Leitsatz (amtlich)

Dem Zwangsverwaltungsbeschlag unterliegende Miet- oder Pachtrückstände, die von dem Zwangsverwalter nicht eingezogen werden, können wegen Missverhältnisses zwischen der Mindestvergütung und der entfalteten außergerichtlichen Inkassotätigkeit eine Erhöhung der Zwangsverwaltervergütung gebieten, auch wenn die Rückstände bereits vor Anordnung der Zwangsverwaltung aufgelaufen waren. Diese Erhöhung ist schon für die Abrechnungszeiträume 2000 bis 2003 nach den in § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ZwVwV geregelten Grundsätzen auf 20 v.H. der Einzugsvergütung zu bemessen.

 

Normenkette

ZwVerwVO § 25; ZwVwV § 18 Abs. 1 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 25.11.2002; Aktenzeichen 19 T 232/01)

AG Ludwigsburg

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des LG Stuttgart v. 25.11.2002 geändert:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die Vergütung des Beteiligten zu 1) für das Jahr 2000 auf 489,47 EUR zzgl. 8,24 EUR Erstattung von Fahrauslagen sowie 79,63 EUR Ersatz von Umsatzsteuer, zusammen 577,34 EUR (= 1.129,18 DM), festgesetzt.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird als unzulässig verworfen.

Die weiter gehende Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie die Festsetzung für das Jahr 2000 betrifft, im Übrigen wird sie als unzulässig verworfen.

Von den gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligte zu 2) 79 v.H. und der Beteiligte zu 3) 21 v.H.

Der Beteiligte zu 1) hat 58 v.H. der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 3) im Beschwerdeverfahren zu tragen.

Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Beteiligten zu 1) 90 v.H. und den Beteiligten zu 2) und 3) jeweils 5 v.H. der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 1) zur Last.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.720,78 EUR (= 3.365,55 DM).

 

Gründe

I.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2) ordnete das AG Ludwigsburg am 1.12.2000 die Zwangsverwaltung des vorbezeichneten Grundbesitzes an, welcher aus Büroflächen im Teileigentum sowie vier Tiefgaragenstellplätzen besteht. Zum Zwangsverwalter wurde der Beteiligte zu 1) bestellt, der das Objekt am 14.12.2000 in Besitz nahm. Die Räumlichkeiten und Stellplätze waren einer gewerblichen Mieterin überlassen, die monatlich eine Grundmiete von 6.850 DM, Nebenkostenvorauszahlung von 370 DM und Umsatzsteuererstattung von 1.155,20 DM schuldete. Diese Zahlungen waren seit Jahresmitte 2000 rückständig. Nachdem der Zwangsverwalter trotz schriftlicher Aufforderung keine Zahlungen der Mieterin erlangte, wurde die Zwangsverwaltung am 2.2.2002 infolge Antragsrücknahme der Beteiligten zu 2) aufgehoben.

Der Beteiligte zu 1) beantragte, seine Vergütung nach § 24 ZwVerwVO nebst Erstattung von Auslagen und Umsatzsteuer auf 4.168,69 DM für das Jahr 2000 und auf 1.285,43 DM für das Jahr 2001 festzusetzen. Die Beteiligte zu 2) wendete gegen die Vergütungsforderung für das Jahr 2000 ein, dass in ihre Bemessung Mietrückstände aus der Zeit vor Anordnung der Zwangsverwaltung nicht einzubeziehen seien. Der Gesamtumfang der Verwaltertätigkeit rechtfertige auch keinesfalls die insgesamt beanspruchten 5.454,12 DM. Der Beteiligte zu 3) meinte, die Vergütung bestimme sich nach § 24 Abs. 3 ZwVerwVO, weil Mieten nicht eingezogen worden seien. Daraus ergebe sich ein Gesamtvergütungsanspruch des Zwangsverwalters für die Jahre 2000 und 2001 von nur 215,90 DM. Dieser Auffassung schloss sich die Beteiligte zu 2) an.

