesichtspunktes ist im bisherigen Verfahren nicht erkannt worden. Der Zwangsverwalter muss infolgedessen im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren Gelegenheit erhalten, seinen Tätigkeitsnachweis bis zur Zwangsräumung der Wohnung entsprechend zu ergänzen.

Danach wird das Beschwerdegericht erneut zu prüfen haben, ob dem Zwangsverwalter neben der Auslagenerstattung nach den §§ 25, 27 Abs. 2 ZwVerwVO und der Mindestvergütung gem. § 24 Abs. 3 ZwVerwVO noch eine weitere Missverhältnisvergütung für seine Geschäftstätigkeit bis zur Zwangsräumung zusteht. Die Höhe einer solchen Vergütung könnte auch für die Abrechnungszeiträume 2002 und 2003 schon entsprechend § 19 Abs. 2 ZwVwV einheitlich nach dem geleisteten und erforderlichen Zeitaufwand bemessen werden.

c) Für die Geschäftstätigkeit nach der Zwangsräumung am 17.1.2002 steht dem Zwangsverwalter gem. § 26 ZwVerwVO grundsätzlich eine Vergütung des erbrachten Zeitaufwandes zu. Hierbei kann bereits der Stundensatzrahmen herangezogen werden, der nach § 19 Abs. 1, § 25 ZwVwV erst für die Abrechnungszeiträume nach dem 31.12.2003 anzuwenden ist (BGH, Beschl. v. 27.2.2004 - IXa ZB 37/03, BGHReport 2004, 922 = MDR 2004, 773 = ZinsO 2004, 382 = ZIP 2004, 971, m.Anm. Haarmeyer). Zur Ausfüllung des Stundensatzrahmens ist dabei ergänzend zu dem vorgelegten Tätigkeitsnachweis weiterer Vortrag des Zwangsverwalters erforderlich (vgl. zu den hier erheblichen Gesichtspunkten BGH, Beschl. v. 27.2.2004 - IXa ZB 37/03, BGHReport 2004, 922 = MDR 2004, 773 = ZinsO 2004, 382 [383] = ZIP 2004, 971 [383], Unter3, m.Anm. Haarmeyer).

2. Rechtlich derzeit im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Kürzung des vom Berufungsgericht zugebilligten Ersatzes barer Auslagen und der Auslagenerstattung für Anwaltstätigkeit im Rahmen der Zwangsverwaltung nach gebührenrechtlichem Maßstab. Der Zwangsverwalter muss jedoch Gelegenheit erhalten, seinen bisherigen Festsetzungsantrag ergänzend zu begründen, soweit das LG zu seinem Nachteil beschlossen hat.

a) Die Rechtsbeschwerde rügt, dass das Beschwerdegericht die Gebühren nach den §§ 57, 58 BRAGO für die Erwirkung von zwei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen von der Forderung des Zwangsverwalters abgesetzt hat.

Diese Rüge kann nach gegenwärtigem Sachstand schon deshalb nicht durchdringen, weil der Zwangsverwalter seinem Festsetzungsantrag keine Gebührenberechnung gem. § 18 Abs. 1 BRAGO (§ 10 Abs. 1 ZVG) beigefügt hat. Dazu ist der Zwangsverwalter jedoch auch ggü. dem Vollstreckungsgericht verpflichtet, wenn er seine Vergütung durch Auslagenerstattung von Anwaltstätigkeit abrechnen will. Mangels entsprechenden Hinweises im bisherigen Verfahren muss der Zwangsverwalter Gelegenheit erhalten, eine Gebührenrechnung noch nachzureichen.

b) Die vom Zwangsverwalter am 6.6.und 29.8.2002 beantragen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse liegen nicht vor. Es ist auch nicht festgestellt, welche Forderungen des Vollstreckungsschuldners hier gepfändet werden sollten. Daher kann die Angemessenheit der geltend gemachten Gebührenforderungen nach den §§ 25, 27 Abs. 2 S. 2 ZwVerwVO auf Grund ergänzter Begründung nicht ausgeschlossen werden.

Das Beschwerdegericht hat allerdings mit Recht geprüft, ob hier die Vertretung durch einen Rechtsanwalt i.S.d. § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich erschien; denn dann hätte ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Zwangsverwalter die von ihm verrichtete Vollstreckungstätigkeit einem Rechtsanwalt übertragen. Wie der BGH entschieden hat, ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Bereich der Forderungspfändung ohne Prüfung des Einzelfalls nicht schlechthin zu verneinen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.7.2003 - IXa ZB 124/03, BGHReport 2003, 1302 = MDR 2003, 1245). Eine solche Prüfung wird das Beschwerdegericht nach der Zurückverweisung und weiteren Angaben des Zwangsverwalters nachzuholen haben.

Weiterhin wird in diesem Zusammenhang auf die Beschlüsse des BGH v. 12.12.2003 (BGH v. 12.12.2003 - IXa ZB 234/03, BGHReport 2004, 560 = MDR 2004, 776 = Rpfleger 2004, 250) und v. 24.9.2004 (BGH, Beschl. v. 24.9.2004 - IXa ZB 115/04) hingewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1288733

BGHR 2005, 473

JurBüro 2005, 208

NZM 2005, 194

WM 2005, 86

ZAP 2005, 321

ZIP 2005, 1569

ZfIR 2005, 215

InVo 2005, 208

MDR 2005, 536

Rpfleger 2005, 152

ZInsO 2005, 39

ZVI 2005, 154

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