Leitsatz (amtlich)

Ein Abschlag bei der Bewertung der Anteile einer Familien-GmbH, bei der sich die nahe verwandten Anteilseigner gegenseitige Beschränkungen bei Veräußerung und Vererbung der Anteile auferlegt haben, ist nur dann zu versagen, wenn am Bewertungsstichtag noch ein oder mehrere Gründungsgesellschafter beteiligt sind und diese einzeln oder gemeinsam die für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderliche Mehrheit haben.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13 Abs. 2

 

Tatbestand

Das FA stellte den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember 1962 vorläufig auf 415 DM je 100 DM Stammkapital fest. Dabei lehnte es die Gewährung eines Sonderabschlages nach Abschn. 79 VStR 1963 ab. Der Einspruch der Klägerin und eines Gesellschafters, mit dem ein Abschlag von 15 v. H. wegen der durch die Satzung wesentlich erschwerten und damit beschränkten Veräußerlichkeit der Geschäftsanteile begehrt wurde, hatte keinen Erfolg. Die Klage wurde, nachdem das FG die übrigen fünf Gesellschafter beigeladen hatte, abgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, den gemeinen Wert ihrer Anteile zum 31. Dezember 1962 unter Gewährung eines Abschlages von 15 v. H. vorläufig auf 353 v. H. festzustellen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen. Es wird Verletzung des Art. 3 und Art. 6 GG sowie der §§ 10 und 13 BewG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die Möglichkeit der Veräußerung der Geschäftsanteile sei durch die Satzung außerordentlich beschränkt. Die Veräußerung bedürfe der Genehmigung der Gesellschaft, die nur erteilt werden dürfe, wenn die Gesellschafterversammlung einstimmig die Erteilung der Genehmigung beschlossen habe. Das FG habe es abgelehnt, wegen dieser Veräußerungsbeschränkung einen Abschlag zuzulassen. Es habe sich dabei auf das Urteil des BFH III 21/64 vom 11. Juli 1967 (BFH 89, 479, BStBl III 1967, 666) berufen. Der dort behandelte Sachverhalt unterscheide sich aber von dem hier gegebenen wesentlich. Der BFH habe es in diesem Urteil darauf abgestellt, daß die am Stichtag vorhandenen Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag, der die Veräußerungsbeschränkung enthalten habe, abgeschlossen hätten. Er habe dazu ausgeführt: "Die Gesellschafter sind alsdann nicht in eine objektiv bestimmte GmbH eingetreten, sondern sie haben seinerzeit eine subjektive Regelung im eigenen und gegenseitigen Interesse getroffen." Die am 31. Dezember 1962 vorhandenen Gesellschafter der Klägerin hätten dagegen bis auf einen den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen. Dieser Unterschied sei ganz wesentlich und für die Beurteilung der Frage, ob die Verfügungsbeschränkung über die Gesellschaftsanteile auf objektiven Umständen beruhe, von entscheidender Bedeutung. Das FG nehme zu Unrecht an, daß die Gesellschafter die Veräußerungsbeschränkung in ihren Willen aufgenommen hätten. Es lasse unberücksichtigt, daß Änderungen der Satzung der Gesellschaft nur mit qualifizierter Mehrheit erfolgen könnten. Die Rechtslage sei bei Satzungsänderungen somit ganz anders als bei der Gründung einer Gesellschaft. Es gehe nicht an, die Gesellschafter ausschließlich in ihrer Gesamtheit zu sehen, die Interessengegensätze der einzelnen Gesellschafter hätten bei weitem die Gemeinsamkeit der ohnehin nur losen verwandtschaftlichen Beziehungen der Gesellschafter überwogen. Es widerspreche dem klaren Wortlaut des § 10 BewG, wenn generell - also ohne Prüfung des Einzelfalles - unterstellt werde, bei Familiengesellschaften würden Verfügungsbeschränkungen schlechthin unwiderlegbar in der Person der Gesellschafter liegen. So könne auch die Rechtsprechung des BFH nicht verstanden werden. Das FG hätte deshalb Feststellungen darüber treffen müssen, warum gerade im vorliegenden Fall die Verfügungsbeschränkung auf persönlichen Gründen beruhe. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß die satzungsmäßige Verfügungsbeschränkung nicht durch objektive Gründe bestimmt sei. Maßgebender objektiver Grund sei die Wahrung der Geschlossenheit der Gesellschaft zur Erhaltung der Position der Gesellschaft bei einer GmbH, an der die Klägerin und ein großer Konzern zu je 50 v. H. beteiligt seien. Auch wenn die einzelnen Gesellschafter nicht verwandtschaftlich verbunden wären, müßte auf jeden Fall verhindert werden, daß dieser Konzern in irgendeiner Weise noch mehr Einfluß auf diese Gesellschaft gewinnen könnte. Im übrigen würde es gegen Art. 3 und Art. 6 GG verstoßen, wenn eine im Gesetz nicht vorgesehene Fiktion oder unwiderlegbare Vermutung dahingehend geschaffen würde, daß bei Familiengesellschaften nur subjektive Gründe für Verfügungsbeschränkungen maßgebend sein könnten.

Die Beigeladene zu 6. hat sich der Revision und der Revisionsbegründung der Klägerin angeschlossen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Senat hat in dem Urteil III 21/64 vom 11. Juli 1967 (a. a. O.) entschieden, daß bei der Bewertung der Anteile einer Familien-GmbH, bei der sich die nahe verwandten Anteilseigner gegenseitige Beschränkungen bei Veräußerung und Vererbung der Anteile auferlegt haben, wegen dieser Beschränkungen kein Abschlag zu machen ist. In der Begründung dieses Urteils hat er zum Ausdruck gebracht, daß dies jedenfalls dann gelten müsse, wenn die am Stichtag vorhandenen Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag, in dem die Beschränkungen vereinbart wurden, abgeschlossen haben. An dieser Auffassung hält der Senat fest.

Der Senat hat aber in dem Urteil III 21/64 (a. a. O.) nicht entschieden, ob ein Abschlag dann gewährt werden kann, wenn am Stichtage nicht mehr alle Gründungsgesellschafter an der Gesellschaft beteiligt sind, sondern einige von ihnen ausgeschieden und an ihre Stelle - im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge - neue Gesellschafter eingetreten sind. Der Senat ist der Auffassung, daß in diesen Fällen der Abschlag nur bei den Anteilen der am Stichtag noch an der Gesellschaft beteiligten Gründungsgesellschafter versagt werden kann, wenn sie einzeln oder gemeinsam die für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderliche Mehrheit haben. Denn nur wenn diese Voraussetzung vorliegt, kann unterstellt werden, daß sie an den im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Beschränkungen festhalten wollen. Eine solche Unterstellung ist dagegen nicht möglich bei Gründungsgesellschaftern, die einzeln oder gemeinsam eine geringere Mehrheit haben, und bei später eingetretenen Gesellschaftern ohne Rücksicht auf die Höhe ihrer Beteiligungen.

Da im Streitfall nur die Beigeladene zu 1. noch Gründungsgesellschafterin ist und da sie nicht die zur Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderliche Mehrheit besitzt, war sowohl ihr als auch den anderen Gesellschaftern für ihre Anteile wegen der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Beschränkungen grundsätzlich ein Abschlag zu gewähren. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war deshalb aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG noch nicht zur Höhe des beantragten Abschlags Stellung genommen hat. Sie wird deshalb an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 4

BFHE 1972, 220

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