Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der betrieblichen Veranlassung von Bewirtungsaufwendungen: Nachholung der Angabe des Bewirtenden im amtlichen Bewirtungsvordruck im Rechtsbehelfsverfahren?

 

Leitsatz (amtlich)

Der IV. Senat legt dem Großen Senat gemäß § 11 Abs.3 FGO folgende Frage zur Entscheidung vor: Kann die unterbliebene Angabe des Bewirtenden im amtlich vorgeschriebenen Bewirtungsvordruck gemäß § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.2 Satz 2 EStG auch noch nachträglich im Rechtsbehelfsverfahren nachgeholt werden?

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 Nr. 2 S. 2; EStG 1990 § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 2; EStG 1993 § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 2; FGO § 11 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betreibt einen Optik-Großhandel und entsprechende Vertretungen. Im Streitjahr 1984 beschäftigte sie die Ehefrau des Komplementärs und einen Reisenden als Arbeitnehmer.

Die Klägerin führte im Streitjahr für Geschäftsfreunde und Kunden Bewirtungen mit einem Gesamtaufwand von 5 114,16 DM durch, die durchweg vom Komplementär, in Einzelfällen aber auch von dem angestellten Reisenden in Auftrag gegeben wurden. Für jede einzelne Bewirtung füllte die Klägerin durch ihren Komplementär oder Angestellten den amtlich vorgeschriebenen Vordruck gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus. Dabei wurden alle Teilnehmer an den Bewirtungen mit Ausnahme der die Bewirtung veranlassenden Personen angegeben; diese unterzeichneten jeweils den Vordruck. Erst im finanzgerichtlichen Verfahren ließ die Klägerin auf einer Vielzahl von Vordrucken, die Namen des Komplementärs bzw. des Angestellten nachtragen.

Nach einer die Jahre 1984 bis 1986 betreffenden Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bei den Bewirtungskosten eine Reihe von Mängeln fest und beanstandete u.a., daß die die Bewirtung veranlassenden Personen in den amtlichen Vordrucken nicht aufgeführt waren. Das FA versagte den Abzug der Bewirtungskosten als Betriebsausgaben und änderte den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte sich auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach die auf dem der Rechnung beizufügenden amtlichen Vordruck enthaltenen Angaben nicht nach Ablauf des Geschäftsjahrs nachgeholt werden dürfen (BFH-Urteil vom 25. März 1988 III R 96/85, BFHE 153, 119, BStBl II 1988, 655) und dieser Mangel ein Abzugsverbot für die Bewirtungsaufwendungen bedeutet (Senatsurteil vom 30. Januar 1986 IV R 150/85, BFHE 146, 241, BStBl II 1986, 488). Dieser Mangel habe auch nicht dadurch nachträglich geheilt werden können, daß der amtliche Vordruck im finanzgerichtlichen Verfahren vervollständigt worden sei. Dies gelte erst recht, wenn die Eintragung des bewirtenden Steuerpflichtigen als Teilnehmer des Bewirtungsvorgangs erst im Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren nachgeholt werde (Senatsurteil vom 11. August 1994 IV R 45/93, BFH/NV 1995, 206). An dieser Auffassung halte das Gericht auch unter Berücksichtigung des Urteils des BFH vom 13. Juli 1994 I R 128/93, I R 130/93 (BFHE 175, 256, BStBl II 1994, 894) fest. Zwar könnten die dort unter II. B. 3. b abgedruckten Entscheidungsgründe dafür sprechen, daß die Eintragung des Bewirtenden auch noch später nachgeholt werden könne; dies erscheine jedoch deshalb zweifelhaft, weil es an einer Auseinandersetzung mit der übrigen Rechtsprechung des BFH fehle, eine Divergenzvorlage an den Großen Senat nicht erörtert worden sei und die entsprechenden Entscheidungsgründe nicht entscheidungserheblich gewesen sein könnten. Die Teilnahme des Bewirtenden werde in dem amtlichen Vordruck auch nicht durch die jeweilige Unterschrift dokumentiert. Denn in der Unterschrift komme lediglich zum Ausdruck, wer den Vordruck ausgefüllt habe und für dessen inhaltliche Richtigkeit verantwortlich sei.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1984 unter steuermindernder Berücksichtigung der Bewirtungsaufwendungen zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Der Senat will an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten, daß die unterbliebene Angabe des Bewirtenden im Rechtsbehelfsverfahren nicht nachgeholt werden kann (Urteile des IV. Senats vom 1. Oktober 1992 IV R 96/91, BFH/NV 1993, 408, und vom 11. August 1994 IV R 45/93, BFH/NV 1995, 206). Daran sieht er sich jedoch durch das Urteil des I. Senats in BFHE 175, 256, BStBl II 1994, 894) gehindert; der I. Senat hat einer Abweichung von dieser Entscheidung nicht zugestimmt und einen entsprechenden Beschluß vom 11. Februar 1997 I ER -S- 4/96 (nicht veröffentlicht --NV--) gefaßt.