Das AG setzte die Vergütung des Zwangsverwalters antragsgemäß fest. Das LG ermäßigte auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) die Festsetzung für das Jahr 2000 einschließlich barer Auslagen von 16,12 DM und Ersatz von Umsatzsteuer i.H.v. 110,78 DM auf insgesamt 803,16 DM. Für das Jahr 2001 bestätigte es die Festsetzung des AG unter Berichtigung eines Rechenfehlers von 0,01 DM.

Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) mit dem Ziel, die amtsgerichtliche Festsetzung wieder herzustellen.

II.

Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässig, soweit sie die Vergütungsfestsetzung für das Jahr 2000 angreift. Sie ist dagegen unzulässig, soweit sie sich auch gegen die Vergütungsfestsetzung für das Jahr 2001 wendet; denn für diesen Gegenstand fehlt es dem Beteiligten zu 1) an einer Beschwer. Die Festsetzung der Vorinstanzen entspricht seinem Antrag.

Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu prüfen. Da die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Ludwigsburg v. 28.5.2001 nach § 793 Abs. 1, § 577 Abs. 2 ZPO a.F. verfristet war, ist dieses Rechtsmittel auf die insoweit begründete Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) als unzulässig zu verwerfen. Die angefochtene Entscheidung des AG wurde der Beteiligten zu 2) am 22.5.2001 zugestellt. Die hiergegen gerichtete - als Erinnerung bezeichnete - sofortige Beschwerde v. 1.6.2001 ist erst am 6.6.2001, mithin um einen Tag verspätet, bei dem AG Ludwigsburg eingegangen.

Gegenüber der Änderung der erstinstanzlichen Vergütungsfestsetzung auf die zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) ist die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) teilweise begründet und führt insoweit nach § 577 Abs. 5 ZPO zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Zwangsverwalter könne keine Vergütung auf der Grundlage von Mietrückständen fordern, die bereits vor Anordnung der Zwangsverwaltung aufgelaufen seien. Dagegen habe er nach diesem Zeitpunkt entstandene Mietforderungen auch dann i.S.v. § 24 Abs. 1 ZwVerwVO "eingezogen", wenn sein Inkassoversuch misslungen sei; denn es komme vergütungsrechtlich nicht auf den Erfolg der Mühewaltung an.

2. In beiden Vorfragen hat das Beschwerdegericht die hier nach § 25 der Zwangsverwalterverordnung (ZwVwV) v. 19.12.2003 (BGBl. I, 2804) noch anwendbare Verordnung über die Geschäftsführung und die Vergütung des Zwangsverwalters v. 16.2.1970 (BGBl. I, 185 - ZwVerwVO) rechtsfehlerhaft ausgelegt.

a) Die Rechtsverfolgung des Zwangsverwalters erstreckt sich nach § 8 ZwVwV auch auf die Rückstände an Mieten oder Pachten, die im Jahre vor der Anordnung der Zwangsverwaltung fällig geworden und von der Beschlagnahmewirkung gem. § 148 Abs. 1 S. 1, §§ 21 ZVG, 1123 Abs. 2 S. 1 BGB erfasst sind. Die Verpflichtung des Verwalters zur Geltendmachung solcher Forderungen einschließlich der Nebenkosten folgt jedoch auch bereits unmittelbar aus § 152 Abs. 1 Halbs. 2 ZVG und war daher schon vor In-Kraft-Treten der Zwangsverwalterverordnung v. 19.12.2003 geltendes Recht (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.2003 - VIII ZR 333/02, MDR 2003, 893 = BGHReport 2003, 780 = ZfIR 2003, 528 [529]). Erstreckt sich die Rechtsverfolgung des Zwangsverwalters - wie hier - auf die Einforderung von Mietrückständen aus der Zeit vor dem Anordnungsbeschluss, die dem Zwangsverwaltungsbeschlag unterliegen, kann bei der Berechnung der Zwangsverwaltervergütung entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichtes dieser Teil der Verwaltertätigkeit nicht außer Betracht gelassen werden. Er muss vielmehr in gleicher Weise vergütungswirksam sein wie die (erfolglose) Einforderung von Rückständen, die nach Anordnung der Zwangsverwaltung fällig geworden sind.