III.

1. Mit Urteil in BFH/NV 1995, 206 hat der Senat, seine bisherige Rechtsprechung zum Nachweis von Bewirtungsaufwendungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG (in der vor Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 1990, BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224 geltenden Fassung) zusammenfassend, entschieden, daß der bewirtende Unternehmer als Teilnehmer der Bewirtung in dem amtlichen Vordruck zu bezeichnen ist, obwohl er nicht zu den "bewirteten Personen" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bis 1990 gehört; nach der ab 1990 geltenden Gesetzesfassung ist klargestellt, daß die "Teilnehmer der Bewirtung" in dem amtlichen Vordruck aufzuführen sind. Der Senat hat weiter entschieden, daß weder die bloße Unterschrift des bewirtenden Unternehmers diesen Nachweisanforderungen gerecht wird, noch daß der Mangel unvollständiger Nachweise durch nachträgliche Ergänzungen während des finanzgerichtlichen Verfahrens geheilt werden könne. Einer Nachholung unterbliebener Angaben kann, wie der Senat in seinem Urteil in BFH/NV 1993, 408 zu 1. c, bb ausgeführt hat, nicht die gleiche Wirkung zukommen wie einer Ergänzung der dem amtlichen Vordruck beizufügenden Rechnung. Das Erfordernis zeitnaher Erstellung des amtlichen Vordrucks folgt danach aus dem Zweck der Vorschrift, eine verschärfte Nachweispflicht zu begründen, um dem FA die Überprüfung der betrieblichen Veranlassung der als Betriebsausgaben geltend gemachten Bewirtungskosten sowie der Angemessenheit ihrer Höhe nach zu erleichtern und die Mißbrauchsmöglichkeit in diesem Bereich einzuschränken (vgl. BFH-Urteil in BFHE 146, 241, BStBl II 1986, 488). Diese Form des Nachweises ist eine materielle Tatbestandsvoraussetzung für die gewinnmindernde Berücksichtigung der Bewirtungsaufwendungen (Senatsurteil in BFHE 146, 241, BStBl II 1986, 488). Dementsprechend darf das Ausfüllen des amtlichen Vordrucks nicht bis nach Ablauf des Geschäftsjahrs aufgeschoben werden (BFH-Urteile in BFHE 153, 119, BStBl II 1988, 655; vom 31. Juli 1990 I R 62/88, BFHE 162, 45, BStBl II 1991, 28).

Der X. Senat des BFH hat sich diesen Grundsätzen in seinem Urteil vom 21. Juli 1993 X R 31/92 (BFH/NV 1994, 367) in allen Punkten angeschlossen.

2. Von dieser Rechtsprechung ist der I. Senat in seinem Urteil in BFHE 175, 256, BStBl II 1994, 894 abgewichen. Danach soll der Vordruck ohne zeitlichen Zusammenhang mit der Bewirtung jedenfalls um die Namen der Bewirtenden ergänzt werden können, da solche Ergänzungen auch in der Gaststättenrechnung möglich seien. Anfragen an den IV. oder X. Senat sind nicht ergangen.