b) Bei Grundstücken, die durch Vermieten oder Verpachten genutzt werden, erhält der Verwalter von den im Kalenderjahr eingezogenen Beträgen nach § 24 Abs. 1 S. 1 ZwVerwVO in der Auslegung des BGH v. 12.9.2002 (BGH v. 12.9.2002 - IX ZB 39/02, BGHZ 152, 18 = MDR 2003, 112 = BGHReport 2002, 1059) von den Ersten 1.500 EUR 9 v.H., von dem Mehrbetrag bis zu 3.000 EUR 8 v.H., von dem weiteren Mehrbetrag bis zu 4.500 EUR 7 v.H. und von dem darüber hinausgehenden Betrag 6 v.H. Die Mindestvergütung des Zwangsverwalters gem. § 24 Abs. 3 ZwVerwVO beträgt nach Inbesitznahme des Grundstücks für jedes angefangene Kalenderjahr 90 EUR.

Wie die Systematik der Zwangsverwalterverordnung v. 19.12.2003 bestätigt, sind nicht realisierte Mietforderungen im Einklang mit dem Wortlaut von § 24 Abs. 1 ZwVerwVO nach dieser Bestimmung nicht vergütungswirksam. In den nunmehr gem. § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ZwVwV eigenständig geregelten Fällen vertraglich geschuldeter, nicht eingezogener Mieten oder Pachten kannte das hier noch anwendbare alte Vergütungsrecht außer der Mindestvergütung des § 24 Abs. 3 ZwVerwVO nur eine Missverhältnisvergütung gem. § 25 ZwVerwVO (vgl. auch den BGH, Beschl. v. 25.6.2004 - IXa ZB 30/03, z.V.b., unter II. 4.).

c) Nach § 24 Abs. 3 ZwVerwVO hätte der Beteiligte zu 1) für das Jahr 2000 nur einen Anspruch auf die Mindestvergütung von 90 EUR. Nach § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ZwVwV stünden dem Rechtsbeschwerdeführer als Vergütung auf Grund der geschuldeten, aber nicht eingezogenen Mieten der Monate Juli bis Dezember 2000 von zusammen 25.693,03 EUR insgesamt 20 v.H. der Vergütung zu, die er bei Einziehung dieser Mieten erhalten hätte.

Die neuen Vorschriften erhalten für die Vergütung des Zwangsverwalters den direkten Bezug zur verwalteten Masse und setzen einen Anreiz, Außenstände möglichst effektiv beizutreiben. Der Sockel von 20 v.H. will zugleich sichern, dass auch erfolglose Maßnahmen des Verwalters für den Regelfall angemessen vergütet werden (vgl. BR-Drucks. 842/03, 16). Sie erreichen dieses Ziel jedenfalls für die Versendung von Mahnschreiben durch den Zwangsverwalter und andere außergerichtliche Inkassobemühungen. Zusätzliche Tätigkeit hat auch der Beteiligte zu 1) im Beschwerdefall zur Beitreibung der Mietrückstände nicht entfaltet. Nach dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 152a ZVG ist die Abstufung des § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ZwVwV in dieser Hinsicht rechtlich nicht zu beanstanden. Sie kann auf die Bemessung eines Missverhältniszuschlages nach § 25 ZwVerwVO für erfolglose Versuche des Mietinkassos entsprechend übertragen werden.

Die Vorschriften des § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ZwVwV sind zwar für den Abrechnungszeitraum 2000 noch nicht unmittelbar anzuwenden. Sie bezeichnen aber das Ausmaß des Missverhältnisses, welches es gebietet, über die Mindestvergütung des § 24 Abs. 3 ZwVerwVO hinaus nach § 25 ZwVerwVO eine höhere Vergütung zuzubilligen. Der Senat hat bereits in seinem Beschluß v. 27.2.2004 (BGH, Beschl. v. 27.2.2004 - IXa ZB 37/03, BGHReport 2004, 922 = MDR 2004, 773 = ZInsO 2004, 382, m. Anm. Haarmeyer) ausgesprochen, dass die wirtschaftlichen und aufwandsbezogenen Bemessungsgrößen der Zwangsverwaltervergütung für Abrechnungszeiträume nach dem 31.12.2003 angesichts der in den letzten Jahren weitgehend konstant gebliebenen Verhältnisse auch schon für die Jahre 2000 bis 2003 Geltung beanspruchen können. Dieser Befund bezog sich seinerzeit zwar nur auf die Stundensatzvergütung gem. § 26 ZwVerwVO. Er liegt jedoch für die mietertragsbezogene Vergütung nicht anders (vgl. dazu auch den BGH, Beschl. v. 25.6.2004 - IXa ZB 30/03, z.V.b.) und muss gleichfalls für die Beurteilung eines etwaigen Missverhältnisses zwischen dem Mindesthonorar des Zwangsverwalters nach § 24 Abs. 3 ZwVerwVO und einer angemessenen Abgeltung seiner Mühewaltung für den erfolglos gebliebenen Mieteneinzug herangezogen werden.

Der Missverhältniszuschlag gem. § 25 ZwVerwVO für den Abrechnungszeitraum des Jahres 2000 hat danach bei erfolglos geltend gemachten Forderungen i.H.v. 25.693,03 EUR auszugehen von einer Einzugsvergütung, die sich wie folgt errechnet:

1.500,00 EUR mit 9 v.H. =

135,00 EUR

1.500,00 EUR mit 8 v.H. =

120,00 EUR

1.500,00 EUR mit 7 v.H. =

105,00 EUR

21.193,03 EUR mit 6 v.H. =

1.271,58 EUR

Grundbetrag zusammen

1.631,58 EUR.

Multipliziert mit dem Steigerungsfaktor von 1,5 (vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2004 - IXa ZB 30/03, z.V.b.) ergibt sich daraus eine hypothetische Einzugsvergütung von 2.447,37 EUR im Abrechnungszeitraum 2000. Hiervon steht dem Beteiligten zu 1) entsprechend § 18 Abs. 1 S. 2 ZwVwV als Missverhältnisvergütung gem. § 25 ZwVerwVO ein Anteil von 20 v.H. zu, in welchem das Mindesthonorar gem. § 24 Abs. 3 ZwVerwVO aufgeht.

Zu der hiernach errechneten Vergütung von 489,47 EUR kommen hinzu die Erstattung unstreitiger Fahrkosten von 8,24 EUR und der Ersatz der Umsatzsteuer gem. § 23 ZwVerwVO i.H.v. 79,63 EUR, welches einen Festsetzungsbetrag für den Abrechnungszeitraum 2000 von insgesamt 577,34 EUR (= 1.129,18 DM) ergibt.

III.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde folgt aus dem für das Jahr 2000 geforderten und vom AG festgesetzten Gesamtbetrag von 2.131,42 EUR abzgl. der dem Beteiligten zu 1) vom LG zugebilligten 410,64 EUR mit 1.720,78 EUR. Für das Beschwerdeverfahren verbleibt es bei der zutreffenden Wertfestsetzung des LG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1207603

NWB 2004, 4054

BGHR 2004, 1526

NJW-RR 2004, 1525

EWiR 2004, 1203

NZM 2004, 798

WM 2004, 1882

ZIP 2004, 2022

ZfIR 2004, 922

InVo 2004, 516

MDR 2004, 1442

Rpfleger 2004, 645

WuM 2004, 567

ZInsO 2004, 911

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