Dieser vom I. Senat vertretenen Auffassung kann der IV. Senat aus den bereits in seinem Urteil in BFH/NV 1993, 408 dargelegten Erwägungen nicht folgen. In dieser Entscheidung hat der Senat zur Frage einer Abweichung u.a. von dem Urteil des I. Senats des BFH vom 27. Juni 1990 I R 168/85 (BFHE 161, 125, BStBl II 1990, 903) ausgeführt, der Angabe des Bewirtenden in dem amtlichen Vordruck komme eine andere Bedeutung und ein anderes Gewicht zu als der entsprechenden Angabe in der diesem Vordruck beizufügenden Gaststättenrechnung. Das werde schon dadurch ersichtlich, daß Vordruck und Gaststättenrechnung unterschiedliche Nachweisfunktionen erfüllten. Der Vordruck diene im Falle einer Gaststättenbewirtung in erster Linie dem Nachweis der betrieblichen Veranlassung der Bewirtung. Der Steuerpflichtige habe die teilnehmenden Personen sowie den Bewirtungsanlaß anzugeben. Da diese Umstände grundsätzlich allein anhand des Vordrucks als Eigenbeleg überprüft würden, gehöre es zu der gebotenen zeitnahen Erstellung, daß diese Angaben vollständig und zeitnah zu machen seien. Die Gaststättenrechnung hingegen sei ein Fremdbeleg. Ihre Beweiskraft erstrecke sich auf die im Vordruck gemachten Angaben über Ort und Tag der Bewirtung und die Höhe der dem Steuerpflichtigen durch die Bewirtung in der Gaststätte entstandenen Aufwendungen. Ihre nachträgliche Ergänzung durch den Wirt könne als zulässig angesehen werden, zumal eine dadurch bedingte Mißbrauchsgefahr geringer einzustufen sei als bei der Nachholung von den im amtlichen Vordruck zu machenden Angaben. Dieser hinsichtlich Nachweisfunktion und Beweiskraft grundlegende Unterschied zwischen dem amtlichen Vordruck als Eigenbeleg und der Gaststättenrechnung als Fremdbeleg, die im übrigen nur durch den Rechnungsaussteller ergänzt werden darf (BFH in BFHE 161, 125, BStBl II 1990, 903; BFH/NV 1993, 408, und in BFH/NV 1995, 206), steht damit einer entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung zur nachträglichen Ergänzung von Gaststättenrechnungen entgegen.

Der I. Senat hat auf eine erste Anfrage erklärt, daß er an seinem Urteil in BFHE 175, 256, BStBl II 1994, 894 festhalte und die Auffassung des IV. und X. Senats im Anschluß an Heinicke (in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 4 Rz. 554 a.E.) für "nicht zwingend, überspitzt und mit der abweichenden Rechtsprechung zur Rechnung schwer vereinbar" einschätze. Unter Bezugnahme auf diese Begründung hat der I. Senat auf eine erneute Anfrage beschlossen, seine bisherige Entscheidung --jedenfalls für die Gesetzeslage bis 1989-- aufrechtzuerhalten und der Abweichung durch den IV. Senat nicht zuzustimmen. Versehentlich sei er seinerseits sowohl von dem Urteil des IV. Senats in BFH/NV 1993, 408 als auch von dem Urteil des X. Senats in BFH/NV 1994, 367 abgewichen, ohne bei den beiden Senaten anzufragen, ob sie der Abweichung zustimmen.

IV.

Der vorlegende Senat kann der Entscheidung des I. Senats in BFHE 175, 256, BStBl II 1994, 894 auch im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung des X. Senats nicht zustimmen. Er sieht sich deshalb zur Anrufung des Großen Senats veranlaßt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 128

BFH/NV 1998, 128-129 (Leitsatz und Gründe)

BFHE 184, 351

BFHE 1998, 351

BB 1997, 2309-2310 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 2254-2255 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 1801-1802 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 910 (Leitsatz)

DStZ 1997, 856-857 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1998, 95

StE 1997, 702 (Leitsatz)

WPg 1998, 22 (Leitsatz)

StRK, R.49c (Leitsatz und Gründe)

FR 1997, 812-814 (Leitsatz und Gründe)

Information StW 1997, 763-764 (Leitsatz und Gründe)

NJW 1998, 336 (Leitsatz)

GStB 1997, Beilage zu Nr 12 (Leitsatz)

BBK 1997, 1066

AktStR 1998, 159-160 (Kurzwiedergabe)

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